Toshio Hosokawa

«Circulating Ocean» für Orchester

Sätze

  • Introduction

  • Silent Ocean

  • Waves from the Ocean

  • Cloudscape in the Sky

  • Storm

  • Waves

  • Breeze on the Ocean

  • The Water returning to the Sky again

  • Mist on the Ocean

Dauer

20 Min.

Entstehung

2005

Toshio Hosokawa zählt zu den erfolgreichsten japanischen Komponisten der Gegenwart. 1955 in Hiroshima geboren, wuchs er in einer künstlerisch fruchtbaren Umgebung auf: Die Klänge der traditionellen japanischen Koto, der Wölbbrettzither, die seine Mutter spielte, zählten wohl zu den ersten musikalischen Erlebnissen des Knaben, während der Großvater als Ikebana- Meister ausgeklügelte Pflanzen-Arrangements schuf. Mit vier Jahren begann Hosokawa mit dem Klavierunterricht und nahm 1971 in Tokio sein Kompositionsstudium auf, das er fünf Jahre später an der Hochschule der Künste in Berlin bei Isang Yun fortsetzte: Der Sprung in eines der führenden europäischen Musikzentren war geschafft. 1983 wechselte er zu Klaus Huber an die Hochschule für Musik Freiburg, der ihn ermunterte, sich auf seine Wurzeln zu besinnen, sich mit traditioneller japanischer Musik auseinanderzusetzen und die Hofmusik Gagaku sowie das Nô-Theater zu studieren.

Erst dadurch entwickelte Hosokawa seine ganz eigene Musiksprache, die die westliche Avantgarde mit der traditionellen japanischen Kultur in Einklang bringt. Spätestens seit seinem 2001 uraufgeführten Oratorium «Voiceless Voice in Hiroshima», das auf der Verbindung der musikalischen Sphären von Ost und West basiert, sind die Werke Hosokawas in den bedeutendsten Konzertsälen und Opernhäusern zu hören. Einen seiner jüngsten großen Erfolge feierte er mit der 2016 in Hamburg uraufgeführten Oper «Stilles Meer», in der indirekt die Katastrophe von Fukushima thematisiert wird.

Den Unterschied und das Verhältnis zwischen den beiden Kulturkreisen fasste Hosokawa einmal so zusammen: «Die europäische Kunst sagt: Die Zeit soll nicht vergehen. Wie in den Kathedralen, die für die Ewigkeit stehen. Die japanische Kunst geht mit der Zeit und sagt: Vergänglichkeit ist schön. Der Ton kommt aus dem Schweigen, er lebt, er geht ins Schweigen zurück.» In Hosokawas Musik finden sich nicht zuletzt Vorstellungen und Ideen aus dem Zen-Buddhismus. Ihr Zeitbegriff, Rhythmus und Tempo orientieren sich an der Atemlehre der Zen-Meditation, in der jeder Atemzug für Leben und Tod steht. Der eigentliche Schaffensprozess umfasst dabei auch die Stille, aus der die Komposition erst entstehen kann.

Hosokawa verweist hier gerne auf die japanische Schriftkunst: Der Kalligraph fixiert mit dem Pinsel erst einen Punkt in der Luft, bevor er ihn von dort aus über das Papier führt und wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Die Schriftzeichen auf dem Papier sind nur das sichtbare Ergebnis einer viel größeren Pinselbewegung. «Diese Denkweise hat einen starken Einfluss auf meine Musik ausgeübt. (…) Meine Musik ist eine Kalligraphie aus Klang in Zeit und Raum, jede Note ist wie der Pinselstrich in der ostasiatischen Kalligraphie. » Immer verarbeitet Toshio Hosokawa in seinem inzwischen auf etwa 150 Werke angewachsenen OEuvre das Thema Natur, wobei das Meer eine besondere Rolle einnimmt. Das heute aufgeführte «Circulating Ocean» ist das dritte symphonische Stück einer Reihe über den Ozean, die 2001/02 mit «Voice from the Ocean» ihren Anfang nahm und 2003 mit «Wind from the Ocean» fortgesetzt wurde.

2005 folgte als Auftragswerk der Salzburger Festspiele das mehrteilige Orchesterstück «Circulating Ocean», das im Festspielsommer 2005 von den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev uraufgeführt wurde. Die dahinter stehende Idee des Komponisten ist es, «die Urenergie der Natur mit Tönen auszudrücken: das Meer und die Menschen. Die Natur, das Universum und ich.» Die Teile gehen ohne Pause ineinander über: «Introduction», «Silent Ocean», «Waves from the Ocean», «Cloudscape in the Sky», «Storm», «Waves», «Breeze on the Ocean», «The Water returning to the Sky again» und «Mist on the Ocean» («Einleitung», «Stilles Meer», «Meereswellen», «Wolken am Himmel», «Sturm», «Wellen», «Meeresbrise», «Das Wasser kehrt wieder zum Himmel zurück» und «Nebel über dem Wasser»). Der Kreislauf des Wassers stellt sich für Toshio Hosokawa als Metapher auf den Werdegang der Menschenseele dar: «Ich bin ein Tropfen Wasser. Ich bin aus dem Ozean geboren und werde wieder dahin zurückkehren. Mein Ego wird geboren und wieder tot sein.»

Hosokawa arbeitet mit an- und abschwellenden Klängen, mit wechselnden Klangfarben und einer großen Palette an Ausdrucksmustern, die meditativ-sehnsüchtige Klangflächen ebenso einschließen wie erregte Fortissimo-Passagen. Er selbst fasste «Cirulating Ocean» an anderer Stelle so zusammen: «Folgt man den Bezeichnungen der Sätze meines symphonischen Werkes, so scheint es auf den ersten Blick wie eine musikalische Illustration des ewigen Kreislaufes des Wassers: Nebel steigt aus dem Meer auf, Wolken bilden sich, Regen fällt wieder zur Erde. ‹Circulating Ocean› ist aber mehr als Programmmusik, mehr als eine eindimensionale Naturschilderung – der Kreislauf des Elements Wasser ist Sinnbild für den Kreislauf unseres menschlichen Lebens, für unsere Verbundenheit mit der Natur, für unser Streben nach Leere, Entgrenzung und Vollkommenheit.»

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Markus Hennerfeind

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