Robert Schumann

Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 «Rheinische»

Sätze

  • Lebhaft

  • Scherzo. Sehr mäßig

  • Nicht schnell

  • Feierlich, attacca:

  • Lebhaft

Dauer

31 Min.

Entstehung

1850

Robert Schumann konnte seine Stelle als Nachfolger Ferdinand Hillers in Düsseldorf Anfang September 1850 unter großer Anerkennung und ehrenvollen Vorschusslorbeeren antreten: Nach zweitägiger Reise von Dresden über Leipzig und Hannover war der frischgebackene Städtische Musikdirektor enthusiastisch in seiner neuen künstlerischen Heimat aufgenommen worden. Dass sich die Düsseldorfer später doch als (zu) kleingeistig für den stets nach vorne strebenden Komponisten herausstellen sollten, konnten die Schumanns in ihrem Glück noch nicht ahnen. All die Aufmerksamkeit galt ja nicht nur Robert allein, sondern auch seiner Frau Clara, die als Klaviervirtuosin berühmt geworden war und mitsamt der Kinder ebenso in der Kleinstadt Einzug gehalten hatte. Zusätzlich befand sich Schumann in einer Phase guter Gesundheit – mit ein Grund für eine neuerlich einsetzende, eigentlich nur als rauschhaft zu bezeichnende Schaffenszeit: Zwischen 11. und 24. Oktober, also in nur zwei Wochen, brachte er sein Cellokonzert op. 129 zu Papier, um wenig später, am 7. November 1850, bereits die ersten Entwürfe einer neuen Symphonie zu skizzieren. Schon am 9. November verzeichnet das Schumann’sche Haushaltsbuch (eine der wertvollsten Quellen der Schumann-Forschung) folgenden Hinweis: «D. 1sten Symphoniesatz in Es in d. Skizze beendigt.» Wie uns nämliches Kompendium ebenso verrät, begann Schumann, gleichzeitig mit der Komposition der weiteren Sätze, die zuvor fertig gestellten auch schon zu instrumentieren. Und so kam es, dass ein Eintrag am 9. Dezember lautet: «Die Symphonie fertig instrumentirt. – Freude»; drei Tage später folgte noch eine Durchsicht. Somit war die Es-Dur-Symphonie (eigentlich seine letzte, sofern man die d-moll-Symphonie op. 120 in ihrer Zweitfassung nicht extra zählt), in knapp einem Monat fertig.

Einer, der nicht nur früh von der Symphonie erfahren, sondern auch als Konzertmeister die Uraufführung gespielt und die Bogenstriche für die Streicher eingerichtet hat, war Schumanns erster Biograph, Josef Wilhelm von Wasielewski: «Als Schumann mir die Mitteilung machte, daß er soeben die Symphonie vollendet habe, konnte ich nicht umhin ihm mein Erstaunen über die schnelle Entstehung derselben auszudrücken, worauf er erwiderte: ‚Wer überhaupt was machen kann, muß es auch schnell machen können, und je schneller, desto besser. Der Gedankenflug und Ideengang ist wahrer und natürlicher, als bei langer Reflexion.‘»

Die erfolgreiche Uraufführung dirigierte Schumann im sechsten Konzert des Allgemeinen Musikvereins im Geislerschen Saal in Düsseldorf. Der Rezensent der Rheinischen Musik-Zeitung vermerkte dazu: «Die erste Aufführung der neuen Sinfonie machte besonders in den zwei ersten Mittelsätzen sichtbare Wirkung, und wurde überhaupt in ihrer, trotz vieler Schwierigkeiten recht gelungenen Aufführung mit großem Beifall gehört. Die neue Tondichtung unseres verehrten Componisten beabsichtigt wohl nicht einen heroischen Charakter: sie entrollt uns vielmehr – wenn man solche immerhin subjektiv bleibenden Ausmalungen gestatten will – ein Stück rheinisches Leben in frischer Heiterkeit.» Wie so oft hat sich auch die Komponistengattin und wichtigste verständige Kritikerin ihres Mannes in ihrem Tagebuch dazu geäußert, wobei ihr der vierte Satz «noch am wenigsten klar» erschienen war; «… er ist äußerst kunstvoll, das höre ich, doch kann ich nicht so recht folgen, während mir an den anderen Sätzen wohl kaum ein Takt unklar blieb, überhaupt auch für den Laien ist die Symphonie, vorzüglich der zweite und dritte Satz sehr leicht zugänglich.»

Die «Rheinische» (der populäre Beiname geht auf Wasielewski zurück) war schon zu Lebzeiten des Komponisten eine der meistgespielten Symphonien aus seiner Feder. Die ursprünglichen Satzbezeichnungen, die noch bei der Uraufführung auf dem Programmzettel vermerkt waren (I. Allegro vivace, II. Scherzo, III. Intermezzo, IV. Im Character der Begleitung einer feierlichen Ceremonie, V. Finale), entfernte oder veränderte Schumann später für die Drucklegung. Er hatte das Werk bereits Anfang März 1851 dem Verleger Fritz Simrock angeboten und hakte knapp drei Wochen später nochmals nach: «Aber, wie ich Ihnen schon schrieb, es hätte mich gefreut, auch hier am Rhein ein größeres Werk erscheinen zu sehen, und gerade diese Symphonie, die vielleicht hier und da ein Stück Leben widerspiegelt.» Die hier angedeutete charakterliche Verbundenheit mit der Entstehungsgegend geht auch aus einer Passage bei Wasiliewski – neben einem Hinweis auf mögliche Missinterpretation – noch deutlicher hervor: «Bei Veröffentlichung des Werkes strich Schumann diese, des leichteren Verständnisses halber hinzugefügten Worte [Im Character der Begleitung einer feierlichen Ceremonie, für den vierten Satz]. Er sagte: ‚Man muß den Leuten nicht das Herz zeigen, ein allgemeiner Eindruck des Kunstwerkes tut ihnen besser; sie stellen dann wenigstens keine verkehrten Vergleiche an.‘ In betreff des Charakters der anderen Sätze fügte er hinzu: ‚Es mußten volkstümliche Elemente vorwalten, und ich glaube es ist mir gelungen‘, was auch auf zwei Stücke (nämlich das zweite und fünfte), in ihrer planen, fast populären Haltung, Anwendung finden dürfte.» Die «verkehrten Vergleiche» weisen auf ein Ereignis hin, das sich bis heute in der Schumann-Literatur in Zusammenhang mit dem vierten Satz der «Rheinischen» findet, nämlich der Kardinalserhebung des Kölner Erzbischofs von Geissel, der Schumann beigewohnt haben soll und welche ihn zu dem Symphoniesatz bewogen hätte. Dabei weiß man längst, dass Schumann zwar kurz zuvor den Kölner Dom (anlässlich eines Auftritts von Clara in Köln) besucht hatte und erneut enorm beeindruckt gewesen sein soll. Zur Kardinalserhebung einige Tage später weilte er jedoch «nicht wohl» in Düsseldorf. Der Schumann-Forscher Joachim Draheim warnt daher «vor zu einfachen Erklärungen von Leben und Werk» in Schumanns Œuvre. Die Hintergründe für Besonderheiten einer Komposition lägen nämlich oft gar nicht in außermusikalischen, privaten Begebenheiten, sondern viel näher, wie «etwa Schumanns Suche nach neuen kompositorischen Problemlösungen, z. B. bei der Fünfsätzigkeit der ‚Rheinischen Symphonie‘» offen zeige. Und noch etwas: Die «Rheinische» ist keinem Herrscher mehr gewidmet – im Gegensatz zu den Vorgängerwerken, der «Frühlingssymphonie» und der C-Dur-Symphonie op. 61. Der überzeugte Republikaner Schumann – man bedenke die zeitliche Nähe zu den Revolutionsjahren 1848/49! – setzte auch damit ein klares Zeichen: «Der volkstümliche Charakter und revoultionäre Schwung der Symphonie, die nicht umsonst in der Tonart (Es-dur) und der Taktart des ersten Satzes (3/4) an Beethovens ‚Eroica‘ erinnert, spricht eine deutliche Sprache, die damals von Kundigen sicher verstanden wurde.» (Draheim)

Der ganze erste Satz (Lebhaft) atmet denn auch diese rhythmisch aufgeladene Spannung, die Schumann gleich zu Beginn durch die Verquickung von pulsierendem Dreiertakt mit einem Thema im Zweier-Metrum erreicht. Episodenhaft schließt ein Seitenthema in g-moll an, dessen lyrische Kontrastwirkung Schumann recht rasch durch ein knappes rhythmisches Auftaktmotiv mit zwei Sechzehntel-Noten wieder zur mitreißenden Energie des Hauptthemas wandelt. Eine breit angelegte Durchführung bringt die Themen aufgefädelt und schließlich verschränkt; die Reprise kündigt sich bereits im Laufe der Durchführung immer drängender an.Das sogenannte Scherzo (Sehr mäßig) ist von beschaulichem Charakter und mehr eine gemütliche Verquickung von Ländler und Menuett, aber kein zügiges Scherzo im Beethoven’schen Sinne. Dem Drehmotiv der tiefen Streicher und Fagotte stehen auf den leichten Taktteilen gemächliche Akkorde der Hörner und Trompeten gegenüber. Das solcherart breit strömende Hauptthema wird nicht zuletzt daher, gewissermaßen naturmalerisch inspiriert, mit dem wogenden Rhein in Beziehung gesetzt. Ein Staccato-Gegenthema wird schließlich mit dem Hauptthema zusammengeführt, bevor es, selbst weiter variiert, in neuer Gestalt erscheint und, nach a-moll transferiert, gewissermaßen einen Durchführungsteil bildet, aus dem mächtig aufwallend schließlich wieder das Hauptthema erwächst. Der knappe, lakonische Schluss mag als Beweis für die ausgelassene Grundstimmung gesehen werden.

Mit «Nicht schnell» ist der dritte Satz überschrieben, ein beinahe kammermusikalisch geformtes, einer Klavierminiatur nachempfundenes Intermezzo in As-Dur, das in mancher Figur an den Mittelsatz des a-moll-Klavierkonzerts erinnert. Dieses vornehmlich im Piano und Pianissimo gehaltene Stimmungsbild gibt der Gesamtgestalt der Symphonie ein zartes Zentrum und erlaubt in einen Winkel von Schumanns musikalischer Seele Einblick, der sonst in dieser Symphonie gänzlich ausgeblendet bliebe.

In es-moll steht der vierte Satz (Feierlich), der vor allem eine weitere Beschäftigung Schumanns mit den alten Formen und der kontrapunktischen Kunst des Barock verrät (das Thema erinnert u. a. an die dis-moll-Fuge aus dem zweiten Band von Bachs «Wohltemperiertem Klavier»). In den allesamt als Fugato angelegten drei Teilen des Satzes führt Schumann eine kunstvolle polyphone Verzahnung vor, die, wie schon früher in Claras Urteil angedeutet, in ihrer Größe und Ernsthaftigkeit im Rahmen der ansonsten in so saftige Farben getauchten Symphonie, die Zuhörer von Beginn an verwunderte, befremdete – und gleichzeitig faszinierte. Eine zweimalige Bläserfanfare leitet schließlich zu einer in breiten Noten verklingenden Coda über.

Zurück in volkstümlicher Heiterkeit präsentiert sich das Finale (Lebhaft), dessen Fülle an Themen und Motiven nicht zuletzt aus den vorangegangen Sätzen entwickelt ist. Schumann bringt in die Durchführung schließlich ein neues Thema, das, von den Hörnern prachtvoll auftrumpfend intoniert, auch in der Schluss-Stretta Raum findet – jetzt vereint mit dem Hauptthema des vierten Satzes, das hier zum krönend-festlichen Beschluss in prachtvollem Dur erstrahlen darf.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Markus Hennerfeind

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