Samuel Barber

Adagio aus dem Streichquartett op. 11 (Bearbeitung für Streichorchester)

Sätze

  • Molto adagio

Dauer

8 Min.

Entstehung

1936/38

Samuel Barbers Adagio für Streichorchester ist das Werk, mit dem er über alle Genre-Grenzen hinweg Berühmtheit erlangte. Der amerikanische Komponist Ned Rorem schrieb anerkennend: «Während Sie dies lesen, wird garantiert irgendwo auf der Welt Barbers Adagio for Strings aufgeführt. Das Adagio ist sicherlich das meistgespielte Stück ‚ernster’ amerikanischer Musik und räumt mit zwei gängigen Vorurteilen auf: dass Populäres immer minderwertig ist und dass das Neue stets das Alte übertrifft.» Der Komponist selbst blickte eher missmutig auf den Erfolg gerade dieses einen Stückes – immerhin blieben andere, in seinen eigenen Augen wichtigere Kompositionen stets im Schatten des Adagios. Die Geschichte des so einprägsamen Werkes ist schnell erzählt: Barber hatte 1936 während seiner Sommerferien mit Gian Carlo Menotti in Italien ein Streichquartett komponiert – sein Opus 11. Ein Jahr später bat Arturo Toscanini seinen Dirigentenkollegen Artur Rodzinski, damals Chefdirigent des Cleveland Orchestra, um einige Werke amerikanischer Komponisten, die er dirigieren wollte. 1937 hatte die NBC extra für Toscanini das NBC Symphony Orchestra gegründet, um dem gestrengen Dirigenten im Exil eine musikalische Heimat zu geben. Rodzinski empfahl den jungen Samuel Barber. Der wiederum sandte, vom Interesse des damals weltberühmten Toscanini begeis-tert, zwei Werke an Toscanini – die jener wortlos nach ein paar Monaten zurückschicken ließ. Es waren das «Essay Nr. 1» für Orchester und das Adagio für Streichorchester, ein Arrangement des langsamen Satzes seines Streichquartetts op. 11. Der enttäuschte Barber begann daraufhin, sich um einen anderen Dirigenten für die Uraufführung seines Adagios umzusehen. Im Sommer 1938 weilten Barber und Menotti erneut in Italien, diesmal am Lago Maggiore, wo sich auch Arturo Toscanini aufhielt. Dieser lud Menotti mit Begleiter zu sich ein, doch Barber blieb wegen einer angeblichen Erkältung fern. Toscanini antwortete dem entschuldigenden Menotti nur: «Oh, es geht ihm gewiss ausgezeichnet. Er ist nur böse, aber er hat keinen Grund dazu; ich werde seine beiden Stücke dirigieren.» Und tatsächlich setzte Toscanini für sein Rundfunkkonzert am 5. November 1938, das ein paar Millionen Amerikaner an den Radiogeräten verfolgten, Barbers «Essay» und das Adagio auf das Programm. Die Partituren sah Toscanini erst am Tag vor der ersten Probe wieder: Er hatte beide Werke bereits Monate zuvor, als er die Werke vom Komponisten erhalten hatte, gründlich studiert und auswendig gelernt. Der erfolgreichen Premiere folgten rasch weitere Aufführungen, Toscanini führte das Werk sogar auf Tournee auf.

1967 setzte Barber das Adagio als Agnus Dei für Chor. Bis heute gilt die knapp achtminütige Komposition als eindringliche Trauermusik: Schon 1945 wurde das Adagio bei der Radio-Bekanntmachung des Todes des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelts gespielt, später dann etwa bei den Begräbnissen von Albert Einstein, der monegassischen Fürstin Gracia Patricia oder Leonard Bernstein. In Film, Fernsehen, bei traurigen Anlässen und Gedenkfeiern: Überall scheint gerade dieses Musikstück perfekt zu passen. Der amerikanische Komponist und Pianist Rob Kapilow meint dazu, es repräsentiere alle Stadien, die Begräbnisfeierlichkeiten umspannen: «Es beginnt in unglaublicher Traurigkeit, steigert sich zu einem intensiven Höhepunkt und erreicht dann diese Art der Akzeptanz, die vollständig angebracht ist für diese Gelegenheit.» Die schlichte Bauart des Adagios tritt in der Quartettversion deutlich klarer zutage, während in der Streichorchesterfassung die Klangdichte die recht einfache Struktur stärker verschleiert. Ein schlichtes Dreiton-Motiv kehrt sequenzartig ständig wieder, wird erweitert, gesteigert und scheint schließlich zu einer einzigen, großen Melodie zu verschmelzen, bis es am Höhepunkt abbricht, nach einer Generalpause in einen knappen Abgesang mündet und schließlich ruhig verklingt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

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