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Dmitri Schostakowitsch

Kammersymphonie für Kammerorchester op. 83a nach dem Streichquartett Nr. 4 (Instrumentierung: Rudolf Barshai)

Sätze

  • Allegro

  • Andantino

  • Alllegretto

  • Allegretto

Dauer

25 Min.

Entstehung

1949/1990
Wolfgang Amadeus Mozart

Konzert für Horn und Orchester Nr. 3 Es-Dur KV 447

Sätze

  • Allegro

  • Romance. Larghetto

  • Allegro

Dauer

15 Min.
Franz Schubert

Streichquartett d-Moll D 810 «Der Tod und das Mädchen» (Bearbeitung für Streichorchester: Gustav Mahler)

Sätze

  • Allegro

  • Andante con moto

  • Scherzo. Allegro molto - Trio

  • Presto

Dauer

40 Min.

Entstehung

1824

Franz Schubert schien sich im März 1824 als Kammermusiker über private Zirkel hinaus etabliert zu haben: Kein geringerer als Ignaz Schuppanzigh, Primarius des berühmten gleichnamigen Quartetts, hatte soeben Schuberts a-moll-Streichquartett (D 804) öffentlich mit Erfolg aufgeführt. Dieses sogenannte «Rosamunden-Quartett» erschien als op. 29/1 sogar gedruckt. Seinen eigenen früher komponierten Streichquartetten zollte Schubert selbst keine hohe Achtung. So schrieb er etwa an seinen Bruder Ferdinand noch im Juli 1824: «Aber besser wird es seyn, wenn ihr Euch an andere Quartetten als die meinigen haltet, denn es ist nichts daran, außer daß sie vielleicht Dir gefallen, dem alles von mir gefällt!» Zweierlei ist daran bemerkenswert: Schubert achtete einerseits seine frühen, bis etwa 1816 für das häusliche Quartett komponierten Werke recht gering. Und andererseits waren damals immerhin bereits das «Rosamunden-Quartett» und das heute gespielte d-moll-Quartett («Der Tod und das Mädchen») komponiert. Mit diesen wollte Schubert aber sichtlich nicht mehr die privaten Quartettspieler im häuslichen Bereich bedienen, sondern strebte danach, Berufsmusikern zu genügen, sprich: dem Schuppanzigh-Quartett – und damit dem öffentlichen Konzert-betrieb.

Im Frühjahr 1824 schrieb Schuberts Freund Moritz von Schwind an Franz von Schober: «Schubert hält jetzt ein vierzehntägiges Fasten und Zuhausebleiben. Er sieht viel besser aus und ist sehr heiter, ist sehr komisch hungrig und macht Quartetten und Deutsche und Variationen ohne Zahl.» Im Zuge dieses scheinbar fröhlichen Schaffens verriet Schubert dann seinem Freund Leopold Kupelwieser am 31. März 1824 in einem Brief einen bedeutsamen Hintergrund für sein damaliges Tun: « … ich componirte 2 Quartetten für Violinen, Viola u. Violoncello u. ein Octett, u. will noch ein Quartetto schreiben, überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen.» Es ist wohl auch ohne diese oft zitierte Briefstelle der symphonische Charakter seiner drei letzten Streichquartette evident, doch gerieten dieselben und das Oktett tatsächlich zum von Schubert sich selbst auferlegten Prüfstein, ob er denn für eine wahrhaft große Symphonie bereit sei, oder nicht. Er war bereit, wie die später komponierte, große C-Dur-Symphonie beweist.

Nun ist der Weg über das Streichquartett ein lehrreicher Pfad auf dem Gebiet der Themenverarbeitung und -entwicklung. Nur leider war damit kein Geld zu verdienen, weil das Streichquartett wegen zu der Zeit herrschender Moden (Rossini-Fieber) gerade wenig Publikumszuspruch fand, und auch die Ver-leger zögerten, Streichquartette (eines noch dazu bisher wenig erfolgreichen Kom-ponisten) herauszubringen. Somit blieb das «Rosamunden-Quartett» das einzige zu Schuberts Lebzeiten veröffentlichte Streichquartett; das d-Moll-Quartett D 810 wurde überhaupt erst nach Schuberts Tod zum ersten Mal öffentlich ge-spielt. Schuppanzigh hatte es 1824 nach kurzer Probe kurzerhand abgelehnt (allerdings wohl eher wegen spieltechnischer Schwierigkeiten). Schubert erlebte den späteren Erfolg und die bis heute anhaltende große Popularität seines d-moll-Streichquartettes nicht mehr. Es zählte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den Standardwerken im Kammermusik-Repertoire.

Gustav Mahler, der Schuberts Kunst durchaus ambivalent gegenüberstand, setzte das d-moll-Quartett D 810 im Jahr 1894 für Streichorchester, um es in einem größeren Saal selbst dirigieren zu können; zumindest den zweiten Satz leitete er in Hamburg am 19. November 1894 auch tatsächlich. In Hinblick etwa auf eine Aufführung der letzten Beethoven-Quartette im Konzertsaal meinte Mahler, es sei «eine gewagte und willkürliche Sache», weil bei diesen Kompositionen «längst nicht mehr an die vier armseligen Männlein» gedacht sei und sie «schon der Konzeption nach ganz andere Dimensionen» hätten und «ein kleines Streichorchester» verlangten. Selbiges musste in Mahlers Ansicht freilich für Schuberts Quartett ebenso gelten. Nun, heute schätzen wir den Wert und die Wirkung, den die Werke allein mit den «vier armseligen Männlein» erreichen, hoch ein – und auch Mahlers Zeitgenossen widersprachen hier und kritisierten seine Arrangements teils heftig. Dennoch kommt solchen Bearbeitungen, seien es wirkliche instrumentatorische Eingriffe, wie sie Mahler etwa bei Schumanns oder Beethovens Symphonien vorgenommen hat, oder bloße Erweiterungen und Differenzierungen des Streicherapparates, wie im Falle des Schubert-Quartetts, aufführungspraktisch hoher Wert zu – bilden sie doch eine umfassende, lebendige Neuinterpretation, die der Musik einen zeitgenössischen Stempel aufdrückt.

Mahler war schlicht der Überzeugung, dass die Komponisten es mit den Mitteln der Gegenwart anders machen würden, nicht zuletzt aufgrund der größeren Konzertsäle oder des weiter entwickelten Instrumentariums. Und gerade im Falle von Schubert, der sich über seine letzten Quartette ja ausdrücklich den «Weg zur großen Sinfonie bahnen» wollte, mag sich eine Übertragung auf ein Streichorchester gewissermaßen selbst legitimieren.

Mahler änderte am Schubert’schen Original per se keine Note, zur Besetzung fügte er allerdings eine Kontrabassstimme hinzu. Damit wird einerseits das Klangvolumen an sich verstärkt, zum anderen erfahren die Violoncelli bei thematisch relevanten Passagen grundierende Unterstützung. Darüber hinaus kommt dem Einsatz des Kontrabasses auch gliedernde Funktion zu. Der erste Satz (Allegro) hebt mit seinem charakteristischen, scharf abkanzelnden Motiv in der Orchesterversion etwas milder an, als in der Quartettfassung. Auch die hineinverwobenen Triolenfiguren bleiben weniger drastisch aufgeraut, als vielmehr streng. Mahler dünnt an markanten Eckpunkten auch öfter den Klang bewusst aus, indem er entweder die Violinen teilt oder überhaupt kurze solistische Momente anbringt. Herzstück der Komposition ist der zweite Satz (Andante con moto), eine großangelegte Variation über Schuberts Lied «Der Tod und das Mädchen» D 531 (daher auch der Beiname für das ganze Quartett; Elemente des Liedes durchziehen auch die anderen Sätze). Darin lässt sich einerseits Schuberts hohe Kunst auf dem Gebiet der Variation bestaunen, andererseits, in der Bearbeitung, Mahlers wirkungsvolle Behandlung des Streicherapparates. Vor allem in diesem Satz bewirkt die Dämpfung im Pianissimo immer wieder ein außergewöhnlich samtiges, ätherisches, geradezu «weltfernes» Klangbild.

Im Scherzo (Allegro molto) gelang Mahler durch die Teilung der Doppelgriffe und die hinzugefügte Kontrabassstimme ein Klang von beinahe Bruckner’scher Intensität. «Die breiten Pinselstriche eines quasi nachträglich komponierten Aufführungsstils führen fast zur Verzerrung des Schubert’schen Scherzocharakters» (Barbara Zuber). Diesem knappen Satz schließt sich ein fahles, gehetztes Presto-Finale im 6/8-Takt an, dessen Totentanz-Charakteristik und über weite Strecken drängend durchgehaltener Rhythmus durch ein scharf akzentuiertes Seitenthema («con forza») gebrochen wird, welches in der Streichorchester-Bearbeitung in die Nähe eines Chorals gerückt ist. Die rasante Schlusscoda, die zuletzt in einen unerbitt-lichen d-Moll-Akkord in dreifachem Forte mündet, verfehlt ihre Wirkung gewiss nicht – weder mit «vier armseligen Männlein», noch in Mahler’schem Gewande.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind