Archiv: Lars Vogt spielt Beethoven

St. Pölten Festspielhaus Großer Saal Festspielhaus | Großer Saal

Interpreten

  • Lars Vogt, Klavier
  • Antonio Méndez, Dirigent

Programm

Ludwig van Beethovens zweites Klavierkonzert gehört nicht eben zu den Paradestücken moderner Konzertpianisten. Umso willkommener ist den Tonkünstlern die gemeinsame Aufführung mit einem Ausnahmekünstler wie Lars Vogt, der zu den führenden Klaviervirtuosen seiner Generation zählt. Das bezaubernde Werk hat eine lange, wechselvolle Entstehungsgeschichte – und es kommt ganz ohne Pauken und Trompeten aus. Vom Komponisten immer wieder überarbeitet wurde auch die fünfte Symphonie Gustav Mahlers. «Die Fünfte ist ein verfluchtes Werk. Niemand capiert sie», klagte Mahler im Jahre 1905 nach ihrer erfolglosen Hamburger Aufführung. Das sollte sich ändern: Zumindest das zarte Adagietto  zählt spätestens seit seiner Verwendung als Titelmusik in Luchino Viscontis legendärer Thomas-Mann-Verfilmung «Tod in Venedig» von 1971 zu den populärsten Kompositionen des Fin de Siècle-Meisters.

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Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19

Sätze

  • Allegro con brio

  • Adagio

  • Rondo. Molto allegro

Dauer

24 Min.

Entstehung

1787-1801

Es war ein langer Prozess des Übergangs von den für Ludwig van Beethoven modellhaften Klavierkonzerten Mozarts zu seiner eigenen Konzert-Persönlichkeit. Erste Entwürfe zum Klavierkonzert B-Dur op. 19 reichen - nach neueren Forschungen - bis in die Bonner Zeit Beethovens und bis ins Jahr 1787, als Mozart noch lebte, zurück. Beethoven fertigte vom B-Dur- Konzert, das er in Hinblick auf Auftritte als Pianist in Wien komponierte, insgesamt vier Fassungen an. 1798 erfolgte die Uraufführung der neuesten Fassung mit Beethoven am Klavier. 1801 erschien das Konzert in Leipzig in Druck und wurde dabei als Nummer 2 und op. 19 gereiht, obwohl es zu großen Teilen vor dem als Nummer 1 und op. 15 gereihten Konzert C-Dur komponiert wurde, das aber schon 1795 seine Uraufführung erlebt hat.

Wesentlichster Einschnitt in der Genesis des B-Dur-Konzertes war die Ersetzung des ursprünglichen Finalsatzes durch eine neue Komposition in der dritten Fassung. Das erste Rondo war ihm wohl im Aufbau und in der Gestaltung noch zu deutlich von Mozart und dessen reifen Wiener Stil inspiriert. Nur einige virtuose Passagen hat Beethoven vom alten in das ansonsten vollkommen neue Rondo übernommen. In weiterer Folge komponierte Beethoven dann auch noch die Sätze eins und zwei um, woraus sich ein interessanter schöpferischer Prozess in diesem Werk ergab: Die beiden Vordersätze wurde gewissermaßen im Nachhinein in Richtung auf das neu geschaffene Finale «zukomponiert».

Beethoven startet mit einem rhythmisch prägnanten Signal aus punktierten Orchesterakkorden in die Konzertwelt und setzt diesem Eröffnungsmotiv sofort innerhalb des Hauptthemas des ersten Satzes, Allegro con brio, ein kantables Motiv entgegen, das in ein weiteres lyrisches Motiv übergeht. Einen Coup landet Beethoven in der Themenvorstellung an jener Stelle, an der das Seitenthema einsetzt: Er verlagert das tonale Geschehen vom Hauptthemenschluss in c-Moll um einen Halbton nach Des-Dur - und lässt damit die aus dem lyrischen Teil des Hauptthemas gewonnene Melodie wie ein entrücktes eigenständiges Thema wirken.

Das Klavier übernimmt dann hauptsächlich das gesamte lyrische Motivmaterial zur Ausbreitung des Soloparts, da es sich dafür durch seine melodischen Qualitäten besser eignet als ein auf seinen Rhythmus reduziertes Motiv. Dessen Potential führt hingegen im gesamten Satzverlauf zu dynamischen Ballungen und Steigerungsblöcken, die aber von der weich fließenden Melodik der kontrastierenden Themensubstanz abgefedert werden. In Hinblick auf die Kadenz beschäftigte Beethoven dieser Satz noch bis in die Zeit, als das vierte und fünfte Klavierkonzert schon vorlagen: 1709 komponierte er vermutlich für einen bedeutenden Förderer, den Erzherzog Rudolph Johann Joseph Rainer von Österreich, eine komplexe Kadenz in der Form eines dreistimmigen Fugatos.

Im Mittelsatz des Konzerts, ein Adagio in Es-Dur, heben die Streicher wie mit einem Choral an, in den sich für einen Moment auch die Hörner mischen, ehe Beethoven die Musik mit allmählich sich entwickelnden Figurationen wieder einem Charakter von Konzertmusik annähert. Das Soloklavier kehrt über eine figurale Wendung zum «Choral» in seiner anfänglichen Gestalt zurück und leitet in weiterer Folge aus diesem Grundthema weitgespannte melodiöse Linien und figurale Sequenzen ab, bis das Grundthema im Bass geführt und im Diskant von konzertanten Ornamenten ausgeschmückt wird.

Im Finale dominiert ein idealtypisches Rondo-Thema, das zum Mittanzen, Mithüpfen und Mitspringen einlädt. In der Widerborstigkeit der rhythmischen Betonung auf unerwartete Taktteile hat dieses Thema natürlich auch etwas von den aus einigen Symphonien bekannten Scherzo-Themen an sich. Beethoven bürstete gerne gegen den Strich. Im musikalischen Witz des Rondo-Themas setzte er eine besonders originelle Pointe: Plötzlich dreht das Klavier die Betonung mit leisem Ton im verlangsamten Tempo um und macht ein liebreizendes Motiv mit herkömmlichem Auftakt aus dem Thema. Doch sofort «korrigiert » das Orchester und fährt wieder die synkopischen Stacheln aus. Das Klavier verbleibt aber auch für den Rest des Satzes in der zuvor angestimmten, liebevollen Art - und es ist am Orchester, das Konzert mit vehementen Akkordschlägen zu beenden. In den Couplets des Rondos pendelt Beethoven zwischen überspitzten Rokokogesten und einem «magyarischen» Tonfall, wie wir ihn aus manchen Werken Haydns kennen.

© NÖ Tonkünstler Betriebges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Gustav Mahler

Symphonie Nr. 5 cis-Moll

Sätze

  • I. Abteilung. Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt. Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz

  • II. Abteilung. Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell

  • III. Abteilung. Adagietto. Sehr langsam. Rondo-Finale. Allegro

Dauer

72 Min.

Entstehung

1902-11

Gustav Mahler hat an keiner anderen Symphonie so lange gefeilt und Revisionen vorgenommen wie an der Fünften, mit der er das neue Jahrhundert eröffnete. Bis in sein letztes Lebensjahr 1911 beschäftigte Mahler diese Symphonie. Ab der Uraufführung des Werkes am 18. Oktober 1904 in Köln arbeitete der Komponist die Erfahrungen und Eindrücke, die er aus Umsetzungen der Symphonie gewann, in regelmäßigen Abständen in die Partitur ein. Noch im Winter 1910/11 nahm Mahler das Orchestermaterial zu seiner Dirigiersaison nach New York mit und bearbeitete seine Fünfte ein weiteres Mal grundlegend. Ein knappes Jahrhundert, nachdem die Symphonie bei C. F. Peters erschienen war, brachte der deutsche Musikverlag zusammen mit der internationalen Gustav Mahler Gesellschaft Wien eine vorbildliche kritische Neuausgabe von Reinhold Kubik heraus, in der erstmals alle nachvollziehbaren Bearbeitungsphasen bedacht wurden und das Werk auf den letzten eruierbaren Stand gebracht wurde. Das Material, das Mahler nach New York mitgenommen hatte, bildete dabei die Hauptquelle.

Was veranlasste den Komponisten, speziell an dieser Symphonie ständig weiter zu arbeiten, ja geradezu besessen eine permanente Verbesserung zu wollen? Schon nach der Uraufführung schien Mahler erkannt zu haben, dass er das vollkommen Neuartige der Symphonie, ihren polyphonen Reichtum, nicht in die passende Instrumentierung umgesetzt hatte. Auch sein Komponistenkollege Richard Strauss, der bei der Uraufführung anwesend war, bestätigte Mahler, dass die Symphonie «überinstrumentiert» sei. «Es ist unfassbar, wie ich damals wieder so völlig anfängerhaft irren konnte. (Offenbar hatte mich die in den ersten 4 Symphonien erworbene Routine hier völlig im Stich gelassen - da ein ganz neuer Stil eine neue Technik verlangte.)» Dies schrieb Mahler in einem Brief vom 8. Februar 1911 an den Dirigenten Georg Göhler, der an einer Aufführung der Symphonie in ihrer überarbeiteten Form interessiert war.

Der Komponiersommer des Jahres 1901 - da er während des Jahres dem Brotberuf des Dirigenten nachging, verblieb Mahler zum Komponieren größtenteils nur die Ferienzeit - war äußerst fruchtbar. Im Sommerdomizil in Maiernigg am Wörthersee entstanden nicht nur die ersten beiden Sätze und Teile des dritten Satzes der fünften Symphonie, sondern auch mehrere Lieder: beispielsweise der «Tambourg'sell» zum Zyklus «Aus des Knaben Wunderhorn» und ein halbes Dutzend Lieder nach Texten von Friedrich Rückert, so neben mehreren «Kindertotenliedern » die Vertonungen von «Blicke mir nicht in die Lieder», «Ich atmet' einen Lindenduft» und «Ich bin der Welt abhanden gekommen». Es lässt sicherlich Rückschlüsse zu, dass der erste Satz der fünften Symphonie, ein ausgewiesener Trauermarsch, parallel zu dem trauermarschartigen Lied vom «Tambourg'sell» entstand. Das später als Filmmusik zum Streifen «Tod in Venedig » von Luchino Visconti weltberühmt gewordene Adagietto der Fünften, der vierte Satz, ist sowohl in der kompositorischen Anlage und in der Stimmung als auch in mehreren melodischen Wendungen eng dem Lied «Ich bin der Welt abhanden gekommen » verwandt. Der dem Adagietto vorangehende, zentrale dritte Satz der Symphonie, ein monumentales symphonisches Scherzo, stellt den «Menschen im vollen Tagesglanz, auf dem höchsten Punkte des Lebens» dar, wie es Mahler laut den Aufzeichnungen seiner langjährigen Vertrauten Natalie Bauer- Lechner beschrieb. Im Finale schließlich zitiert Mahler gleich am Satzanfang im Fagott das erste Motiv des frühen Wunderhorn- Liedes «Lob des hohen Verstands», darin der Esel als Richter im Wettgesang von Nachtigall und Kuckuck zweiterem den Sieg zuspricht, weil dieser nicht zuletzt so «gut Choral singt». Das zu ausgelassenem Jubel gesteigerte und in einer Choral-Apotheose mündende Final-Rondo der Fünften lässt sich nach diesem Zitat mit Augenzwinkern hören.

Das «Neue» an der fünften Symphonie äußert sich in ihren dichten polyphonen Geflechten, vielen Abschnitten mit Fugatos und Imitationen und mehrfachen Choralanklängen. Mahler begann, man hört es, den Aufbruch in eine erneuerte musikalische Sprache mit der Musik eines großen vergangenen Meisters im Gepäck. In die sommerliche Komponier-Enklave am Wörthersee nahm er Noten von Johann Sebastian Bach mit. In Bach fühlte Mahler zu jener Zeit alle Musik verwurzelt, in der Harmonik und dem polyphonen Satz bei dem Barockkomponisten spürte er viel Modernität. Freilich: Mahler begab sich nicht auf neobarocke Wege, griff nicht einfach auf barocke Muster zurück, sondern beschäftigte seine Musik mit historischen Satzweisen, um sie auf der Höhe seiner Zeit in das symphonische Gefüge einzubinden.

Mahler hat die fünfsätzige fünfte Symphonie in drei Abteilungen gegliedert. Zwischen dem ersten und dem zweiten Satz, die die erste Abteilung bilden, bestehen ebenso enge motivische und thematische Beziehungen wie zwischen dem vierten und dem fünften Satz, die zur dritten Abteilung zusammengefasst sind. Das zentrale Scherzo in der Werkmitte bildet die zweite Abteilung. Als das umfangreichste Scherzo, das in der Musik je geschrieben wurde, braucht es seinen Platz für sich allein.

Erste Abteilung
Gustav Mahler ist in der Nähe einer Militärkaserne aufgewachsen. Appelle und Fanfaren gehörten in der Kindheit und Jugend zu seinem klanglichen Alltag. Immer wieder bricht in seinen Symphonien die Erinnerung daran durch. Doch wie fängt man nach Beethoven eine fünfte Symphonie an? Auch Mahler entschied sich für drei kurze Notenwerte, gefolgt von einem längeren. Aber bei ihm «pocht» nicht «das Schicksal an die Pforten», sondern es ertönt ein Signal.

Zu diesem einleitenden Appell der Solotrompete merkte Mahler in der Partitur an: «Die Auftakt-Triolen dieses Themas müssen stets etwas flüchtig, nach Art der Militärfanfaren vorgetragen werden.» Das Trompetensolo führt bei Gustav Mahler einen Trauermarsch an. «In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt» schreitet das Orchester voran, mit tragisch umflorter Melodik und «in gehaltener» Trauer. Der Trauermarsch, in dessen Trioteilen die Musik «plötzlich schneller» wird und «leidenschaftlich, wild» auffährt, ja aufschreit, ist bei Mahler in jedem Fall Teil der symphonischen und rein musikalischen Dramaturgie, die ein ständiges Thema des Daseins, den Weg aus dem Dunkel ins Licht, aus der Verzweiflung in das Glück, «per aspera ad astra» vorführt. Mahler verknüpft den ersten mit dem zweiten Satz:

«Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz». Der Dirigent und Mahler-Spezialist Michael Gielen spricht sogar davon, dass der zweite Satz das «Revers de la medaille», der «Doppelgänger des ersten Satzes ist, wie Eusebius und Florestan bei Schumann, nur dass es hier zwei Negativfiguren sind». Gielen streicht die Originalität heraus, eine erste symphonische Abteilung mit «zwei Gestalten ein und desselben Inhalts zu machen. Das Gelungene ist, dass die Zerrissenheit verschieden und erfolgreich dargestellt wird». Mahler betont diese Doppelform noch dadurch, dass er die Trio-Thematik des ersten Satzes zur Seitensatz-Thematik des zweiten Satzes macht. Er komponierte die Trios des Trauermarsches noch einmal neu, nun aus der Sicht eines persönlich vom Leid Betroffenen, eines Leidtragenden. Die Musik im zweiten Satz schmerzt, die Anklänge aus dem Trauermarsch treffen nun direkt ins Herz.

«So vehement als möglich», «Schalltrichter auf», «stürmisch bewegt» - Mahler setzt dem persönlichen Schicksal, so stark es geht, zu. Dem Orchester verlangt er enorme Eruptionen, Steigerungen und Zusammenbrüche ab. Was so wild und unkontrolliert verzweifelt klingt, ist aber in ein exakt durchgestaltetes Formschema des Sonatenhauptsatzes gebracht. Und dann taucht gegen Ende dieses Satzes erstmals der Choral auf, wie ein Hoffnungsstrahl, mitten in einer extrem kritischen Phase.

Doch der Durchbruch zum Besseren gelingt zu diesem Zeitpunkt der Symphonie noch nicht, in das Abklingen des Chorals hinein folgt der Absturz ins Bodenlose, der Vision vom Paradies folgt der Wiederausbruch des Infernos. Die Gegenüberstellung von Inferno und Paradies, dieses Bild, das schon die Finalsätze der ersten und zweiten Symphonie bestimmte, kommt auch in diesem zweiten Satz zum Tragen, Erlösung findet Mahler hier allerdings - noch - nicht.

Zweite Abteilung
«Das Publikum - o Himmel - was soll es zu diesem Chaos, das ewig auf's Neue eine Welt gebärt, die im nächsten Moment wieder zu Grunde geht, zu diesen Urweltsklängen, zu diesem sausenden, brüllenden, tosenden Meer, zu diesen tanzenden Sternen, zu diesen veratmenden, schillernden, blitzenden Wellen für ein Gesicht machen?», schrieb Gustav Mahler nach der Uraufführung der fünften Symphonie aus Köln an seine Frau Alma, die wegen Krankheit in Wien bleiben musste. Tatsächlich ist auch das «Chaos» dieses Satzes in Wahrheit genauestens durchkalkuliert. Mahler baute ein Scherzo - «Kräftig, nicht zu schnell» - von riesigen Ausmaßen: Einem Hauptsatz mit sieben Perioden thematischer Entwicklung folgt ein erstes Trio mit zwei Perioden, danach eine verkürzte Reprise des Hauptsatzes mit einem Fugato als polyphonem Höhepunkt. Dann läuft das raffiniert gebaute und von innerer Energetik erfüllte zweite Trio mit insgesamt sechs Perioden ab, ehe in der folgenden Durchführung die Scherzo-Thematik und das Material des ersten Trios kontrastiert und vermengt werden und schließlich eine zweite Reprise verschiedene Perioden aus allen drei Satz-Bestandteilen aufgreift und in eine Stretta münden lässt.

Was sich kompliziert liest, hört sich mitreißend und packend an: In immer neuen Steigerungswellen und Verzögerungen wogt die Musik ihrem Ziel im Rhythmus eines Walzers entgegen, einmal aus österreichischer Ländlertradition kommend, dann wieder in der Eleganz einer Valse tanzend. Faszinierend dabei, wie Mahler sein Prinzip, «daß sich nicht einmal etwas wiederholen darf, sondern alles aus sich heraus sich weiter entwickeln muß», treu bleibt. Aus einer relativ schlichten Grundthematik macht Gustav Mahler einen aufregenden, «verschiedenstimmigen» Satz, «durchgeknetet, daß auch nicht ein Körnchen ungemischt und unverwandelt bleibt. Jede Note ist von der vollsten Lebendigkeit und alles dreht sich im Wirbeltanz», wie der Komponist den Satz beschrieb. Dieses Scherzo ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Symphonie, es liegt auf halber Strecke zwischen Trauer und Freude.

Dritte Abteilung
Nicht nur die Musik, schon die Entstehung des berühmt gewordenen vierten Satzes der Symphonie, Adagietto, ist von einem Hauch Sentimentalität überzogen. Statt eines bekennenden Liebesbriefs hat Mahler das Manuskript dieses Satzes an Alma Mahler gesandt, die er wenige Wochen zuvor kennengelernt hatte und in ihr seine Lebensfrau gefunden zu haben glaubte. Alma hat den Satz offenbar verstanden und nahm die Liebeserklärung an. Die traumhaft schöne, unwirklich schwebende Musik, die ausschließlich von den Streichern und Harfen ausgeführt wird, mündet im Mittelteil des Satzes in einem Zitat des «Blickmotivs» aus Richard Wagners «Tristan und Isolde», ja die Mahler'sche Thematik läuft wie magisch angezogen auf dieses Motiv zu.

Liebe auf den ersten Blick, eine symphonische Romanze zu den Klängen eines Liedes ohne Worte, das direkt in den fünften Satz übergeht, mit dem es auch eng verbunden ist. Das Adagietto ist wie die entrückte Ahnung von den diesseitigen Freuden des Lebens. Mahler verknüpft auch diese beiden Sätze durch eine thematische Übernahme: Im Seitensatz des Rondo-Finales, das Mahler mit «Allegro giocoso. Frisch» überschrieb, wird die sehnsüchtige Melodie aus dem expressiven Mittelabschnitt des Adagiettos zu einem graziös durchs Leben schreitenden Motiv. Aber Mahler stellt auch noch eine andere inner-symphonische Verbindung her: Ein Leggiero-Thema des Rondos ist die geraffte Umformung des Choral-Themas aus dem zweiten Satz. So hüpfen die Tonfolgen und die Sequenzen dieses Chorals also in fröhlicher Ausgelassenheit durch den ganzen Finalsatz, ehe auch in dessen Schlussteil das Choralthema in seiner Originalgestalt aufleuchtet.

Diesseits und Jenseits, Entrückung und Verrücktheit, Erfrischung und Erlösung gehen in diesem Rondo ineinander über. In mehreren auf einem Orgelpunkt verharrenden Stellen begibt sich Mahler auf Beobachtungsposten dieses Treibens. Den Kehraus zögert Mahler durch viele Trugschlüsse hinaus, immer noch eine Variante polyphoner Ausarbeitung der thematischen Motive fällt ihm ein. Dieses Doppelwesen wohnt jeder affirmativen Musik Mahlers inne: Ganz kann er dem Glück nie trauen.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz