Georges Bizet

Symphonie Nr. 1 C-Dur

Sätze

  • Allegro vivo

  • Adagio

  • Allegro vivace

  • Allegro vivace

Dauer

28 Min.

Entstehung

1855

«Ich brauche die Bühne, ohne sie kann ich überhaupt nichts», bekannte Georges Bizet - und war von dieser These offenbar so überzeugt, dass er seine erste Symphonie in C-Dur stillschweigend in der Schublade verschwinden ließ. Niemandem erzählte er von der Existenz dieser ausladenden Komposition, die er als 17-Jähriger innerhalb nur eines Monats vollendet hatte: weder seinen Lehrern Jacques Fromental Halévy und Antoine François Marmontel am Pariser Konservatorium noch seinen Freunden, zu denen auch Charles Gounod gehörte. Dabei erfüllte Bizet alle Kriterien eines klassischen Wunderkinds. 1838 in eine Pariser Familie von Berufsmusikern hineingeboren, begann er bereits mit knapp zehn Jahren Klavier, Orgel und Komposition zu studieren. Zu seiner C-Dur-Symphonie wurde der jugendliche Bizet offenbar von Charles Gounod inspiriert, der kurz zuvor die Arbeit an seiner Symphonie in D-Dur beendet hatte. Zu diesem Werk verfasste Bizet einen vierhändigen Klavierauszug, bevor er sich dem eigenen symphonischen Erstling widmete.

Ein denkwürdiges Schicksal erfuhr Bizets Partitur, die - unentdeckt zunächst - zusammen mit vielen anderen unveröffentlichten Werken aus seinem kompositorischem Nachlass in der Bibliothek des Pariser Konservatoriums verwahrt wurde. Ihre Wiederentdeckung geht auf den britischen Musikpublizisten D. C. Parker zurück, der Bizets erste englische Biografie schrieb. Er machte den österreichischen Dirigenten und Komponisten Felix Weingartner auf das Werk aufmerksam, der schließlich in Basel auch die Uraufführung dirigierte - am 26. Februar 1935, acht Jahrzehnte nach der Niederschrift.

Musiker lieben diese Symphonie nicht weniger als das Publikum - und haben vor ihr, gründend in den spieltechnischen Herausforderungen und den Ansprüchen an Prägnanz und Transparenz in der Wiedergabe des jugendlichen Geniestreichs, zugleich tiefsten Respekt. Die Musik von Mozart, Schubert, Rossini und Mendelssohn Bartholdy stand hier ebenso Pate wie jene von Gounod. Zugleich offenbart sich in Bizets einziger Symphonie ein exorbitantes künstlerisches Selbstbewusstsein. Welch ein Temperament zeigt sich da, welche Originalität in der Verarbeitung der Melodien, welche Sicherheit in der Instrumentierung nach klassischem Vorbild - und welch ein intuitives Gespür im Umgang mit den Farben des Orchesters! Auch Tänzer und Choreografen fühlen sich immer wieder von der klaren, schwungvollen Rhythmik des Werkes angezogen. Der russische Choreograf George Balanchine erfuhr von keinem Geringeren als Igor Strawinski von der Existenz der C-Dur-Symphonie und kreierte eine seiner berühmtesten Arbeiten: «Sinfonie in C», uraufgeführt am 28. Juli 1947 an der Pariser Oper.

Jedoch war Georges Bizet während seines nur 36 Jahre dauernden Komponistenlebens nur wenig Erfolg beschieden. Auch die Uraufführung seines heute meistgespielten Werkes, der Oper «Carmen», am 3. März 1875 in der Pariser Opéra Comique verlief wegen des allzu drastischen Realismus und der schonungslosen Milieuschilderungen eher problematisch. Den später in Wien einsetzenden Siegeszug seiner «Carmen» als eine der weltweit am häufigsten aufgeführten Opern der Musikgeschichte konnte Bizet nicht mehr erleben. Gleichwohl zeigt sich schon in Bizets symphonischem Frühwerk deutlich seine Affinität zu den stilistischen Mitteln des Musiktheaters. Der gute Laune versprühende, energiegeladene, erste Satz, Allegro vivo, hält im Wortsinn springlebendige Motive für die Streicher bereit, dazu reizvolle Wechsel zwischen Holzbläsern und Streichinstrumenten und viele dankbare Aufgaben für die Orchestersolisten ? man beachte jene Kantilene, die von der Solo-Oboe an das erste Horn weitergereicht wird. Noch ausgeprägter ist die oper hafte Melodik im folgenden Adagio zu vernehmen. Hier hat die Solo-Oboe mit einem orientalisch kolorierten, arienhaften Thema ihren ganz großen Auftritt.

Das im weiteren Satzverlauf meisterlich durchgeführte gesangliche Thema der Violinen über der Pizzicato-Begleitung der restlichen Streicher entbehrt nicht eines gewissen operettenhaften Charmes. Der dritte Satz, mit Allegro vivace überschrieben, ist ein Scherzo, dessen Trio eine Art Musette bereithält, bevor der Finalsatz, ebenfalls Allegro vivace, mit dahineilenden Sechzehntelfiguren in den Violinen einen unwiderstehlich flotten Kehraus offeriert.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Ute van der Sanden

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