Archiv: Schumann & Beethoven

Wiener Neustadt Sparkassensaal Sparkassensaal

Interpreten

  • Kian Soltani, Cello
  • Ilyich Rivas, Dirigent

Programm

- Pause -
Franz Schubert
Zwischenaktmusik Nr. 3 aus der Schauspielmusik zu «Rosamunde» D 797/5
Ludwig van Beethoven

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Robert Schumann

Ouvertüre zum dramatischen Gedicht «Manfred» op. 115

Dauer

11 Min.

Die Komposition der «Manfred»-Musik fällt in eine schöpferisch äußerst aktive Phase Schumanns, die die Jahre von 1846 bis 1849 umfasste: Obwohl er erneut große Schicksalsschläge hinnehmen musste – 1847 starb sein erstgeborener Sohn Emil mit nur 16 Monaten, und im selben Jahr verlor er auch noch seinen Freund Felix Mendelssohn Bartholdy sowie dessen Schwester Fanny – konzentrierte er sich umso mehr auf das Komponieren. Clara schrieb dazu: «Der Gedanke, dass ihm ein gleiches Ende bevorstehe, ließ ihn seitdem nicht mehr los ...». In rascher Folge entstanden die Oper «Genoveva», die «Manfred»-Ouvertüre, Kammermusik und zwei Klavierzyklen, Lieder, und er schloss, nach zehnjähriger Arbeit daran, die «Faust-Szenen» ab. Liest man den Inhalt des Poems, so wird verständlich, wie sehr dessen Morbidität den psychisch labilen Schumann fesseln musste: geht es doch darin um magische Praktiken, Geisterbeschwörung – also letztlich um Flucht aus einer unangenehmen Realität. (Schumann selbst interessierte sich zu jener Zeit bereits sehr für Geisterkontakte über Medien oder das Hexenbrett.)

Die Titelfigur des aus drei Bildern bestehenden Gedichts, Manfred, sieht sich von einem Fluch verfolgt: Weder würde er jemals mehr Gefühle entwickeln, noch würde er Ruhe finden und sterben können. Ursache für diesen von Geistern ausgesprochenen Fluch ist seine verbotene Liebe zu einer Frau, deren Reinheit er befleckt und sie so ins Unglück gestürzt hat. Er ist dem Okkultismus zugewandt, und in seinen fiebrigen magischen Praktiken beschwört er, von Schuldgefühlen geplagt, immer wieder Geistwesen, die ihm abwechselnd Gnade und ewigen Hass vorspiegeln – bis ihm der Geist der toten Geliebten erscheint, die ihm sein baldiges irdisches Ende verspricht. Ohne die Trös­tungen der Kirche, die er zurückweist, stirbt er schließlich allein. Im Vordergrund der Schumannschen Komposition steht das Wortgedicht – doch obwohl die Musik im wesentlichen als textliche Stütze fungiert, also nicht frei agiert, ist es Schumann ge­lungen, die musikalische Untermalung so zu verdichten, dass sie, gemäß seiner eigenen Ästhetik, die Kraft des poetischen Textes und damit die Charakterisierung der Titelfigur noch mehr hervorhebt: das frühe Zeugnis eines Gesamtkunstwerks. Die Ouvertüre nimmt Stimmung und Geschehen bereits vorweg: sie spiegelt die psychische Zerrissenheit des Manfred, die schaurig-düstere Atmosphäre und den daraus erwachsenen dramatischen Handlungsverlauf wider.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Astrid Schramek

Robert Schumann

Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129

Sätze

  • Nicht zu schnell

  • Langsam

  • Sehr lebhaft

Dauer

23 Min.

Entstehung

1850

Robert Schumann hinterließ fünf Symphonien, sechs konzertante Werke und weitere groß angelegte Kom­po­si­tio­nen für Orchester. Und doch haftet an ihm das seltsame Image des Tastenträumers, des introvertierten Genies – als ob man ihm nicht zugestehen wollte, sich auch durch andere Instrumente als das Klavier mitteilen zu können. Glücklich­erweise wird dieses Zerrbild allmählich korrigiert. Jede Auf­führung eines Orchesterwerks von Schumann ist eine Gelegen­heit mehr, sich von der außerordentlich hohen Qualität seiner Musik zu überzeugen.

Ein wunderbares Beispiel für seine Kunstauffassung ist das Konzert für Violoncello und Orchester in a-moll. Er schrieb das Werk kurz nach seinem Wechsel von Dresden nach Düsseldorf, wo er im Herbst 1850 als neuer städtischer Musikdirektor freudig willkommen geheißen wurde. Die Jahre zuvor waren nicht leicht gewesen; Hier am Rhein ging es nun wieder bergauf. Schumann fand wieder zu seiner früheren Produktivität zurück, neben der Komposition seiner «rheinischen» Sym­phonie, begann er auch mit der Komposition an seinem neuen Konzert. In seinem Tagebuch vermerkte er: «Vom 10. bis 16. Oktober: Conzertstück für Violoncell mit Begl. des Orchesters skizziert, bis zum 24. instrumentiert.»

Seinen Anspruch, «die Poesie der Kunst wieder zu Ehren zu bringen», verwirklichte Robert Schumann im Konzert für Violoncello und Orchester durch eine Art ganzheitlichen Zugang: Völlig abweichend vom traditionellen Konzept des tech­nisch brillanten Soloparts vor der Kulisse eines begleitenden Orchesters lässt er Violoncello und Orchester in einen Diskurs, eine musikalische Verschmelzung, treten. Verstärkt wird dieser Eindruck nicht nur durch die homogene Faktur des Soloparts in Verbindung mit dem gesamten Orchester; Die Sätze gehen nahtlos ineinander über und erzeugen damit einen großen Bogen über dem Gesamtwerk. Auch die ursprünglich verwendete Bezeichnung «Konzertstück» mag ein Hinweis darauf sein, dass es dem Komponisten weniger um eine Zurschaustellung der virtuosen Möglichkeiten des Violoncellos ging, sondern um eine Verwebung mit dem Orchester in einem größeren Zusam­menhang.

Der erste Satz (Nicht zu schnell) eröffnet mit einer für Schumann untypisch knappen Einleitung, bestehend aus drei zarten Akkorden der Holzbläser. Das Violoncello stellt sich mit einer melancholisch-meditativen Phrase vor und nimmt in aller Ruhe den Raum für sich in Besitz. Dabei behält der Solopart stets die Initiative im Ablauf des Kopfsatzes, der im Wesent­lichen an die Sonaten­satz­form angelehnt ist. Schumann setzt von Anfang an eine der überzeugendsten Qualitäten des Violoncellos ein: den Gesang. Die Einsätze sind kleine «Lieder ohne Worte», musikalische Äußerungen, die den Dialog mit dem Orchester in Gang halten. Dem Hauptthema folgen zwei weitere Motive, beide sind durch markante Intervallsprünge (Sekund und Sept) charakterisiert. Die Einwürfe des Or­ches­ters wirken wie eine rezitativische Beantwortung von samtigweichen Fragen des Cellos. Auffallend sparsam setzt Schumann Hörner und Trompeten ein, überhaupt wirken alle dynamischen Ausbrüche im Satz wohldosiert. Die Durch­führung ist wie eine freie Fantasie angelegt, in welcher der Solopart mit scharfen Triolen eine beunruhigende Atmosphäre aufbaut. Im unruhigen Wechselspiel werden die musikalischen Gedanken zwischen Violoncello und Orchester hin- und hergeworfen. Der pathetische Dialog mündet nicht in der Kadenz, sondern unerwartet in einer sakral anmutenden Überleitung zum lang­samen Satz, den Schumann schlicht mit der Vortrags­angabe «langsam» versieht.

Der leicht klagende Gesang des kurzen zweiten Satzes (Langsam) erklingt in himmlischer Schönheit über einer verhaltenen Pizzicato-Begleitung des Orchesters. Allein der transparente, weich schwebende Streicherteppich und die gefühlvoll eingeworfenen Bläsereinsätze genügen, jeden Vorwurf an Schumann in Sachen Instrumentierung zu zerstreuen. Drei Mal hören wir das Thema in leicht abgewandelter Form. Die Holzbläser verkünden schließlich das Hauptthema des ersten Satzes und festigen damit die Stimmung des Satzes kurzfristig. In energischen Wogen verscheucht das Orchester aber alle Fröhlichkeit, das Violoncello muss den Satz fast im Alleingang beschließen und trudelt in einer knappen Kadenz dem Schlusssatz entgegen.

Das Finale (Sehr lebhaft) eröffnet zünftig mit einem markigen Thema, aus dem sich ein gehetzter Disput ableitet. Das Orchester und der Solopart wetteifern um die Gunst der Zuhö­rer, wobei es mitunter zu dynamischen Ausbrüchen kommt. Größtenteils ist es ein Streit, der sich da abspielt; Gegen Ende hin erklingen aber auch einvernehmliche Äußerungen. Das Violoncello leitet schließlich zu einer Kadenz über, in der es sich ungeniert in den Vordergrund drängt und noch einmal das Spektrum seiner Ausdruckskraft auslotet. Erst in den letzten Takten wird das Thema des Satzes noch einmal in errungener Einmütigkeit wiederholt und das Konzert schließt mit einigen knappen Akkorden «durchaus heiter», wie der zuversichtliche Robert Schumann sein Konzert charakterisiert hatte.

Die Aufführungsgeschichte des Konzerts für Violoncello und Orchester verlief nicht von Anfang an glücklich. Schumann wünschte sich den Cellisten Robert Emil Bockmühl, der sich zu Beginn begeistert über das Werk zeigte. Dessen Vorschläge und Änderungswünsche blieben von Schumann unberücksichtigt und so verlor der Solist schon bald das Interesse. Die Sache verlief im Sand und Schumanns offen ausgebrochene Erkrankung zog einen Schlussstrich unter alle weiteren Unternehmungen. Das Konzert schlummerte noch einige Jahre vor sich hin, bis es schließlich am 9. Juni 1860 – also vier Jahre nach Schumanns Tod – mit Klavierbegleitung im Leipziger Konservatorium uraufgeführt wurde, den Solopart spielte Ludwig Ebert. Die erste Aufführung mit Orchester fand am 10. Dezember 1867 in Breslau statt. Die wechselhaft verlaufene Schumann-Rezeption ordnete das Konzert lange Zeit den – angeblich unter der schon anhebenden geistigen Umnachtung entstandenen und weniger geglückten – Spätwerken zu. Erst die hervorragenden Ein­spielungen des 20. Jahrhunderts verhalfen dem Werk zu seinem verdienten Platz im Konzertrepertoire. Und mit einem Gedanken behält Schumann bis heute Recht: Das Repertoire an romantischen Werken für Violoncello und Orchester ist nicht allzu groß. Wie glücklich darf man sich schätzen, dass es einen so wunderbaren Beitrag gibt!

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21

Sätze

  • Adagio molto - Allegro con brio

  • Andante cantabile con moto

  • Menuetto. Allegro molto e vivace

  • Finale. Adagio - Allegro molto e vivace

Dauer

29 Min.

Entstehung

1799/1800

Ludwig van Beethoven betritt die symphonische Bühne mit einer Frage. Er beginnt seine erste Symphonie nicht etwa mit einer Feststellung in der gewählten Grundtonart C-Dur, sondern mit einem völlig offenen Dominantseptakkord von F-Dur. Er frägt dann mit einer Kadenz und einem Trugschluss weiter, will mit Modulationen nach G-Dur erkunden, wohin ihn der symphonische Weg trägt, und erlangt auch im endlichen Erreichen von C-Dur zunächst keine Sicherheit – die Tonart schwankt noch, bis sie mit einer schnellen Tonleiter abwärts fixiert wird. Nun kann das symphonische Treiben mit einem von punktierten Noten und aufsteigenden Intervallen angetriebenen Hauptthema losgehen.

Die Fragen am Beginn scheinen darauf abzuzielen, ob es nach Haydn und Mozart überhaupt noch symphonisches Neuland zu entdecken gibt, ob es noch Sinn macht, sich in eine Richtung aufzumachen, an deren Horizont schon «Jupiter» im «Paukenwirbel» tönt und die «Uhr» ein musikalisches High-noon anzeigt. Beethoven nimmt mit den Fragen den direkten Dialog mit den Hörern auf, will, dass sich alle mit den drängenden musikalischen Fragen, die auch Fragen des Daseins sind, auseinandersetzen. Und er bleibt keine Antworten schuldig: Jawohl, die Symphonie besitzt noch viel Potential, sie eröffnet große Perspektiven. Beethoven ließ sich ziemlich lange Zeit, nach den ersten gelungenen Eroberungen von anderen Gattungen (Sonate, Klaviertrio, Streichquartett, Solokonzert), eine symphonische Unternehmung zu wagen. Fünf Jahre lang füllte er Skizzenblätter mit Entwürfen, die er dann doch verwarf und nur manches davon in einen neuen symphonischen Plan übernahm, den er an der Schwelle vom 18. ins 19. Jahrhundert auszuführen begann. Am 2. April 1800 erlebte Beethovens Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21 im Wiener Hofburgtheater in einer Akademie die Uraufführung.

Das Tor in die Zukunft wurde weit aufgestoßen: Indem er an Haydns absolute musikalische Idee einer sich ständig erneuernden Satztechnik und Motivik anknüpfte, fand Beethoven ein riesiges Feld zu kreativer Entfaltung vor. Er wahrt rein äußerlich noch den Schein der Tradition, aber er bricht sie in jedem Takt auch auf. Mit den anfangs gestellten Fragen löst er auch gleich die motivische und thematische Auseinandersetzung aus. Der erste reine Durakkord, den er ansteuert, ist F-Dur, die um eine Quart höhere Tonart als die Grundtonart C-Dur. Die Quart ist es dann auch, die das gesamte thematische Material der Symphonie Nr. 1 prägt. Sie bildet das erste Intervall des Haupt- und Seitenthemas im Kopfsatz und im zweiten Satz. Auch die ersten acht Töne der Schlussgruppe im Kopfsatz bestehen aus zwei Tonskalen innerhalb der Quart. Die ersten vier Töne des Menuetts umfassen ebenfalls den Abstand der Quart. Im Finale wird die Quart zur Quint als motivprägendem Intervall umgedreht, was den gleichen Tönerahmen ergibt.

Beethoven bietet dem Hörer aber noch ein weiteres, einfach nachvollziehbares Grundmotiv an, mit dem er symphonische Entwicklung und Durchführung demonstriert: die Tonleiter. Am Beginn des Finales steigt Beethoven die Tonleiter Sprosse für Sprosse hinauf, zuerst drei, dann vier, fünf, sechs, sieben Töne, bis der Ausgangspunkt für das folgende Allegro-Hauptthema erreicht ist. Beethoven macht die Musik selbst in ihren Grundbestandteilen zum Ereignis. Manchmal braucht er gar keine konkreten Themen mehr, um Musik zu machen. Der dritte Satz, den er noch – zum letzten Mal – der Konvention entsprechend Menuett überschreibt, der aber schon ein handfestes Scherzo ist, besteht eigentlich nur aus verschieden rhythmisierten und phrasierten aufsteigenden und absteigenden Tonleitern; im Trio wird eine gleich bleibende Akkordfolge der Bläser von den Streichern mit Girlanden aus Achtelnoten durchsetzt.

Der vorangehende zweite Satz ist dafür kein richtiger langsamer Satz, sondern ein stilisiertes Menuett, und seine schemenhafte Liedform wird in der Sonatensatzform ausgeführt. Beethoven beginnt mit den überlieferten Formen zu experimentieren, sie zu variieren, aus der Konvention auf eine freiere Ebene zu holen. Hübsch trippelt dieser Satz im tänzerischen 3/8-Takt dahin, man merkt dem Thema aber in jeder Bewegung an, dass es etwas vormacht, dass es eine vertraute Gestik in einer neuen Umgebung ausführt. Prompt gerät es durch vorwärtstreibende punktierte Figuren und einschneidende Mollfärbungen in gänzlich ungewohnte Bereiche, wo es sich als stark veränderte Gestalt wiederfindet. Auch die Koda dieses Satzes gestaltet Beethoven ungewohnt ausführlich, macht sie noch einmal zum Schauplatz thematischer Durchführung und geleitet die Menuettfigur in gänzlich neue harmonische Regionen.

Ebenso im Kopfsatz leistet Beethoven bereits erstaunliche Erweiterungsarbeit, indem er den Seitensatz nicht nur aus einer zum Hauptthema kontrastierenden, «liedhaften» Melodie bestehen lässt, sondern durch Streicher-Tremoli, Mollfärbungen und eine sich darüber erhebende Oboen-Kantilene unerwartete Stimmungen anreißt. Viele Wege, die in das weite Land der Symphonik führen.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.