Archiv: Weihnachtskonzert

Grafenegg Auditorium Auditorium

Interpreten

  • Anna Lucia Richter, Sopran
  • Alessandro De Marchi, Dirigent

Programm

Johann Sebastian Bach
Suite (Ouvertüre) für Orchester Nr. 1 C-Dur BWV 1066
- Pause -
Johann Sebastian Bach
«Gottlob, nun geht das Jahr zu Ende» Arie aus der Kantate «Gottlob, nun geht das Jahr zu Ende» BWV 28
Johann Sebastian Bach
«Bereitet die Wege, bereitet die Bahn!» Arie aus der Kantate «Bereitet die Wege, bereitet die Bahn!» BWV 132

Musik und eine Melange dazu? So sah Kaffeehauskultur zu Leipzig im 18. Jahrhundert aus: Im «Zimmermannischen Caffe-Hauß» in der prächtigen Katharinenstraße konzertierte wenigstens einmal wöchentlich das örtliche Collegium musicum, und die Gäste des Hauses konnten sich bei Speis und Trank an musikalischen Werken ergötzen. Das belebte das Geschäft ungemein. Johann Sebastian Bach, einige Jahre Leiter des Klangkörpers, komponierte für diesen Zweck seine festlichen Orchestersuiten. Unter der Leitung des Schweizer Barockspezialisten Diego Fasolis, der seit einigen Jahren zu den prominentesten Vertretern seines Fachs gehört, lassen die Tonkünstler die erste und die durch ihre traumhafte «Air» besonders beliebte dritte Suite erstrahlen. Erhabene Stimmung verbreiten bei den traditionellen Grafenegger Weihnachtskonzerten auch Vokalwerke aus Bachs Feder, etwa die Kantate «Jauchzet Gott in allen Landen»: Darin glänzt nicht nur eine Solotrompete, sondern frohlockt vor allem auch die virtuose Sopranistin Anna Lucia Richter.

Tipp: Nutzen Sie Ihre Konzertkarte vorab für einen Besuch des traditionellen Grafenegger Advents mit regionalen Köstlichkeiten und Kunsthandwerk in stimmungsvollem Ambiente.

Diego Fasolis musste seine Teilnahme an den Weihnachtskonzerten am 9. und 10. Dezember absagen. Wir freuen uns, dass nun Alessandro De Marchi für ihn übernimmt.

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Johann Sebastian Bach

«Jauchzet Gott in allen Landen» Kantate BWV 51

Sätze

  • Arie: Jauchzet Gott in allen Landen

  • Rezitativ: Wir beten zu dem Tempel an

  • Arie: Höchster, mache deine Güte

  • Choral: Sei Lob und Preis mit Ehren

Dauer

20 Min.

Entstehung

ca. 1730

Johann Sebastian Bach hat eine enorme Zahl von Kantaten geschrieben, die jedoch zu einem großen Teil verloren sein könnten: Im von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach mitverfassten Nekrolog ist die Rede von fünf vollständigen Jahrgängen an Kirchenkantaten – also fünfmal für jeden Sonn- und Feiertag eine. Einige Bach-Forscher halten dies freilich für einen Irrtum und vertreten die Ansicht, die drei nahezu intakt überlieferten Jahrgänge mit etwa 200 Kantaten würden sehr wohl beinah das ganze Schaffen Bachs in diesem Genre umfassen. Unbestritten ist jedoch, dass diese die Gipfelwerke ihrer Gattung darstellen, wobei die Qualität von Bachs Musik schon zu Lebzeiten anerkannt war, schrieb doch 1728 der Leipziger Postkommissar Christian Friedrich Henrici, der unter dem Pseudonym Picander zahlreiche Texte für Bach geliefert hatte, etwa jenen zur Matthäus-Passion, in seinem Vorwort zu einem vollständigen Jahrgang von «Cantaten auf die Sonn- und Fest-Tage durch das gantze Jahr»: «Gott zu Ehren, dem Verlangen guter Freunde zur Folge und vieler Andacht zur Beförderung habe ich mich entschlossen, gegenwärtige Cantaten zu verfertigen. Ich habe solches Vorhaben desto lieber unternomen, weil ich mir schmeicheln darf, daß vielleicht der Mangel der poetischen Anmuth durch die Lieblichkeit des unvergleichlichen Herrn Capell-Meisters, Bachs, dürfte ersetzet, und diese Lieder in den Haupt-Kirchen des andächtigen Leipzigs angestimmet werden.»

Über die Rolle der Musik hatte es in den christlich-reformatorischen Glaubensrichtungen einst differierende Ansichten gegeben: Während Johannes Calvin generell misstrauisch gegen Musik im Gottesdienst war, räumte Martin Luther dem Gemeindegesang so­gar eine zentrale Rolle ein, indem er erklärte, Musik sei per se Gotteslob und Gottesdienst, Erbauungs- und Frömmigkeitshilfe sowie Lehrhilfe für die Verbreitung des Evangeliums. Daher dichtete und komponierte Luther selbst zahlreiche deutsche Kirchenlieder, die in ihrer Wirkung so erfolgreich waren, dass ein erbitterter Gegenreformator wie der Jesuit Conzenius feststellen musste: «Luthers Gesänge haben mehr Seelen umgebracht als seine Schriften und Reden.» Auch die Mehrstimmigkeit verdammte Luther nicht, da er nicht der Meinung war, «das durchs evangelium sollten alle künste [...] zu boden geschlagen werden und vergehen wie etzliche abergeistliche furgeben. Sondern ich wolt alle künste sonderlich die Musica gern sehen im dienst des der sie geben und geschaffen hat.»

Diese liberale Haltung ermöglichte eine Entwicklung, die im 17. Jahrhundert zur Kirchenkantate führte: Ein oder mehrere Gesangssolisten (gegebenenfalls tritt noch ein Chor hinzu) werden von Continuo und zumeist weiteren Instrumenten begleitet, wobei die formale Anlage mehrere relativ unabhängige Sätze umfasst: Nach einem konzertierenden Eröffnungsstück folgen eine Reihe von einfachen Arien über geistliche betrachtende Texte. Der Theologe und Dichter Erdmann Neumeister (1671 – 1756) schuf schließlich den voll ausgeprägten Kantatentypus, indem er nach Art der italienischen Solokantate die Arien mit Rezitativen abwechselte («… sieht eine Cantata nicht anders aus als ein Stück aus einer Opera, von Stylo Recitativo und Arien zusammengesetzt»); den Text bilden freie Prosa oder Bibelstellen, und den Abschluss macht ein Chorsatz. Obwohl diese Form für den kirchlichen Gebrauch von der Partei der «Pietisten» als zu weltlich abgelehnt wurde, konnte sie sich dennoch durchsetzen und zum zentralen Typus der Kantate des 18. Jahrhunderts werden – sowohl mit sakralem als auch mit säkularem Text.

Die Kantate «Jauchzet Gott in allen Landen» BWV 51 für Sopran, Trompete, Streicher und Continuo entstand vermutlich 1730 in Leipzig auf Worte eines anonymen Dichters für den 15. Sonntag nach    Trinitatis (das Fest Trinitatis, der Dreifaltigkeitssonntag, wird eine Woche nach Pfingsten gefeiert), woraus sich als wahrscheinliches Uraufführungsdatum der 17. September des Jahres 1730 ergibt. Doch läßt der Vermerk «et In ogni Tempo» (und zu jeder Zeit), den Bach auf dem Autograph angebracht hat, die Möglichkeit erkennen, das Werk zu jeder beliebigen Zeit aufzuführen, da der Gesangstext nicht untrennbar mit der Evangelienlesung des Sonntags verbunden ist, ja sogar ausgesprochen überzeitlichen Charakter zeigt: Dem Lobpreis Gottes, mit dem das Werk beginnt, entspricht im vierten Satz ein ebensolcher Choral (dessen Text der in Leipzig tätige Freund Luthers und Reformator Johannes Gramann, genannt Poliander, 1549 verfasst hat), bevor ein abschließendes Alleluja nochmals die Huldigung des Höchsten in einem einzigen, freilich virtuos wiederholten Wort zusammenfasst. Die dadurch umschlossenen Nummern zwei und drei hingegen verkörpern ein Gebet in Form von Rezitativ und Arie.

Die Kantate stellt sowohl an den Sopran als auch an die Trompete enorme Anforderungen in Punkto virtuoser Geläufigkeit, in beiden Fällen bis zum hohen C. Konnte sich Bach wohl auf seinen brillanten Leipziger Ratsmusiker Gottfried Reiche verlassen, der als glänzender Trompeter und auch als Komponist bekannt war, wird bis heute gerätselt, ob der Thomaskantor in seinem Chor über einen so begabten Knaben hatte verfügen können, dass für diesen der Sopranpart keine Überforderung dargestellt hätte – denn Frauen waren damals zum Gesang in der Kirche nicht zugelassen.

Glänzende Tonrepetitionen in einer fanfarenartigen Dreiklangszerlegung im Unisono: Mit großer Geste setzt die erste Da-capo-Arie (4/4-Takt, C-Dur, Allegro) ein, wobei die Trompete bald strahlend führt, bald einen Schritt hinter die nicht minder virtuos geführte Sopranstimme zurück macht oder mit ihr in Wettstreit tritt – typisch barocke, festliche Pracht. In a-moll folgt darauf das nachdenklich-innige Rezitativ, bei dem die Trompete schweigt und im Gesang die zweimalige, expressive melismatische Ausgestaltung des Wortes «lallen» auffällt. Die folgende Arie im wiegenden 12/8-Takt steht ebenfalls in a-Moll, wobei das in feine Koloraturen sich verästelnde Gebet des Soprans überhaupt nur vom Continuo begleitet wird. Den folgenden Choral (3/4-Takt, C-Dur) trägt die Stimme in ruhigen Notenwerten vor und wird dabei von zwei konzertierenden Violinen umspielt, bevor im abschließenden «Alleluja» (2/4-Takt, C-Dur) wieder die Trompete hinzutritt und die Ehre Gottes in einer Fuge gefeiert wird.

© Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer

Johann Sebastian Bach

Suite (Ouvertüre) für Orchester Nr. 3 D-Dur BWV 1068

Sätze

  • Ouvertüre

  • Air

  • Gavotte I

  • Gavotte II

  • Bourrée

  • Gigue

Dauer

24 Min.

Entstehung

vor 1725

Johann Sebastian Bach übernahm 1729 neben dem Amt als Thomaskantor die Leitung des Leipziger collegium musicum, das 1702 vom damaligen Studenten Georg Philipp Telemann gegründet worden war und nach dessen Weggang von 1705 bis 1729 von Balthasar Schott, dem Organisten der Neukirche geleitet wurde. Das Ensemble bestand überwiegend aus Studenten und anderen Universitätsangehörigen. Einmal wöchentlich konnte man ihm im Kaffeehaus von Gottfried Zimmermann (bzw. sommers in dessen Kaffee-Garten) zuhören. Das war eine frühe Form öffentlicher Konzerte; im Unterschied zu den «Akademien» Mozarts in Wien oder den «Salomon-Konzerten» in London, für die Haydn seine Symphonien Nr. 93 – 104 komponierte, spielten dort aber die meisten Musiker um ihres eigenen Vergnügens willen und nicht zum Broterwerb. Für Bach war es ein willkommener Ausgleich zur mittlerweile weniger befriedigenden Kirchenmusik. Für das collegium musicum schrieb er einige neue Stücke und bearbeitete viele ältere. Ob die Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068, die in diesem Rahmen 1730 oder 1731 gespielt wurde, von Bach damals neu komponiert wurde oder wie die Suiten BWV 1066 und 1069 schon aus seiner Köthener Zeit stammte, lässt sich mangels Dokumenten nicht mehr exakt feststellen.

Die Suite für Orchester Nr. 3 D-Dur BWV 1068 besteht aus fünf Sätzen. Wie bei anderen Orchestersuiten aus jener Zeit ist der erste Satz, die Ouvertüre, der weitaus anspruchsvollste und umfangreichste, deshalb wurden und werden sie auch pars pro toto «Ouvertüren» genannt. Die Form dieser Eröffnungssätze, die französische Ouvert­ürenform, ist ziemlich standardisiert: Der erste Teil ist gravitätisch und beruht auf rhythmischen Mustern, bestehend aus durch Punktierung verlängerten Noten und schnellen Auftaktfiguren; der mittlere Teil hat schnelles Zeitmaß und ist als Fuge ausgearbeitet; der Schlussteil ist wieder langsam, oft die (verkürzte) Wiederholung des ersten, manchmal aber auch ganz neu. Bei Einhaltung dieser Norm erübrigen sich Tempoangaben. Die Ouvertüre dieser Suite weist zwei Besonderheiten auf: Der langsame dritte Teil gleicht dem ersten in der Instrumentierung, im Charakter und in der Art der Bewegung, so dass er wie eine Reprise wirkt. Tatsächlich enthält er aber, abgesehen von den Schlusstakten, völlig andere melodische Motive. Und der Mittelteil trägt Züge eines Konzerts: Im Wechsel mit den fugierten Abschnitten gibt es gleichsam Solo-Passagen für die erste Violine, die bei manchen Aufführungen auch nicht von der ganzen Geigengruppe, sondern von einem Solisten gespielt werden.

Der zweite Satz ist kein Tanz wie sonst die meisten Suitensätze, sondern trägt die Bezeichnung Air, die im 17. und 18. Jahrhundert sowohl für Gesangs- als auch für melodische Instrumentalstücke verbreitet war. Die kontinuierliche Bewegung der Bässe in Achteln bestimmt das Tempo als Andante. Die wunderbare Eleganz der Melodie kommt besonders gut zur Geltung, weil die Begleitstimmen der zweiten Geigen und Bratschen ebenfalls melodisch belebt sind.

Die anschließende Gavotte hat einen als Gavotte II bezeichneten Mittelteil, nach welchem die Gavotte I wiederholt wird. Alle Teilsätze stehen in der Grundtonart D-Dur. Die Aufgabenverteilung zwischen den vier Streicherstimmen ist hier, wie auch in der anschließenden Bourrée, viel einfacher als in Ouvertüre und Air; hier haben die Mittelstimmen überwiegend nur ausfüllende Funktion. Die Trompeten und Oboen dienen in der ganzen Suite fast immer nur dazu, den vierstimmigen Streichersatz zu verstärken oder ihm besondere Glanzpunkte aufzusetzen. Eine Ausnahme bilden die Trompeten in der Gavotte II.

Den Schluss bildet eine Gigue. Das ist der einzige aus der traditionellen Abfolge übernommene Tanz in dieser Suite (die anderen, die in Bachs Klavier- und Cellosuiten stets enthalten sind, sind Allemande, Courante und Sarabande). Im Unterschied zu den Klavier-Giguen enthält diese aber keine kontrapunktische Stimmenimitation. Interessant ist aber das Ineinandergreifen von Haupt- und Bassstimme.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Peter Sarkar