Edvard Grieg

Peer-Gynt-Suite Nr. 1 op. 46

Sätze

  • Morgenstimmung, Allegretto pastorale

  • Ases Tod, Andante doloroso

  • Anitras Tanz, Tempo di Mazurka

  • In der Halle des Bergkönigs

Dauer

15 Min.

Es ist eine bunte, abenteuerliche und märchenhafte Welt, in die Henrik Ibsen seine Leserschaft mit dem Drama «Peer Gynt» entführt. Zunächst als «Lesedrama» konzipiert, schildert «Peer Gynt» die Lebensgeschichte eines fantasiebegabten Bauernsohns, der der Enge seiner Herkunft zu entkommen trachtet, sich in Liebes- und Entführungsabenteuer stürzt, dann aber in die Welt zieht und in Marokko durch Sklavenhandel reich wird. Betrügereien seiner Geschäftspartner versetzen ihn bald wieder in die Armut; alt und mittellos kehrt Peer Gynt in seine Heimat zurück, wo er aber durch die Liebe seiner Jugendfreundin Solvejg, die ihm durch all die Jahre die Treue gehalten hat, aufgefangen wird.

Ibsens «Peer Gynt» erweist sich als sehr erfolgreich, und so beschließt der Dichter, das Werk als Bühnendrama auszuführen und es auch mit Musik zu versehen, was im Theater dieser Zeit durchaus üblich ist. Seine Wahl fällt auf Edvard Grieg, der sich in der Musikwelt bereits einen Namen gemacht hat, und Ibsen schlägt ihm in einem ausführlichen Brief vom 23. Jänner 1875 nicht nur vor, die Musik zu «Peer Gynt» zu komponieren, sondern hat bereits sehr genaue Vorstellungen, an welchen Stellen Musik welcher Art erklingen solle. Grieg nimmt den Vorschlag sofort an, und so entsteht eine umfangreiche Bühnenmusik von insgesamt 26 Nummern; in dieser Mischung von Theaterspiel und Musik wird «Peer Gynt» am 24. Februar 1876 in Christiania – heute Oslo – uraufgeführt.

Grieg zweifelt allerdings an der Aussicht auf eine europaweite Verbreitung des gemeinsamen Werks, und daher beschließt er 1888, einzelne Sätze aus dem dramatischen Kontext zu lösen und zu einer Orchestersuite zusammenzustellen. Mit Bedacht wählt er besonders «griffige», vom Publikum akklamierte Nummern: Auf die «Morgenstimmung», die wohl zum populärsten Werk Griegs überhaupt geworden ist, folgen «Ases Tod», «Anitras Tanz» und «In der Halle des Bergkönigs». Diese Abfolge hat mit der Position der Nummern in der ursprünglichen Schauspielmusik nichts zu tun; so erklingt etwa die «Morgenstimmung» im Drama erst im Schlussteil, der die Läuterung des alt gewordenen Peer Gynt thematisiert. Grieg lässt sich bei der Konzeption der Suite offensichtlich bloß vom Prinzip der musikalischen Dramaturgie leiten, und der Erfolg gibt ihm recht.

Die Morgenstimmung beginnt mit einer wiegenden, zart bewegten Melodie in der Flöte, die von der Oboe abgelöst wird – wir erleben einen frühen Morgen mit Vogelgesang, und in der sich steigernden Entwicklung beherrschen immer mehr Licht und Sonne das Geschehen: Die Melodie wird vom Streicherchor übernommen, die Klangintensität nimmt stetig zu. Auf die Höhepunkte im Glanz des vollen Orchesters folgt ein Abebben, das jedoch nichts Resignatives an sich hat; eher symbolisiert die wiederkehrende Flötenmelodie des Beginns ein Verharren in der Stimmung von Beglückung und Hoffnung.

In Ases Tod tritt Peer Gynt an das Sterbelager seiner Mutter Ase und versucht, sie mit fantasievollen Berichten abzulenken; die Mutter hört glücklich lächelnd zu, schläft ein und hat einen sanften Tod. Eine langgezogene, aufsteigende Melodie verkörpert die melancholische, aber nicht tragische Stimmung dieser Szene, und sehr eindrucksvoll weiß Grieg das «Hinüberdämmern» der alten Frau zu zeichnen: Die Melodie erklingt in ihrer Umkehrung; sie sinkt nun hinab und wird so zum musikalischen Gleichnis für das Verlöschen eines Lebens.

Anitras Tanz steht für eine der afrikanischen Episoden im bewegten Leben des Peer Gynt: Anitra, die schöne Tochter eines arabischen Fürsten, versucht, ihn mit einem aufreizenden Tanz zu verführen. Ein tänzerisch bewegtes Thema beherrscht mit zahlreichen Wiederholungen und Umformungen die Szene; raffinierte Klangmischungen und häufiges Pizzicato der Streicher stehen im Dienst eines «orientalischen» Kolorits, das den Verführungskünsten der schönen Tänzerin den spezifischen Reiz gibt.

Die Episode In der Halle des Bergkönigs, die Grieg an den Schluss der Suite stellt, ist als stetes, großes Crescendo angelegt. Peer gerät – in einer traumhaften Fantasie – in das Reich des «Bergkönigs» und wird von dessen Trollen gepeinigt und verfolgt. Ein markantes Marschthema erscheint zunächst leise in den Bässen, wird von anderen Instrumentengruppen übernommen und steigert sich zu wildem Taumel. Entfesselter «Lärm» mit Pauken und Becken markiert schließlich das «Zusammenkrachen» des Berges, der die Trolle unter sich begräbt – ein schaurig-fantastischer, gleichwohl wirkungsvoller Abschluss der farbenreichen Szenenfolge.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Thomas Leibnitz

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