Joseph Haydn

Symphonie D-Dur Hob. I:6 «Le Matin»

Sätze

  • Adagio - Allegro

  • Adagio - Andante

  • Menuet - Trio

  • Finale. Allegro

Dauer

21 Min.

Entstehung

1761

Die Sonne geht auf in der symphonischen Musik: Wer denkt da nicht zuerst an Edvard Griegs «Morgenstimmung» und Richard Strauss´ «Also sprach Zarathustra»? Doch schon bei Joseph Haydn, also lange bevor sich die sogenannte Programm-Musik in der Orchesterliteratur etabliert hatte, finden sich musikalische Darstellungen, in der sich Zeitwahrnehmung und Zeiterfahrung wie die Tageszeiten und damit einhergehende Abläufe im Tagesrhythmus widerspiegeln. Der vom Orchester illuminierte Sonnenaufgang in Haydns Oratorium «Die Schöpfung» ist als klassisches Beispiel musikalischer Naturbeschreibungen bekannt. Bereits 1761, also 35 Jahre zuvor, fasste Haydn mit seiner Symphonie Nr. 6 eine Sonnenaufgangsszenerie in Töne.

Am 1. Mai 1761 hatte er seinen Dienstvertrag als Vizekapellmeister am Fürstenhaus Esterházy in Eisenstadt unterschrieben und gab seinen Einstand mit einem ganzen Bündel an Symphonien: Nicht eine, nein, drei Kompositionen dieser Gattung sollten ihm die Gunst des Hofes sichern. Dass die Tageszeiten-Trilogie Haydns einziger symphonischer Zyklus bleiben sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt freilich noch niemand. Was also lag näher, als den Morgen, «Le Matin», nach barockem Vorbild in einer langsamen, ausschließlich den Streichern vorbehaltenen Adagio-Einleitung aufsteigen zu lassen? Gleich darauf schnellt jubelnd wie die Morgenlerche die erste Passage der Soloflöte empor und stimmt mit dem Allegro jenen Musizierstil an, der Haydns «Tageszeiten»-Zyklus so einzigartig macht: die Verschmelzung des Konzertierens nach barockem Concerto-grosso-Prinzip und des gestalterischen Raffinements der Wiener Klassik. Nicht zuletzt deshalb hat der Tonkünstler-Chefdirigent Yutaka Sado den Zyklus in das Programm seiner ersten Konzertsaison mit dem Orchester aufgenommen; «Le Midi» und «Le Soir» wird er 2016 in weiteren Konzerten dirigieren.

«Le Matin» erwies sich für den gerade erst 29-jährigen Haydn als genialer Schachzug: Er sah für jeden seiner Musiker eine solistische Aufgabe vor, stellte seinen Arbeitgeber zufrieden und gab somit einen grandiosen Auftakt am Hof in Eisenstadt. Man betrachte nur die Vielfalt der Solopartien: Der erste Satz, kurz und spritzig, bleibt solistisch der Flöte vorbehalten, das ausgedehnte, dreiteilige Adagio ist ein Konzertsatz für Solovioline und Streichorchester. Durch den dritten Satz, ein Menuett mit Trio-Teil, defiliert eine ganze Parade von Soloinstrumenten ? zuerst die Soloflöte, danach sämtliche weitere Blasinstrumente. Im Trio kommt das Fagott zu unerwarteten Ehren, das Haydn in seinen früheren Symphonien fast ausschließlich zur Verstärkung des Basses besetzte. Und, sogar: ein Solo-Kontrabass!

Das sich aufschwingende Motiv der Soloflöte wird im vierten Satz, einem Allegro im Zweivierteltakt, von der Solovioline und vom Tutti aufgegriffen und zieht sich in munteren Auf- und Abwärtsbewegungen durch das gesamte Finale. Faszinierend, was Haydn mit einer schlichten D-Dur-Tonleiter, formiert als Sechzehntel-Lauf, alles anzufangen weiß! Der «Urvater der Symphonie» zeigt hier nicht nur seine frühe Meisterschaft und seinen kreativen Geist, sondern lässt auch schon seine Größe als Wegbereiter der Wiener Klassik erahnen. Mit ihrem unwiderstehlichen Charme, ihrer spritzigen Eleganz und heiter-gelösten Ausstrahlung gehört Haydns «Le Matin» zweifellos zu jenen seiner eher selten (ein-)gespielten Orchesterwerken, die eine weitaus stärkere Präsenz im modernen Musikleben verdienen. Bei aller aphoristischen Kürze trumpft die Symphonie mit Innovationsgeist und spielerischer Energie auf, und ihre Aufführung ist den Interpreten eine dankbare Herausforderung ? damals wie heute.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Ute van der Sanden

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