Albert Roussel

Suite Nr. 2 aus dem Ballett «Bacchus et Ariane» op. 43

Dauer

16 Min.

Entstehung

1930-33

«Roussel war vielleicht der glänzendste Symphoniker, den Frankreich je hatte - Meister einer Form, die die musikalischen Chefideologen Mitteleuropas endgültig für tot erklärt hatten. Seine Symphonien sind voller Leben», schreibt der deutsche Musikpublizist Christoph Schlüren 1997 in einem Manuskript für den Bayerischen Rundfunk. Wie kann es also sein, dass Albert Roussel, Zeitgenosse von Claude Debussy, Maurice Ravel und Gabriel Fauré, und seine Orchesterkompositionen eine so unterbelichtete Rolle im heutigen Konzertleben spielen? Die Erklärung ist zumindest teilweise in der Vielfalt seines Schaffens zu suchen - und im steten Wechsel der Stilmittel, die die Einordnung seines kompositorischen Schaffens enorm erschweren. Früh verwaist, machte der Industriellensohn Albert Roussel zunächst bei der Marine Karriere. Doch bereits mit 25 Jahren quittierte er seinen Dienst als Leutnant und begann sich der Musik zu widmen. Er studierte Musik, wurde Professor für Kontrapunkt an der soeben eröffneten privaten Musikhochschule «Schola Cantorum» in Paris, die von Vincent d´Indy gegründet worden war. Als Roussel die ersten größeren Kompositionen, darunter seine erste Symphonie, fertigstellte, war er weit über 30 Jahre alt. Nachdem die Frühwerke noch deutlich unter dem Einfluss von César Franck und seinem Lehrer Vincent d´Indy gestanden hatten, zog es ihn später zum Impressionismus hin - Maurice Ravels kraftvolle, rhythmisch akzentuierte Klangsprache war ihm dabei hörbar Vorbild. Die zweite Symphonie fiel anlässlich ihrer Uraufführung 1922 beim Publikum übrigens durch.

Einer dritten, überaus produktiven Schaffensphase, die unter dem Einfluss des europäischen Neoklassizismus stand, entstammen die dritte und vierte Symphonie, einige weitere Orchester- und Kammermusikwerke, zahlreiche Lieder, die Opera buffa «Le testament de la tante Caroline» - und Ballettmusiken wie «Aenéas» und «Bacchus et Ariane». Die Geschichte von «Bacchus et Ariane» basiert auf einer griechischen Heldensage und ist rasch umrissen: Theseus bezwingt Minotaurus, die Königstochter Ariane - in anderen künstlerischen Verarbeitungen auch Arianna oder Ariadne genannt - hilft dem Helden aus dem Labyrinth, verliebt sich in ihn und verlässt ihre Familie. Hier nun kommt Bacchus ins Spiel: Seine Gottheit bemächtigt sich der Schönen und befiehlt Theseus und seinen Leuten den Abzug. Erwacht aus der Trance des ersten Liebesrausches, begreift Ariane den Verlust und will sich ins Meer stürzen. Ein Hin und Her zwischen der Sehnsucht nach dem früheren Leben und dem Geliebten mitsamt den Verlockungen einer auf Oberflächlichkeit gründenden Gesellschaft beginnt. Doch die Geschichte der verlassenen Königstochter, gipfelnd in der «Klage der Ariane», ist wieder eine andere - eine Geschichte, die Richard Strauss und Carl Orff zu wesentlich tiefer schöpfenden Werken angeregt hat als den Librettisten Abel Hermant und Albert Roussel. Das Ballett «Bacchus et Ariane» kulminiert in einem ekstatischen Bacchanal, der Vereinigung Bacchus´ mit Ariane.

Eine höchst private Synthese Von zwei Suiten zu «Bacchus et Ariane» ist die zweite im Konzertsaal am häufigsten zu hören. Ohne den musikalischen Inhalt grundlegend zu verändern, hatte Roussel sein 1930 fertiggestelltes Ballett zum Skript von Abel Hermant - Premiere war am 22. Mai 1931 an der Pariser Opéra - zu Orchesterfassungen umgearbeitet. Die ungemein farbig und opulent instrumentierte Zusammenstellung der zweiten Suite hat den zweiten Handlungsteil des Balletts zum Inhalt. Die Sätze gehen attacca ineinander über, sodass beim Hören der Eindruck einer symphonischen Dichtung mit durchaus deklamatorischem Charakter entsteht. Das Werk entfaltet während seiner gut viertelstündigen Aufführung eine Kraft, die dem Zuhörer den Gedanken an die Urgewalt von Igor Strawinskys archaischer Ballettmusik zu «Le Sacre du Printemps» förmlich aufdrängt. Geschaffen unter dem Eindruck der grandiosen Produktionen für Sergei Dhiagilews Ensemble, die «Ballets Russes», hat Roussel mit «Bacchus et Ariane» möglicherweise seine höchst private Synthese aus Strawinskys «Sacre» und der seinerzeit nicht minder erfolgreichen «Daphnis et Chloé» von Maurice Ravel formuliert.

Wie Ravel fährt auch Roussel für seine Ballettmusik ein großes Instrumentarium auf: Piccolo, Englischhorn, Bassklarinette, Kontrafagott gesellen sich zur «üblichen» Holzbläserbesetzung, die Blechbläserfraktion wartet mit jeweils vier Hörnern und Trompeten, drei Posaunen plus Tuba auf. Zu den Pauken gesellen sich Becken, TamTam, Basstrommel, Triangel, Tambourin, dazu Celesta und zwei Harfen. Was im Konzertsaal durchaus auch einen optischen Reiz bietet, mag seinen Teil zum Erfolg der zweiten Suite beigetragen haben - ein Werk, das dem Publikum nachhaltigen Hörgenuss bereitet. Wenn es denn die Gelegenheit dazu erhält.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Ute van der Sanden

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