Frédéric Chopin

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 11

Sätze

  • Allegro maestoso

  • Romanze.Larghetto

  • Rondo. Vivace

Dauer

34 Min.

Entstehung

1830

Rund um sein 20. Lebensjahr beendete Frédéric Chopin seine Beschäftigung mit dem Orchester für immer. Sowohl die beiden Klavierkonzerte, als auch alle anderen insgesamt vier Werke für Klavier und Orchester entstanden im Wesentlichen noch während seiner Warschauer Zeit, also vor oder im Jahr 1830. Die enge Verwandtschaft zum Opernschaffen Vincenzo Bellinis ist besonders im Ersten Klavierkonzert mit seinen weit gesponnenen Themen offenbar. Bei Chopin tritt eine sinnliche Kraft hinzu, die in erster Linie den Möglichkeiten des Klaviers entspricht. Die Exklusivität dieses einen wahren Instrumentes, dem er all seine Kreativität anvertraute, ist selbst im Vergleich mit anderen, ebenso hervorragenden Pianisten seiner Zeit ungewöhnlich. Sogar der gestrenge Klavierpädagoge Carl Czerny schrieb auch rein symphonische Werke, von Franz Liszt, dem berühmtesten Klaviervirtuosen seiner Zeit, ganz zu schweigen.

Bei Chopin sollte das Orchester allein als Grundierung für pianistische Abläufe dienen, und es erfüllt genau diesen Zweck. Selbst bei Passagen, die nur aus Akkordzerlegungen oder einfach langen Läufen bestehen, bleibt das melodische Material im Klavier, während das Orchester in möglichst warmen, satten Farben den harmonischen Hintergrund bildet und in Einleitungen und Zwischenspielen den Klavierpart kontrastiert und vorbereitet. Chopin liegt damit ganz im Stil des Virtuosenkonzertes seiner Zeit. Dennoch sahen sich selbst Zeitgenossen wie die Pianisten Karl Klindworth oder Carl Tausig dazu veranlasst, dem Orchesterpart durch Retuschierungen und Umarbeitungen größeres Gewicht zu verleihen. Später griff etwa der russische Komponist Mili Balakirew in die Partitur ein, und vor einigen Jahren hat der Pianist und Dirigent Mikhail Pletnev eine sanfte Neuinstrumentierung vorgenommen. Nötig ist das offenbar nicht: Denn während alle anderen Virtuosenkonzerte des 19. Jahrhunderts, von Henri Herz, Ignaz Moscheles oder Theodor Kullak, um nur einige zu nennen, höchstens noch am Plattenmarkt in Spuren, aber gar nicht im Konzertalltag präsent sind, zählen die beiden Klavierkonzerte Chopins bis heute zu den Fixpunkten im Repertoire jedes Pianisten und aller Konzertveranstalter, unabhängig von Orchestrierungs-Details.

Das Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11 entstand von April bis August 1830, nach dem f-Moll-Konzert, wurde jedoch als erstes (1833) veröffentlicht, wodurch die umgekehrte Nummerierung zustande kam. Die traditionelle dreiteilige Anlage mit zwei schnellen Ecksätzen und einem ruhigen Mittelsatz liegt ebenso ganz im Stil der Zeit wie die damit einhergehenden Anforderungen an den Klaviervirtuosen. Die lange Orchestereinleitung bringt drei Themen: Das erste, pathetisch-strenge in e-Moll, darauf das lyrische Hauptthema, ebenfalls in e-Moll, und das zarte Seiten­thema in E-Dur. Das Klavier setzt kraftvoll, quasi improvisatorisch weit ausholend ein und wiederholt alle drei Themen. Nach außen hin scheint nun der einzige wirkliche Kontrast zwischen Haupt- und Seiten­thema die Dur-Aufhellung, doch trügt dieser Schein: das Geheimnis liegt in der linken Hand des Klaviersatzes begründet. Während nämlich zum Hauptthema leise pochende Akkorde erklingen, folgen dem Melodieverlauf des Seitenthemas weiträumige Bassfiguren. Damit erklärt sich auch der Unterschied im Charakter der Themen, die zwischen Tristesse und positivem Aufschwung pendeln. Die weitere Verarbeitung des Materials erfolgt im Wesentlichen solistisch, wobei vor allem der Variation als Gestaltungsmittel großer Platz gewährt ist. Als groß angelegtes, wunderschönes Nocturne über gedämpftem Orchesterteppich entpuppt sich schließlich der zweite Satz, zu dem sich Chopin selbst in einem Brief äußert: "Das Adagio des neuen Konzertes ist in E-Dur. Es ist eine Art Romanze, ruhig und melancholisch. Es soll den Eindruck eines liebevollen Rückblicks erwecken, eines Rückblicks auf eine Stätte, die in uns tausend süße Erinnerungen wachruft. Es ist wie eine Träumerei in einer schönen, mondbeglänzten Frühlingsnacht. Deshalb wird es mit sordinierten Geigen begleitet; das sind Geigen, die durch eine Art Kämme gedämpft werden, die, auf den Saiten angebracht, einen nasalen, silbernen Ton bewirken." Spätestens hier erübrigen sich auch alle Kritikpunkte den Orchestersatz betreffend. Das finale Rondo ruft mit scharfen Akzenten aus dem Traumland der Romanze zurück in die Welt des polnischen Volkstanzes: Im Rhythmus des Krakowiak hebt das Klavier an und reißt sogleich wieder den ganzen Satz an sich. Das Orchester leitet bald zu einem harschen Temperaments-Ausbruch nach cis-Moll über, um nach einigem beeindruckenden Passagenwerk im A-Dur-Seitenthema zu landen, das unisono wieder ganz den Volksliedgedanken aufgreift. Es ist auch genau dieses Thema, das letztlich dem Satz seine Würze verleiht. Nach dem nochmaligem, variierten Hauptgedanken folgt dem Seitenthema (diesmal in E-Dur) ein temperamentvoller Kehraus in atemberaubendem Tempo.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

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