Hector Berlioz

«Les nuits d'été» Liederzyklus für Singstimme und Orchester op. 7

Sätze

  • Villanelle (Ländliches Lied)

  • Le Spectre de la rose (Der Geist der Rose)

  • Sur les lagunes (Auf den Lagunen)

  • Absence (Trennung)

  • Au cimetière (Auf dem Friedhofe)

  • L'île inconnue (Das unbekannte Land)

Dauer

30 Min.

Hector Berlioz, glühender Feuerkopf und Urbild des impulsiven Genies, das durch Kampf und Leidenschaft zum Ziele gelangt – kaum ein zweiter Komponist scheint in seinem Wirken und seinen Werken so sehr diesem romantischen Ideal zu entsprechen. Er gilt als Begründer der Programmmusik und der Kunst der modernen Orchesterinstrumentierung. Zu Lebzeiten oft unverstanden, musste er einen Teil seines Lebensunterhaltes als (recht erfolgreicher) Musikschriftsteller bestreiten. Heute sind viele seiner Werke Fixpunkte der Spielpläne in aller Welt: Ob seine «Symphonie fantastique», die «Grand messe des morts» (Requiem), die Oper «Les Troyens» oder der heute gespielte Liederzyklus «Les nuits d’été» – individuelle Tonsprache, freie formale Gestaltung und untrüglicher Sinn für Dramatik zeichnen alle seine Schöpfungen aus. Dabei sollte sein Weg erst anderen Bahnen folgen: Louis-Joseph Berlioz, selbst anerkannter Arzt, hatte für seinen ältesten Sprössling Hector die Medizin als Profession vorgesehen. Der liberale, intellektuell weitsichtige Vater hielt aber auch viel auf möglichst breite Bildung und unterrichtete den Knaben bald selbst. Neben Literatur und Geographie fand der Jüngling bald seine Zuneigung zur Musik (er spielte Flöte und Gitarre), und dank einiger Bücher zum Thema in der väterlichen Bibliothek, etwa Rameaus Harmonielehre, lernte er die handwerklichen Grundlagen des Komponierens kennen. Doch erst seine Studienjahre in Paris, die anfangs noch der Medizin galten, brachten Begegnungen mit weiterer Literatur, vor allem Shakespeare, der gemeinsam mit Goethe und Vergil seinen literarischen Olymp bewohnte, und der Oper: Méhul, Boieldieu, Salieri, Spontini und vor allem Gluck machten großen Eindruck auf den knapp Zwanzigjährigen, dessen medizinische Laufbahn bald ihr Ende fand. 1826 trat Berlioz in das Conservatoire de Paris ein, um dort bei Jean-Francois Lesueur und Anton Reicha zu studieren, und noch im selben Jahr nahm er am Prix de Rome-Wettbewerb der Pariser Académie des Beaux-arts teil.

Insgesamt fünf Mal versuchte Berlioz, sein Können und seine individuelle außergewöhnliche Begabung bei dem seit 1803 auch für Musik vergebenen Prix de Rome (der vor allem einen zweijährigen Studienaufenthalt in Rom bedeutete) zu beweisen. Im ersten Jahr scheiterte er bereits an der Vorprüfung. Nach «La mort d’Orphée» und «Herminie» schien im Jahr 1829 «Cléopâtre», eine lyrische Szene auf einen Text von Pierre-Ange Vieillard des Boismartin, nun endlich die Juroren überzeugt zu haben. Doch man vergab in diesem Jahr den ersten Preis überhaupt nicht... 1830 sollte mit «La mort de Sardanapale» Preis und Rom-Aufenthalt in der Villa Medici doch noch an Berlioz gehen.

Schon in diesen frühen Kompositionen war es die menschliche Stimme, die Berlioz besonders fesselte. Allerdings ging er bei der Einbindung des Gesangs in sein Werk nicht den bei Schubert, Schumann oder anderen Komponisten üblichen Weg über das Klavierlied. Das Klavier beäugte er zeitlebens scheel, lernte er es selbst doch nie in ausreichendem Maße zu bedienen. Nicht zuletzt deshalb musste Berlioz eine neue Form des lyrischen Ausdrucks erfinden: das Orchesterlied. Dessen größere Möglichkeiten der farblichen Gestaltung und damit der tieferen Ausleuchtung der Textinhalte, kamen dem Lyriker Berlioz sehr entgegen. Nach früheren Liedversuchen sind es vor allem «Les nuits d’été» («Sommernächte»), die bis heute zu den beliebtesten Liedzyklen der Romantik zählen. Zuerst 1834 für Singstimme und Klavier geschrieben, orchestrierte Berlioz die sechs Lieder 1841 und gab sie als op. 7 heraus. Die duftige «Villanelle» steht als Verneigung vor dem ländlichen Frühling am Beginn des Zyklus. Von zarten Bläserstaccati begleitet, trübt sich der unbeschwerte Tonfall immer nur kurz ein, bleibt die zarte Lust am Erwachen der Natur und der Libido unbeschwert. In «La spectre de la rose» («Der Geist der Rose») meldet sich der Geist einer verwelkten Rose aus dem Jenseits zu Wort, die ihre letzten irdischen Stunden am Busen einer Ballkönigin verbracht hat. Am Schluss der ersten Strophe ist deutlich der Herzschlag im Orchester zu hören, und am Höhepunkt des Liedes, der Textstelle «Ce léger parfum est mon âme, et j’arrive du paradis» («Dieser Dufthauch ist meine Seele, und aus Eden komm’ ich her»), schwingt sich die Singstimme berauscht auf, um sogleich wieder zurückzusinken in verklärtes Pianissimo. Starb die Rose letztlich einen wünschenswerten Tod am Herzen einer schönen Frau, beklagt im dritten Lied, «Sur les lagunes: Lamento» («Auf den Lagunen: Lamento»), ein venezianischer Fischer den schmerzlichen Verlust seiner Geliebten. Jede der drei Strophen endet mit der niederschmetternden Erkenntnis, dass er ohne Liebe weiterleben und das Meer befahren muss; die Stingstimme stürzt dabei jedes Mal tief hinab. Zurück im Leben, wird in «L’absence» («Abwesenheit») das Fernsein von der Geliebten mitfühlend in herrlich innigen, weit gespannten Phrasen besungen. In morbide, romantische Friedhofsstimmung entführt «Au cimetière: clair de lune» («Auf dem Friedhof: Mondenschein»). Bestimmt von schreitender Orchesterbegleitung und der um einen engen Tonraum kreisenden Singstimme wird darin eine gespenstische Szene beschworen. Im letzten Lied, «L’île inconnue» («Die unbekannte Insel»), will eine schöne Frau das Ufer der Treue finden – und der schlagfertige Schiffer antwortet ihr, durchaus melancholisch, dass sie dorthin gewiss nie gelangen werde. Und damit schließt der Zyklus in so neckisch-spielerischer, leichter Stimmung, wie er begonnen hat.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

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