Richard Strauss

«Don Juan» Tondichtung op. 20

Sätze

  • Allegro molto con brio (alla breve)

Dauer

17 Min.

Entstehung

1888

Im Frühjahr 1888 begann Strauss mit der Komposition seiner dritten Tondichtung für großes Orchester, «Don Juan». Der Partitur stehen zwar Zitate aus der unvollendeten Dichtung Nikolaus Lenaus voran, doch scheint die programmatische Verbindung viel loser zu sein, als man lange dachte. Im Juni 1885 hatte er gemeinsam mit Hans von Bülow eine Aufführung von Paul Heyses Drama «Don Juans Ende» besucht – eine weitere Inspirationsquelle? Mozarts «Don Giovanni» dirigierte Strauss zwar erst 1890 zum ersten Mal, doch gekannt hat er die Oper zweifellos. Die Figur des Don Juan, des Frauenhelden, der zwar keiner Versuchung widerstehen kann, doch gleichzeitig seines Lebens überdrüssig ist und in letzter Konsequenz den Tod findet, hat den knapp 24-Jährigen an sich fasziniert. Sein «Don Juan» bildet ein eigenes Drama in den glühenden Farben des großen Symphonieorchesters eindrucksvoll ab, das der Hochbegabte mit der ihm eigenen sicheren Hand einzusetzen wusste. Im Herbst schon war das Stück fertig, und obwohl es bis zur Uraufführung am 11. November 1889 in Weimar noch über ein Jahr dauerte, änderte Strauss (angeblich) nichts mehr an seiner Partitur.

Heute glaubt man zu wissen, dass Strauss bei «Don Juan» keinem fixen, vorgegebenen Programm gefolgt ist, sondern im Laufe der Komposition sich seine programmatische Richtung aufgrund der vorgegebenen Titelfigur selbst erst entwickelt hat. Einer Handlung ist hier insofern zu folgen, als sich das Werben, der Erfolg und Misserfolg der amourösen Abenteuer in der Musik gut erkennen lassen.

Der umwerfend stürmische Beginn markiert zweifellos den Helden der Geschichte. Wild auffahrend, ein Draufgänger, wie auch jeder Dirigent gleich zu Beginn zu spüren bekommt: Sie sind nicht leicht zu bändigen, die ersten Takte des «Don Juan», der in so rasendem Tempo anhebt, als würde er mit einem Streich die komplette Damenwelt in wohlig-prickelnde Ohnmachten stürzen wollen. Das feurige Thema verbreitert sich, gewinnt an Kraft, wird ungeduldig – als es plötzlich sich träumerisch verliert und eine Solo-Violine über allem schwebt: die erste Angebetete betritt die Szene. Das Liebeswerben nimmt seinen Lauf, findet das erstrebte Ziel, und zurück bleibt Ermattung, bevor das nächste Abenteuer losgeht. Diesmal ertönt das Lied des erotischen Opfers in der Oboe. Diese Affäre beginnt ruhiger, doch bald stellt sich auch hier mit mächtigen Hornklängen ein enormes Drängen ein: Der Blechglanz verströmt die unwiderstehliche Kraft des Helden. Die Ermattung folgt auch diesmal, nur stärker. Ein weiteres Mal schwingt er sich auf, doch das Begehren wird wilder, ziellos. Erneut ergießt sich die unbändige, fast verzweifelt mobilisierte Kraft in vollmundig-üppigem Orchesterglanz, es folgt ein weiterer Aufschwung mit dem Anfangsthema – doch es führt nirgendwo mehr hin: Diese Erlahmung ist die letzte. Der einzelne Ton der Solo-Trompete wird gern als tödlicher Degenstoß interpretiert, denn jetzt verdämmert alles rasch. «Don Juan» ist in jeglicher Hinsicht am Ende. Der leise, wie absterbende Schluss vermittelt sowohl den Tod als auch die mit der Masse an Liebesabenteuern, dem ständigen Suchen, Finden, der Erschöpfung und der Wiederholung dieses Musters einhergehende Auszehrung, den Verfall des Helden.

Freilich ist diese inhaltliche Darstellung nur eine Möglichkeit, denn so sehr Strauss anderswo klare Richtschnüre hinterlassen hat, etwa im «Heldenleben» oder der «Alpensinfonie», fußen die Denkansätze bei «Don Juan» letztlich alle auf drei Textzitaten aus Lenaus «Don Juan», und diese sollten nur den Gehalt der Tondichtung erläutern, nicht aber deren detaillierten Ablauf. Und so wird, je nach Fantasie, sich jeder seine mehr oder weniger eindeutigen Gedanken machen zu diesem Glanzstück der Orchestergeschichte. Strauss’ Instrumentierungskunst machte selbst scharfe konservative Kritiker staunen, die sonst kein gutes Haar an seiner Musik ließen. Mit «Don Juan» hat er eine Tür in seine Zukunft der Orchesterbehandlung aufgestoßen, ohne die alles weitere, von «Rosenkavalier» bis «Capriccio», nicht denkbar gewesen wäre. Der Erfolg des «Don Juan» war derart, dass er in den ersten drei Jahren schon 26 Mal in Städten von Wien bis Paris, New York oder Boston aufgeführt wurde und Strauss’ internationalen Ruf über Nacht festigte.

© Grafenegg Kulturbetriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

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