Bohuslav Martinu

Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1

Sätze

  • Allegro poco moderato

  • Andante moderato

  • Allegro

Dauer

27 Min.

Entstehung

1930

Bohuslav Martinu, Sohn eines Schusters und Kirchturmwächters, verbrachte seine Kindheit meist in den luftigen Höhen der Turmwohnung nahe den Kirchenglocken. Zu ebener Erde bei einem musizierenden Schneider erhielt Bohuslav ersten Geigenunterricht. Von der Dorfgemeinschaft wurde dem begabten Jungmusiker eine Ausbildung am Prager Konservatorium finanziert. Nach einigen Jahren als Geiger in der Tschechischen Philharmonie übersiedelte Martinu Dank eines Stipendiums nach Paris, nahm Kompositionsunterricht bei Albert Roussel und sog die künstlerischen Strömungen des Impressionismus, Neoklassizismus und der «Groupe de Six» auf. Unter diesem Einfluss und auf der Grundlage seiner intensiven Beschäftigung mit der Polyphonie der Renaissance und konzertanten barocken Formen entwickelte er seinen eigenen Stil. Vor dem in Europa tobenden Weltkrieg flüchtete Martinu in die USA, wo er Aufträge von bedeutenden Dirigenten erhielt und seine Werke von führenden Orchestern gespielt wurden. Nach dem Krieg kehrte Martinu wieder nach Europa zurück, allerdings sah er dann sein mittlerweile kommunistisch ausgerichtetes Heimatland nie mehr, sondern starb im Schweizer Exil.

Kompositionstechnisch arbeitete er mit sogenannten Zellen. Darin kommen konzentrierte rhythmisch-melodische Grundgestalten variabel in einem freien polyphonen, harmonisch farbenreichen Geflecht zur Entfaltung. Die ursprüngliche Volksmusik der Heimat blieb stets eine Inspirationsquelle für Martinu. Die Streichinstrumente kamen seiner kraftvollen melodischen Tonsprache überaus entgegen. Der Komponist schrieb je fünf konzertante Werke für Violine und Violoncello mit Orchester und viel Kammermusik für Streicher.

Von Cassadó zu Fournier. Sein erstes Konzert für Violoncello und Orchester begann Martinu in seiner Heimatstadt Policka während des Sommers 1930 zu komponieren und vollendete es im Herbst desselben Jahres in Paris. Die Uraufführung spielte der spanische Cellist Gaspar Cassadó 1931 in Berlin. Dies ist allerdings nicht das Werk, das im heutigen Konzert zu hören ist, sondern es bildete die Grundlage zu einer Umarbeitung, zu der sich Martinu nach einer Wiederaufführung des Konzertes 1938 in Paris mit Pierre Fournier als Solisten entschloss. So wurde aus einem Kammerkonzert, das Martinu in dem damals beliebten neobarocken Stil als eine Art Concerto grosso angelegt hat, ein symphonisches Solistenkonzert. Diese Neufassung erlebte wieder mit Pierre Fournier als Solisten sowie mit dem Dirigenten Charles Munch 1939 in Paris ihre Premiere.

Die endgültige Form. Als der Komponist viele Jahre später (1955) diese Neufassung in einer Radioübertragung hörte, war er mit der Instrumentierung nicht mehr zufrieden und arbeitete die Partitur nochmals um. Wieder war es der nunmehrige Widmungsträger Fournier, der auch diese dritte, für den Komponisten endgültige Fassung - 1955 in Lausanne - aus der Taufe hob. Die Trompete stellt im ersten Satz, Allegro moderato, das Hauptmotiv vor, das sofort von Holzbläsern und Streichern weitergeführt und vom Soloinstrument als «Starter» verwendet wird. Eine Synkope gibt dem Motiv einen leicht jazzigen Einschlag. Das vom Solocello angestimmte, lyrische Seitenthema mit auf- und absteigender Melodik wird dann im zweiten Satzteil vom ganzen Orchester hymnisch herausgestellt. Durch den volksmusikalischen Einschlag drückt der Komponist wohl Heimweh aus. Vor und nach diesem emotionalen Höhepunkt rast das Soloinstrument Skalen rauf und runter und spielt sich mit Doppelgriff-Abfolgen und repetitiven Tonsequenzen frei.

Die Klarinette stimmt den zweiten Satz, Andante moderato, an, weitere Holzbläser und vor allem wieder die Trompete übernehmen die gesangliche Weise und übergeben sie an das Soloinstrument, das ein weitgeschwungenes Lied «singt» - erst sanft, dann leidenschaftlicher. Plötzlich setzt das Orchester mit einer massiven Abwärtsbewegung ein und bringt damit einen tragischen Klang in den Satz. Im Zentrum des gesamten Konzertes ist daraufhin die Kadenz für das Violoncello angesetzt. Eine feierliche Melodie in der Oboe mündet in einen dramatischen orchestralen Höhepunkt, aus dem noch stärker als zuvor Trauer und Verzweiflung sprechen. Doch das Violoncello lässt den Satz mit Kantilenen innig ausklingen.

Im Finale kehrt Martinu in einem Andantino-Mittelteil nochmals in die lyrische Welt des zweiten Satzes zurück. Da findet das Soloinstrument zu sich selbst. Davor im Allegro aber kämpfen sich Violoncello und Orchester mit Läufen und Figuren sowie zwischen geraden und ungeraden Taktarten wechselnd durch ein Jagdrevier der Virtuosität, das der Solist und seine Begleiter dann auch mit dem Allegro-Kehraus des Konzertes wirbelnd anpeilen.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz

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