Johannes Brahms

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83

Sätze

  • Allegro non troppo

  • Allegro appassionato

  • Andante

  • Allegretto grazioso

Dauer

44 Min.

Entstehung

1878-81

Johannes brahms war Mitte Vierzig, als er sein zweites Klavierkonzert komponierte. Er lebte als angesehener Komponist in der «Musikhauptstadt» Wien, seine Orchester-, Kammermusik- und Klavierwerke wurden von renommierten Verlagen veröffentlicht und mit Kritikerlob überschüttet, und er war längst den prophetischen Worten seines Fürsprechers Robert Schumann gerecht geworden: «... Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wunderbare Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt bevor.»

Privat und schöpferisch hatte Brahms große Krisen hinter sich gebracht. Die tragischen Umstände seines innigen Verhältnisses zu der Pianistin Clara Schumann, das von der Krankheit und vom Tod seines älteren Komponistenfreundes Robert Schumann überschattet war, hatten sich in eine angeregte Künstlerfreundschaft zu der Musikerin und Komponistenwitwe aufgelöst. Das Trauma des angehenden Komponisten, aus dem schier übermächtigen Schatten Beethovens nicht heraustreten und keine groß angelegten symphonischen Werke komponieren zu können, war überwunden. Mit dem «Deutschen Requiem» und mit der ersten Symphonie gelangen Brahms Meisterwerke in den großen Genres. Darüber hinaus erfreuten sich seine Kammermusikwerke und seine Lieder großer Beliebtheit und Bekanntheit, nicht nur im Konzertsaal, sondern auch in vielen Hausmusikkreisen.

Ein erfolgreicher, unabhängiger und schöpferisch inspirierter Künstler also. Ein Einzelgänger auch, der nicht verheiratet war, nur für ganz kurze Zeit fixe Anstellungen hatte und frei von Verpflichtungen seinem Schaffen lebte. Brahms konnte sich, wenn ihm da­nach war, aus dem großstädtischen Treiben von Wien in ländliche Idyllen zurückziehen, um sich auf das Komponieren zu konzentrieren. Das zweite Klavierkonzert, 1878 ein Jahr nach der Fertigstellung der zweiten Symphonie skizziert, wurde nach längerem Reifungsstadium im Sommer 1881 nahe von Wien in Pressbaum komponiert. Das Konzert hob dann Brahms selbst am Klavier im November 1881 in Budapest aus der Taufe, der Dirigent war Alexander Erkel. Im Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 gelang Brahms die Verschmelzung von symphonischer Form und virtuosem Konzertcharakter. Erstmals in der Musikgeschichte standen in diesem Werk Solo und Orchester nicht mehr im traditionellen Sinne konzertierend im Wettstreit, sondern ergänzten sich zu einem symphonischen Ganzen. Der Wiener Kritiker Eduard Hanslick sprach sogar von einer «Symphonie mit obligatem Klavier» und brachte damit den innovativen Wert der Komposition überspitzt zum Ausdruck.

Der «obligate» Klavierpart ist freilich von enorm großer Schwierigkeit: Gegenläufige Arpeggien beider Hände über riesige Distanzen und vollgriffige Akkorde und Sprünge sowie lange Oktavtrillerketten bilden einen beeindruckenden symphonischen Klangraum allein des Solo­-instrumentes. In seiner Anlage hat das Konzert wie eine Symphonie vier Sätze, denn zwischen dem Kopfsatz und dem langsamen Satz schob Brahms eine Art Scherzo ein. Diesem großen Ansatz steht eine oft geradezu kammermusikalische Verarbeitung gegenüber, das Klavier hat keine Kadenzen und nur eine längere Solopassage, tritt dafür oft in Dialoge mit den Orchesterinstrumenten ein und nimmt gleichzeitig mit den anderen Stimmen an der thematischen Gestaltung teil. Hierin, in der totalen Durchdringung des kompositorischen Materials, liegt besonders der symphonische Zug des Werkes begründet.

Es war eine von Brahms’ gern gepflogenen, koketten Untertreibungen, wenn er die Komposition dieses Werkes seiner Freundin Elisabet von Herzogenberg wie folgt meldete: «(Ich habe) ein ganz ein kleines Klavierkonzert geschrieben mit einem ganz kleinen zarten Scherzo ...»

Die Synthese aus Symphonik und Konzert wird schon in den ersten Takten des Klavierkonzerts Nr. 2 deutlich: In das eröffnende Hornmotiv im ersten Satz (Allegro non troppo) steigt sogleich das Klavier als Themenmitgestalter ein, die Holzbläser kommen dazu und die Streicher setzen die Themenformung fort. Wirkt das Hauptthema etwas romantisch-verhangen (die idyllische Grundstimmung ist von einer leisen Wehmut durchzogen), so sorgt das zweite Thema für tänzerische Impulse. Hier ist die Stimmung gelöst, aber immer wieder schlägt die äußere Heiterkeit in innerliche Nachdenklichkeit um. Manchmal wird aus dem Grübeln eine heftige Erregung. Doch am Ende des Satzes findet Brahms zu einem geradezu festlichen Tonfall. Die vorwärts drängende d-moll-Energie des zweiten Satzes (Allegro appassionato) bremst Brahms mehrmals mit einem seltsam entrückten Unisono-Motiv der hohen Streicher. Traumhafte Lyrik verströmt der dritte Satz (Andante), ein Andante in Liedform, in dem Violoncello und Klarinette mit sehnsüchtiger Melodik solistisch zum Klavier hinzutreten, und bereits das späte Lied «Immer leiser wird mein Schlummer» anklingt. In das ausgelassene Final-Rondo (Allegretto grazioso) lässt Brahms den von ihm so gut angenommenen ungarischen Tonfall und manche kantable Elegie einfließen.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

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