Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21

Sätze

  • Adagio molto - Allegro con brio

  • Andante cantabile con moto

  • Menuetto. Allegro molto e vivace

  • Finale. Adagio - Allegro molto e vivace

Dauer

29 Min.

Entstehung

1799/1800

Ludwig van Beethoven betritt die symphonische Bühne mit einer Frage. Er beginnt seine erste Symphonie nicht etwa mit einer Feststellung in der gewählten Grundtonart C-Dur, sondern mit einem völlig offenen Dominantseptakkord von F-Dur. Er frägt dann mit einer Kadenz und einem Trugschluss weiter, will mit Modulationen nach G-Dur erkunden, wohin ihn der symphonische Weg trägt, und erlangt auch im endlichen Erreichen von C-Dur zunächst keine Sicherheit – die Tonart schwankt noch, bis sie mit einer schnellen Tonleiter abwärts fixiert wird. Nun kann das symphonische Treiben mit einem von punktierten Noten und aufsteigenden Intervallen angetriebenen Hauptthema losgehen.

Die Fragen am Beginn scheinen darauf abzuzielen, ob es nach Haydn und Mozart überhaupt noch symphonisches Neuland zu entdecken gibt, ob es noch Sinn macht, sich in eine Richtung aufzumachen, an deren Horizont schon «Jupiter» im «Paukenwirbel» tönt und die «Uhr» ein musikalisches High-noon anzeigt. Beethoven nimmt mit den Fragen den direkten Dialog mit den Hörern auf, will, dass sich alle mit den drängenden musikalischen Fragen, die auch Fragen des Daseins sind, auseinandersetzen. Und er bleibt keine Antworten schuldig: Jawohl, die Symphonie besitzt noch viel Potential, sie eröffnet große Perspektiven. Beethoven ließ sich ziemlich lange Zeit, nach den ersten gelungenen Eroberungen von anderen Gattungen (Sonate, Klaviertrio, Streichquartett, Solokonzert), eine symphonische Unternehmung zu wagen. Fünf Jahre lang füllte er Skizzenblätter mit Entwürfen, die er dann doch verwarf und nur manches davon in einen neuen symphonischen Plan übernahm, den er an der Schwelle vom 18. ins 19. Jahrhundert auszuführen begann. Am 2. April 1800 erlebte Beethovens Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21 im Wiener Hofburgtheater in einer Akademie die Uraufführung.

Das Tor in die Zukunft wurde weit aufgestoßen: Indem er an Haydns absolute musikalische Idee einer sich ständig erneuernden Satztechnik und Motivik anknüpfte, fand Beethoven ein riesiges Feld zu kreativer Entfaltung vor. Er wahrt rein äußerlich noch den Schein der Tradition, aber er bricht sie in jedem Takt auch auf. Mit den anfangs gestellten Fragen löst er auch gleich die motivische und thematische Auseinandersetzung aus. Der erste reine Durakkord, den er ansteuert, ist F-Dur, die um eine Quart höhere Tonart als die Grundtonart C-Dur. Die Quart ist es dann auch, die das gesamte thematische Material der Symphonie Nr. 1 prägt. Sie bildet das erste Intervall des Haupt- und Seitenthemas im Kopfsatz und im zweiten Satz. Auch die ersten acht Töne der Schlussgruppe im Kopfsatz bestehen aus zwei Tonskalen innerhalb der Quart. Die ersten vier Töne des Menuetts umfassen ebenfalls den Abstand der Quart. Im Finale wird die Quart zur Quint als motivprägendem Intervall umgedreht, was den gleichen Tönerahmen ergibt.

Beethoven bietet dem Hörer aber noch ein weiteres, einfach nachvollziehbares Grundmotiv an, mit dem er symphonische Entwicklung und Durchführung demonstriert: die Tonleiter. Am Beginn des Finales steigt Beethoven die Tonleiter Sprosse für Sprosse hinauf, zuerst drei, dann vier, fünf, sechs, sieben Töne, bis der Ausgangspunkt für das folgende Allegro-Hauptthema erreicht ist. Beethoven macht die Musik selbst in ihren Grundbestandteilen zum Ereignis. Manchmal braucht er gar keine konkreten Themen mehr, um Musik zu machen. Der dritte Satz, den er noch – zum letzten Mal – der Konvention entsprechend Menuett überschreibt, der aber schon ein handfestes Scherzo ist, besteht eigentlich nur aus verschieden rhythmisierten und phrasierten aufsteigenden und absteigenden Tonleitern; im Trio wird eine gleich bleibende Akkordfolge der Bläser von den Streichern mit Girlanden aus Achtelnoten durchsetzt.

Der vorangehende zweite Satz ist dafür kein richtiger langsamer Satz, sondern ein stilisiertes Menuett, und seine schemenhafte Liedform wird in der Sonatensatzform ausgeführt. Beethoven beginnt mit den überlieferten Formen zu experimentieren, sie zu variieren, aus der Konvention auf eine freiere Ebene zu holen. Hübsch trippelt dieser Satz im tänzerischen 3/8-Takt dahin, man merkt dem Thema aber in jeder Bewegung an, dass es etwas vormacht, dass es eine vertraute Gestik in einer neuen Umgebung ausführt. Prompt gerät es durch vorwärtstreibende punktierte Figuren und einschneidende Mollfärbungen in gänzlich ungewohnte Bereiche, wo es sich als stark veränderte Gestalt wiederfindet. Auch die Koda dieses Satzes gestaltet Beethoven ungewohnt ausführlich, macht sie noch einmal zum Schauplatz thematischer Durchführung und geleitet die Menuettfigur in gänzlich neue harmonische Regionen.

Ebenso im Kopfsatz leistet Beethoven bereits erstaunliche Erweiterungsarbeit, indem er den Seitensatz nicht nur aus einer zum Hauptthema kontrastierenden, «liedhaften» Melodie bestehen lässt, sondern durch Streicher-Tremoli, Mollfärbungen und eine sich darüber erhebende Oboen-Kantilene unerwartete Stimmungen anreißt. Viele Wege, die in das weite Land der Symphonik führen.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

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