Archiv: Großbritannien-Tournee 2017: London

London Cadogan Hall Cadogan Hall

Interpreten

  • Alexander Sitkovetsky, Violine
  • Yutaka Sado, Dirigent

Programm

Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy

«Die Hebriden» Ouvertüre op. 26

Sätze

  • Allegro moderato - Animato

  • ton_Mendelssohn_Hebridenouvertuere_CD200_1.mp3

Dauer

10 Min.

Entstehung

1829/30/32

Nicht nur die musikalischen Talente von Felix Mendelssohn waren erstaunlich, auch als Aquarellist und Zeichner betätigte er sich mit sicherem Geschmack, außerdem zeigte er in lyrischen Gelegenheitswerken und Briefen eine starke sprachliche Begabung. Das materiell gesicherte familiäre Umfeld ermöglichte es dem jungen Künstler, sich auf Kulturreisen durch Europa weiterzubilden und sich von den fremdländischen Eindrücken inspirieren zu lassen.

Die Reise nach Schottland im Sommer 1829 führte erstmals zu musikalischen Anregungen. Dort fand er den Anfang zu seiner Symphonie a-moll, die später als Nr. 3 den Beinamen «Die Schottische» erhielt; und nach dem Besuch auf der Hebriden-Insel Staffa ging ein Schreiben an die Familie in Berlin, in dem Mendelssohn das thematische Grundmaterial der «Hebriden»-Ouverture skizzierte.

Aus diesen Notizen formte Mendelssohn – nach jener zum «Sommernachtstraum» – seine zweite Ouverture, der er ursprünglich den Titel «Die Fingalshöhle» gab und die als «Hebriden»-Ouverture populär wurde. Mendelssohn selber gab seinen Ouverture-Kompositionen die Bezeichnung «Konzert-Ouverture», womit er ausdrücklich ihre Bestimmung definierte: Kein Vorspiel zu einem Musiktheaterwerk, das die Melodien vorwegnimmt, sondern eine konzertante Musik zur Imagination von poetischen Inhalten oder eben Landschaftsbildern. Literarischer Hintergrund der Konzertouverture Nr 2 h-moll op. 26, «Die Hebriden», waren die angeblichen Dichtungen eines altirischen Barden namens Ossian, die aber in Wahrheit stilistisch gelungene Fälschungen des Schotten James McPherson aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bildeten. An weiteren Konzertouverturen Mendelssohns entstanden noch «Meeresstille und glückliche Fahrt» über zwei Goethe-Gedichte und «Zum Märchen von der schönen Melusine», einen von Ludwig Tieck neu erzählten Stoff, von dem es auch einen Bilderzyklus von Moritz von Schwind gibt. Reiseeindrücke gingen später auch noch in die «Italienische Symphonie» ein.

Johannes Brahms meinte bewundernd über die «Hebriden»-Ouverture: «Alle meine Werke gäbe ich darum, wenn ich eine Ouverture wie die Hebriden von Mendelssohn hätte schreiben können.» Tatsächlich ist das Werk ein Mirakel an Klang und thematischer Entwicklung. Mit solcher Musik von Mendelssohn erhielt Klang eine eigene kompositorische Bedeutung. Die Kunst der Instrumentierung wurde ausdrücklich zum Auslöser von Atmosphäre und zu einem musikalischen Gestaltungsmittel. Aus einem kleinen Kernmotiv erfand Mendelssohn mit großer Phantasie drei Themen: eine absteigende Wellenbewegung, eine erhebende aufsteigende Melodie und ein fanfarenartiges Motiv. Aus diesem thematischen Material formte Mendelssohn mit kühner Harmonik eine vielfach schillernde Tondichtung, deren Stimmungen von heftiger Bewegung und strahlendem Glanz bis zu berührender Idylle (Klarinettensoli über mildem Streicherklangfeld) reichen.

Den Entwurf von Schottland arbeitete Mendelssohn zum größten Teil während seiner nächsten Reise, die ihn nach Italien führte, 1830 in Rom aus. Die 1832 revidierte Ouverture wurde am 14. März 1832 während einer Gastspielreise nach England bei einem Konzert der London Philharmonic Society uraufgeführt.

© Rainer Lepuschitz | Tonkünstler

Felix Mendelssohn Bartholdy

Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64

Sätze

  • Allegro molto appassionato -

  • Andante -

  • Allegretto non troppo - Allegro molto vivace

Dauer

26 Min.

Entstehung

1838/44

Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-moll op. 64 ist das Ergebnis einer Freundschaft, die in Kindertagen begann: Mendelssohn und Ferdinand David, im Abstand von einem Jahr im selben Haus in Hamburg geboren, wuchsen gemeinsam auf. Mendelssohns Vater wurde der Vormund Davids, der seine Eltern früh verlor. In den Berliner Jahren Mendelssohns, in denen der junge Musiker im Salon der Eltern mit seinen frühreifen Kompositionen Mittelpunkt von Hauskonzerten war, wirkte auch David oft mit. Ein Jahrzehnt später, als Mendelssohn 1835 die Leitung der berühmten Leipziger Gewandhauskonzerte übernahm, holte er David als Konzertmeister zum da-mals wohl besten Klangkörper Europas, dem Gewandhausorchester. David behielt diese Stellung bis weit über Mendelssohns frühen Tod hinaus.

Im Sommer 1839 erhielt David einen Brief von seinem Freund Mendelssohn, in dem ihm dieser die «allergrößte Lust» auf die Komposition eines Violinkonzertes mitteilte: «… Ein paar gutgelaunte Tage, so bringe ich Dir etwas der Art mit. Aber leicht ist die Aufgabe freilich nicht; brillant willst Du’s haben, und wie fängt unsereins das an? Das ganze erste Solo soll aus dem hohen E bestehen.» Aus den «paar gutgelaunten Tagen» wurden schließlich mehrere Jahre, die Mendelssohn für die Ausarbeitung seines Violinkonzertes benötigte. Er hatte eine schwierige Situation zu überwinden: Mit Beethovens Konzert stand ein grandios ausgereiftes Werk dieser Gattung vor den Musikern der Romantik, und von Mozart existierten ebenfalls schon mehrere wie vom Himmel gefallene Violinkonzerte, die den Konzertrahmen ideal ausfüllten. Um den riesigen Vorbildern aus dem Weg zu gehen, orientierte sich Mendelssohn an der reichen Violinkonzertmusik Louis Spohrs. Richtung Beethoven verbeugte sich Mendelssohn nur einmal im ersten Satz am Beginn der Coda mit den für Beethovens Violinkonzert so signifikanten Paukenschlägen. In Hinblick auf die Spieltechnik und die Gestaltungsmöglichkeiten der Violine zog Mendelssohn natürlich auch seinen Freund Ferdinand David zu Rate. Allein die Tatsache, dass die im Brief für den Werkanfang angekündigten «hohen E» im Violinkonzert dann tatsächlich erst auf den Höhepunkten des Satzes im Durchführungsteil erstmals vorkommen, zeigt, dass David durchaus Einfluss auf die Komposition nahm. Mendelssohn legte schließlich ein vollendet geschliffenes Werk vor und überraschte die musikalische Welt mit einigen Neuerungen:

Das Hauptthema des ersten Satzes (Allegro molto appassionato) stellt nicht etwa das Orchester vor, sondern es wird sofort von der Solovioline angestimmt und auch vollständig ausgeführt, ehe es vom Tutti des Orchesters bestätigt wird. Die Kadenz platziert Mendelssohn im ersten Satz nicht etwa an der üblichen Stelle vor der Coda, vielmehr macht er sie zum integrativen Bestandteil der Durchführung. Und während die Solovioline noch die letzten Figurationen der Kadenz ausspielt, setzt das Orchester bereits mit der Reprise des Satzes ein.

Fließende Übergänge fallen auch im weiteren Verlauf des Werkes auf: Direkt aus dem ersten Satz und einem liegen bleibenden Ton des Fagotts heraus lässt Mendelssohn den zweiten Satz (Andante) anheben, ­während der Finalsatz mit einer Überleitung aus dem Material des Seitenthemas des langsamen Satzes beginnt, ehe erst nach 15 Takten tatsächlich das Rondo einsetzt. Und dort webt Mendelssohn in ­Wiederholungen des Rondothemas eine neue Nebenmelodie ein, die einen ziemlich nachhaltigen Eindruck hinterlässt.

Auch im Ausdruck ging Mendelssohn eigene Wege. Seiner ­lyrischen Natur lief ein kämpferisches konzertantes Treiben wohl zuwider, und so legte er schon das Hauptthema des ersten Satzes als eine strömende Kantilene an, die auf den gesamten Charakter des Werkes abfärbt. Alle Steigerungen und Tuttipassagen behalten immer eine gewisse Leichtfüßigkeit und sind duftig instrumentiert, selbst die marschartigen Anklänge im Finalrondo. Zum bewegenden emotionalen und auch dynamischen Höhepunkt gerät somit nicht zufällig der Mittelteil des langsamen Satzes mit einer mollgefärbten Melodik, die sich dramatisch entwickelt und von schmerzhafter ­Harmonik erfüllt ist. Umgeben ist dieses Herzstück von einem der schönen Mendelssohnschen Lieder ohne Worte, das in den Eckteilen des Mittelsatzes «gesungen» wird.

Im ersten Satz folgt auf den melodienseligen Einleitungsteil ein von drehender Bewegung ausgelöster Überleitungsgedanke, ehe die Holzbläser ein berührendes, von leiser Wehmut durchzogenes Seitenthema einführen, das von der Solovioline melodiös ausgekostet wird. In der Durchführung treibt Mendelssohn das Hauptthema in höchste Höhen, dann erfolgt der überraschende Eintritt der Kadenz.

Das Rondo des Finales (Allegro molto vivace) eröffnen, nach der noch im langsamen Satz verhafteten Einleitung, die Bläser und Pauken mit einer Marschfigur, bevor aus den Figurationen der Solovioline das quicklebendige Rondothema hervorhüpft. Wer hier Gestalten aus dem Sommernachtstraum mithüpfen hört, liegt nicht so falsch, denn zweifellos knüpft Mendelssohn mit diesem Rondo an den Charakter seiner Bühnenmusik zu Shakespeares Komödie an. Die zwischendurch einfließende Nebenmelodie ruft noch einmal die schwärmerischen Passagen der ersten beiden Sätze in Erinnerung. Das zweite Thema des Finalsatzes hingegen löst mit seiner rhythmisch markanten Gestalt etwas von dem anfangs angedeuteten Marsch ein und bekommt dann auch die maßgebliche Rolle in der Coda und im Werkausklang zugeteilt.

Ferdinand David spielte am 13. März 1845 die Uraufführung des Violinkonzertes im Leipziger Gewandhaus, Dirigent war Niels W.Gade.   

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Jean Sibelius

Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43

Sätze

  • Allegretto

  • Tempo andante ma rubato

  • Vivacissimo - Lento e soave -

  • Finale. Allegro moderato

Dauer

45 Min.

Entstehung

1901/02

Jean Sibelius´ Ruf als finnischer Nationalkomponist beruht auf mehreren Annahmen, von denen sich nicht alle bestätigen lassen. Er war der erste finnische Komponist, dessen Musik internationale Beachtung fand, und dem es gelang, sich im Kanon mit seinen Zeitgenossen andernorts Gehör zu verschaffen. Soweit die Tatsachen. Was die angebliche «Begründung einer nationalen Schule» oder ähnlich anmutende Spekulationen anbelangt, so muss man diesen eine klare Absage erteilen.

Insbesondere im Zusammenspiel mit Edvard Grieg, dem gemeinsam mit Jean Sibelius gern die Botschafterfunktion der skandinavischen Musikkultur zugeschrieben wird, sollte man die unübersehbaren Unterschiede zwischen den beiden Komponisten würdigen. Sibelius ließ sich zwar in manchen seiner Werke gern vom finnischen Nationalepos «Kalevala» inspirieren, benannte Tondichtungen nach mythischen Gestalten und umgab sich gern mit künstlerischen Inhalten, die seiner unmittelbaren Umgebung entsprangen. Niemals aber war es seine Absicht, einen «finnischen Tonfall» zu erfinden oder gar Folklore in seine Musik einfließen zu lassen. Er verstand sich selbst als aus Finnland stammender «Player» im internationalen Musikgeschehen - ebenbürtig mit den Größen seiner Zeit und ohne patriotische Bekenntnisse, wenn es um das Wesen seiner Musik ging. Und auch wenn manche seiner Zeitgenossen es nur zu gern gehabt hätten, wenn sich in seiner Musik mehr «Programm », mehr «Revolution» hätten finden lassen, Sibelius ließ es sich nicht nehmen, seine Ideen selbst zu finden und zu entwickeln. Diese Qualität findet sich unter anderem in den sieben erhaltenen Symphonien von Jean Sibelius wieder.

Den Sommer und Frühherbst des Jahres 1901 verbrachte Jean Sibelius auf dem Land, wo er bei seiner Schwiegermutter zu Gast war und sich ganz dem Komponieren widmen konnte. Auf seiner Agenda standen zwei Kompositionen: ein Werk nach Motiven aus Dantes «Göttlicher Komödie», das nie realisiert wurde, und die zweite Symphonie. Ideen und Motive für seine neue Symphonie hatte Sibelius schon im Winter und Frühjahr des Jahres 1901 bei einem Aufenthalt im italienischen Rapallo gesammelt.

Der erste Satz, Allegretto, eröffnet mit einem freundlichen, bukolisch anmutenden Thema. Die sonnige Atmosphäre des Satzes ist Schauplatz einer locker aufgebauten Einleitung der Symphonie, in dem Sibelius sich weniger dem strengen Aufbau und der traditionellen Abfolge widmet, sondern spielerisch mit mehreren musikalischen Gedanken experimentiert. Besonders einprägsam sind das heiter schaukelnde Eröffnungsthema, das vor allem rhythmische Impulse gibt, und das etwas wehklagende zweite Thema mit der fallenden Quinte, das als Keimzelle für die weiteren Entwicklungen dient.

Der zweite Satz, Tempo andante ma rubato, zeigt schon deutlich die Abkehr von der hochromantischen Tradition. Das schier endlose Umherwandern von Pizzicato-Bässen im tonalen Niemandsland nimmt erst Gestalt an, als sich die Holzbläser mit einer choralartigen Melodie darüber heben. Die gesamte erste Hälfte des Satzes wird von streng wirkenden Tuttisätzen dominiert, aus denen sich schemenhaft das fallende Quintenthema abzeichnet. Nach einer kurzen Generalpause folgt eine momentane, süße Erinnerung an den ersten Satz, in die sich schon bald rotierende Streicherbewegungen hineinbohren. Auch wenn Sibelius kein «Programm» hinter diese Musik gelegt hatte, kann man es seinem Freund Robert Kajanus nicht ganz verübeln, der das Andante als «flammenden Protest gegen all die Ungerechtigkeit» beschrieb.

Im dritten Satz, Vivacissimo, stehen einander zwei denkbar gegensätzliche Partner gegenüber. Zunächst erklingt eine eilige und unruhig zitternde Triolenfigur. Ein paar abgehackte Themenfetzen werden von der Flöte und der Oboe vorgetragen, doch kaum etwas davon bleibt bestehen. Einen radikalen Stimmungswechsel bringt dann ein friedvoller Bläsersatz mit sich, der sich beruhigend im Bewusstsein niederlässt. Die nervöse Triolenfigur platzt hier wie ein Störenfried herein, und nun entspinnt sich ein musikalischer Wettstreit der beiden Kräfte. Unruhiges Tempo auf der einen Seite, elegische Kraft auf der anderen. Wie kaum anders zu erwarten, steht am Ende eine Synthese der beiden ehemaligen Kontrahenten: Die rotierende Triolenfigur wird - etwas verlangsamt - zur Triebfeder für neue melodische Bewegungen, die sich immer mehr aufbauschen und den Weg für das Finale freimachen, das attacca einsetzt.

Der vierte Satz, Allegro moderato, führt nacheinander die wesentlichen Merkmale der vorangegangenen Sätze auf und setzt darüber ein neues, punktiertes Thema, das die Grundlage für praktisch alle musikalischen Entwicklungen ist und eine Ableitung des Eröffnungsthemas aus dem ersten Satz darstellt. Jean Sibelius zieht hier alle Register seiner Kunst, insbesondere die geschickte Instrumentierung verleiht dem Satz immense Tiefe und Strahlkraft. Durch das durchgezogene punktierte Motiv des Themas, das sich einmal strahlend über alles erhebt, dann wieder eingetrübt über den entschleunigten Rollbewegungen der Triolen dahinschleicht, entsteht der Eindruck von Persistenz und einer fast unerbittlich magnetischen Kraft.

Das Finale der Symphonie reißt sich langsam, aber sicher von diesem Strudel los und wendet sich einer majestätisch-festlichen Stimmung zu. Die fallende Quint, die im Lauf der Symphonie in mehreren Erscheinungsbildern aufgetreten ist, wird nun absolut, strahlend hell und klar gespielt. Feierliche Blechbläsersätze über einem flächigen Tremolo der Streicher und wuchtigen Paukenschlägen dominieren die letzten Takte der Symphonie und hinterlassen das Gefühl von erhabener Größe.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore