Archiv: Der Feuervogel

St. Pölten Festspielhaus Großer Saal Festspielhaus | Großer Saal

Interpreten

  • Augustin Hadelich, Violine
  • Krzysztof Urbanski, Dirigent

Programm

Nach der Uraufführung des «L’Oiseau de Feu» im Jahr 1910 war das Pariser Publikum außer sich: vor Begeisterung. Igor Strawinskis Ballettmusik «Der Feuervogel» mit ihren lebhaften Rhythmen und sprühenden Orchesterfarben machte den Komponisten über Nacht berühmt und galt bald als erstklassiges Genrebeispiel. Der polnische Dirigent Krzysztof Urbański hat sich bei den Tonkünstlern und ihrem Publikum schon mehrfach empfohlen. Auch der Geigenvirtuose Augustin Hadelich kehrt zum Orchester zurück – als Solist in Jean Sibelius’ populärem Violinkonzert, einem der besten Werke seiner Gattung.

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Michail Glinka

Ouvertüre zur Oper «Ruslan und Ludmilla»

Sätze

  • Presto

Dauer

5 Min.

Entstehung

1842

Michail Glinka wuchs die ersten Jahre seines eher knapp bemessenen Lebens in der Obhut seiner Großmutter auf, einer gestrengen, herrischen Dame, deren Wille den Eltern Glinkas Gesetz war. Sie behütete den kränklichen Knaben von allen Seiten, und erst nach ihrem Tod 1810 sollte er langsam mit der Welt der Musik außerhalb von Kirchenglocken und den Melodien der Natur in Berührung kommen. Bald lernte Glinka Geige und Klavier, 1817 schließlich kam er aufs Adelsinstitut nach St. Petersburg. Später trat er in den Staatsdienst ein, in einer möglichst unauffälligen Position; nur so konnte er seiner eigentlichen Passion, der Musik, in ausreichendem Maße nachgehen. Obendrein unternahm er Reisen, und zwar sowohl in die äußeren Regionen des Zarenreiches, als auch in west- und mitteleuropäische Länder, um Musik anderer Kulturen zu studieren, Komponisten kennenzulernen und sich zu bilden. In Italien traf er unter anderem auf Bellini und Donizetti, in Berlin nahm er Unterricht beim bekannten Kontrapunktlehrer Siegfried Wilhelm Dehn.

Zurück in Russland und um unzählige musikalische Eindrücke reicher, brachte er im Jahr 1836 in St. Petersburg seinen Opernerstling «Ein Leben für den Zaren» auf die Bühne. Die Besonderheit dabei: Es war die erste in russischer Sprache geschriebene Oper. Ermutigt vom großen Erfolg begann Glinka bald, sich mit einem weiteren Opernstoff auseinanderzusetzen, der auf Alexander Puschkins phantastisches Versepos «Ruslan und Ludmilla» basieren sollte. Glinka berichtete in seinen Memoiren: «An einem der Abende bei Shukwoski erklärte Puschkin, als er von seinem Poem ‚Ruslan und Ludmilla’ sprach, dass er vieles ändern würde. Ich hätte gern gewusst, welche Änderungen er beabsichtigte, doch sein frühzeitiger Tod (bei einem Duell) verhinderte, dass ich es erfuhr.» Dadurch war der Opernstoff in andere dichterische Hände gelangt, wobei auch der Librettist Valerian Shirkov zwar den Großteil, nicht jedoch die ganze Oper verfasste. Aber nicht nur textlich, auch musikalisch blieb «Ruslan und Ludmilla» lange Zeit Stückwerk: Aufgrund der Länge der Oper kam sie bereits bei der Uraufführung nur mit großen Strichen heraus. Erst zehn Jahre nach Glinkas Tod erklang unter der Leitung Mili Balakirevs das Werk in Prag erstmals komplett. Während Glinka sich bei der Komposition seiner ersten Oper in persönlich gesicherter Position befand, plagten ihn während des «Ruslan» große private Sorgen (Glinka lag im Scheidungskrieg mit seiner Frau), die sich auch auf seine Arbeitsweise auswirkten. Unklare Wohnverhältnisse und fehlende Ruhe machten ein konzentriertes Tagwerk schwierig und so zog sich die Arbeit an der Oper lange dahin: Begonnen 1837, dauerte es bis ins Frühjahr 1842, als Glinka endlich die zu unterschiedlichen Zeiten komponierten Einzelteile zu einem Ganzen verschmelzen konnte. «Im Herbst 1842 begannen die Proben, zuerst in den Sälen und dann auf der Bühne. Es stellte sich heraus, dass man zahlreiche Nummern meiner Oper kürzen musste…» schrieb Glinka in seinen Memoiren. Begonnen hatte er bei der Komposition mit den großen Arien, der eigentliche Beginn der Oper kam erst ganz zuletzt dran: «Ich schrieb die Ouvertüre direkt für das Orchester, oft während der Proben im Zimmer des Regisseurs.» Das hat selbstredend einen gewichtigen Grund: Da er Themen aus der Oper in seiner Ouvertüre verarbeitete, hätte eine umgekehrte Kompositions-Reihenfolge kaum Sinn gehabt. Nun, der Beginn der Oper verlief bei den ersten Aufführungen durchaus positiv: Gerade die Ouvertüre sorgte regelmäßig für Begeisterung; doch schon bei der Uraufführung verließ die Zarenfamilie das Theater frühzeitig. Dass im Finale der Beginn der Ouvertüre wiederkehrt, blieb den hohen Herrschaften damit verborgen; im Hochadel kursierte auch bald die böse Bemerkung des Großfürsten Michail Pawlowitsch, der meinte, straffällig gewordene Offiziere würden anstatt Gefängnis mit einer Vorstellung vom Glinkas neuer Oper bestraft. Nun, wie so oft überdauerte auch dieses Kunstwerk Schelte und Unverständnis seiner Entstehungszeit; Franz Liszt etwa hörte «Ruslan» im Frühjahr 1843 und verarbeitete seine spontane Begeisterung sogleich am Klavier. Die mitreißende Ouvertüre wurde zu einem der populärsten Stücke Glinkas, wenn nicht der ganzen russischen Musik überhaupt.

Darf man der Musik glauben, so ist bereits nach den viereinhalb Minuten klar, dass die Geschichte gut ausgehen wird: Gedrängt und mit einfachen Kunstgriffen versehen, ist die Ouvertüre schlicht aufgebaut. Aus dem unverblümten Aufbrausen des Hauptthemas (D-Dur), Presto und Alla breve, leitet Glinka ebenso rasch in das zweite, lyrische, in Bratschen, Celli und Fagotten (F-Dur) über. Die dramatischen Wendungen der Geschichte zeichnen sich im Mittelteil der Ouvertüre ab. Die Wiederholung der Themen bringt das zweite dann in D-Dur (Glinka kannte die Regeln der «westlichen» Sonatensatzform genau) und streift den Mittelteil nur mehr leicht. Wahrlich bombastisch enden diese knapp fünf Minuten Musik mit einer letzten Bekräftigung des Hauptthemas, dessen Bedeutung erst am Ende der Oper aufgelöst wird, wenn es als Schlusschor wieder erscheint: «Es leben unsere großen Götter! Es lebe unser Vaterland! Es leben Ruslan und seine Prinzessin!»

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Jean Sibelius

Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47

Sätze

  • Allegro moderato

  • Adagio di molto

  • Allegro, ma non tanto

Dauer

33 Min.

Jean Sibelius’ Konzert für Violine und Orchester rückt die Violine eindeutig in den Mittelpunkt des Geschehens und überträgt dem Soloinstrument quasi die «Titelrolle». Von der Tra­dition der symphonisch angelegten Form weggehend, erzielt der Kom­ponist eine Synthese zwischen dem Symphonischen und dem Vir­tuo­sen. Das Hauptthema wird immer von der Violine vorgestellt, die Musik entwickelt sich nicht mehr aus einem Dialog zwischen Violine und Orchester, wie es beispielsweise in der Wiener Klas­sik üblich war, sondern mehr aus strukturellen Wech­seln zwischen dem Solopart und der Begleitung. Der Kom­po­nist teilt we­sen­tliche Bestandteile eines Instrumental­kon­zer­tes der Solo­vio­li­ne zu, so ist sie mitunter auch mit Auf­gaben be­traut, die traditionellerweise dem gesamten Orchester zufallen würden.

Der erste Satz (Allegro moderato) leitet mit einer für Sibelius typischen Streicherkulisse ein, die die Spielfläche in vorsichtigen Wipp­bewegungen «con sordino» mit der Farbe d-moll grundiert. Die Solovioline stellt sich mit einer melancholischen Kantilene vor und lässt augenblicklich erkennen, dass diese Musik aus ei­ner Gegend kommt, in der Tageslicht zum Kostbarsten gehört. Gleich­­zeitig kann man aber auch Sehnsucht und unterdrückte Ge­­fühle hinter den Noten erahnen, die im weiteren Verlauf im­mer hörbarer werden und Anflüge von rhapsodischem Tem­pe­ra­ment zeigen. Das melodische Geschehen entwickelt sich, die Violine vergrößert allmählich ihren Spielraum und ertastet die Weite des Raumes, der ihr im gesamten Werk reichlich zuteil wird. Lange Arpeggio-Bewegungen und Sprünge weiten den Ton­­­­umfang des Soloparts immer mehr aus und beschleunigen die Bewegung, die in der ersten Solokadenz mündet. Mit vornehm klingenden Sexten-Bewegungen leitet die Violine das zweite Thema des Satzes ein und führt das Geschehen erneut zu einem wild-romantischen Höhepunkt, das nach einem Auf­brau­sen in Wartestellung verharrt: Durch einen kühnen Sprung spannt die Violine nun eine Feder, die eine weitere Solokadenz in Gang setzt. Schon nach diesen wenigen Minuten kann die Violine genug Material aus dem bisher Erklungenen schöpfen, um sich nach einer Erinnerung an die wichtigsten Elemente der Weiterentwicklung zuzuwenden. Das Orchester «assistiert» hier der Violine bei neuen virtuosen Streifzügen und stellt danach ein ei­genes Seitenthema vor, das zum Schluss des Satzes wiederum von der Violine kommentiert und abgerundet wird. Die letzten Tak­te des ersten Satzes wecken Erinnerungen an die virtuosen Fi­nali in den Violinkonzerten von Felix Mendelssohn und Max Bruch.

Im zweiten Satz (Adagio di molto) stellt Sibelius ein weit ausgreifendes und trotzdem schlicht gehaltenes Thema vor, das eben­mäßig und ohne übertriebenes Pathos erklingt. Der eigent­li­che Reiz des langsamen Satzes liegt in seinen verborgenen Qualitäten und dem Tiefgang, der durch subtile Zurückhaltung er­zielt wird. Die Solovioline besticht durch gleichzeitig gespielte Rhythmen, gebrochene Oktavenreihen und feingliedrige Trio­len­­figuren – einmal mehr zeigt sich, dass echte Virtuosität niemals allein durch technische Perfektion oder gar Geschwindig­keit erreicht werden kann. Die Farben, die Sibelius einsetzt, ge­ben tiefen Einblick in seine profunde Kenntnis des Instru­men­tes und seiner Verbundenheit zu ihm. Von der bittersüßen In­nigkeit in den tiefen Lagen bis zum dreigestrichenen D, das die Violine gegen Ende des Satzes als Ausdruck innerster Gefühle erklimmt, reicht hier die Palette. Mit einer Reprise des Haupt­the­mas schließt sich der Adagio-Kreis wieder.

Als «Polonaise für einen Eisbären» bezeichnete ein britischer Musikwissenschaftler den dritten Satz (Allegro ma non tanto) des Violin­konzertes. Die freien Assoziationen zu diesem Finale reichen noch weiter, so fand ein Biograf von Sibelius, dass die Musik klinge «als hätte ihr Schöpfer den Großteil seines Lebens an den Ufern der Donau verbracht.» Und tatsächlich weicht jegliche Zurückhaltung, auskomponierte Lichtkargheit und zartherbes Flair einem tänzerischen und übermütig auf­trump­­fenden The­ma, das rhythmisch einprägsam heran­galop­piert. Die freie Asso­­zi­ation mit den Donau­gestaden scheint leicht nachvollziehbar: wir­beln­­des Wasser, aufbrausendes Tem­pe­ra­ment und erregtes Gemüt dominieren die Er­öf­fnung dieses Satzes. Das Seiten­the­ma, das vom Orchester vorgestellt wird, fügt sich präzise in den Charakter des Satzes ein. Die punk­tierten Streicher­be­we­gun­gen verwandeln sich bald in eine etwas gehemmte Un­ter­malung: Plöt­z­­lich legt die Violine die Mas­­ke des jugendlichen Esprits ab, be­schwört mit irrlichternden Flageolett-Figu­ren hexen­haf­te Fratzen he­rauf, die kaum greifbar he­rum­­schwir­ren. Die lan­ge Schlusssteigerung wird wiederum von ausufernder Virtuosität ge­prägt: das Solo­instrument greift auf die Eröf­fnung des Kon­zertes zu, erweitert den Tonraum und führt noch einmal ein Skelett des Hauptthemas vor – all das aber in der ausgelassenen und le­bens­bejahenden Kraft, die den Charakter des Finales ausmacht. Eine letzte Fanfare des Orchesters ist die Steigleiter, an der die Violine ihren großen Schlusslauf beginnt, um am Ende völlig selbständig himmelwärts zu schießen und das Werk «von oben» – so wollte Sibelius diesen Satz gespielt ha­ben – zu beschließen.

© Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

Igor Strawinski

Suite aus dem Ballett «Der Feuervogel» (Fassung 1945)

Sätze

  • Introduktion. Molto moderato -

  • Vorspiel und Tanz des Feuervogels -

  • Variationen (Feuervogel) -

  • Pantomime I. L'istesso tempo - Più mosso -

  • Pas de deux (Feuervogel und Ivan Zarewitsch). Adagio - Allegretto - Adagio

  • Pantomime II. Vivo - Moderato -

  • Scherzo. Tanz der Prinzessinnen. Allegretto -

  • Pantomime III. Lento -

  • Rondo (Khorovod). Moderato - Più mosso - Moderato - Poco più mosso - Lento - Lento

  • Höllentanz des Kaschtschei. Vivo - Andante -

  • Wiegenlied (Feuervogel). Andante -

  • Finale (Hymne). Lento maestoso - Allegro non troppo - Maestoso - Molto pesante

Dauer

28 Min.

Entstehung

1945

Igor Strawinski, damals 27 Jahre alt, verdankte seinen kompositorischen Durchbruch genau genommen seinem damals doppelt so alten, arrivierten Kollegen Anatoli Ljadow. War dieser einst als junger Mann wegen notorischer Abwesenheit aus der Studienklasse von Nikolai Rimski-Korsakow geworfen und erst nach zwei Jahren wieder zugelassen worden, blieb er auch später noch, als er längst ein hoch geschätzter und präziser Kompositionslehrer war, dafür berüchtigt, Aufträge zu verschleppen - aus Idolenz ebenso wie aus rigoroser Selbstkritik. Der Legende nach soll Ljadow 1909 wieder einmal nur sehr langsam in die Gänge gekommen sein und nach längerer Zeit gerade erst das erforderliche Notenpapier erstanden haben. Doch aus heutiger Sicht fehlt jeder Nachweis, dass er den Auftrag überhaupt formal angenommen hatte - einen Auftrag von keinem Geringeren Sergei Diaghilew. Der Impresario der berühmten «Ballets russes» hatte wegen der finanziellen Schwierigkeiten nach seiner ersten Pariser Spielzeit die Idee gefasst, statt teurer Opern lieber Ballette zu inszenieren, wobei ihm und seinen Mitstreitern, dem Maler und Bühnenbildner Alexandre Benois und dem Choreographen Michail Fokin, das besondere Publikumsinteresse für «exotische» russische Sujets aufgefallen war. Fokin war es auch, der zwei russische Volksmärchen sowie eigene Ideen zur Handlung eines neuen Balletts unter dem Titel «L'Oiseau de feu» («Der Feuervogel») verwob: Der Zarewitsch Ivan gerät auf der Jagd in den Garten des bösen Zauberers Kaschtschei und fängt den dort lebenden Feuervogel. Weil er diesen jedoch auf dessen Flehen wieder freilässt, bekommt Ivan eine seiner magischen Federn als Dank. Da erscheinen dreizehn verwunschene Prinzessinnen, die der unsterbliche Kaschtschei gefangen hält - und Ivan verliebt sich in eine von ihnen. Als er ihr folgen will, rufen die erwachten Dämonen ihren Herrn Kaschtschei herbei. Ivan sieht dem Tod ins Auge, doch im letzten Moment kann er die Wunderfeder schwingen: Der Feuervogel erscheint, zwingt die Dämonen mit seiner magischen Musik zu einem infernalischen Tanz und schläfert die bösen Mächte schließlich mit einem Wiegenlied ein. Mehr noch: Er führt Ivan zu dem Versteck, in dem Kaschtschei ein Ei verwahrt, das seine Seele enthält. Ivan zerschlägt es - und der Zauberer stirbt, sein Reich vergeht und die Prinzessinnen sind frei. Zunächst ging der Auftrag an Nikolai Tscherepnin, der für die «Ballets russes» bereits «Le Pavillon d'Armide» geschrieben und dirigiert hatte, doch Meinungsverschiedenheiten mit Fokin ließen ihn die Komposition abbrechen. Und dann noch das Problem mit Ljadow ... Da erinnerte sich Diaghilew an Igor Strawinski: Dessen «Scherzo fantastique» hatte er im Januar 1909 noch in St. Petersburg gehört und den rasch arbeitenden jungen Komponisten dann erfolgreich bei den Arrangements von «Les Sylphides» eingesetzt. Diaghilew erkor ihn als «letzte Rettung» - und wurde nicht enttäuscht: Im November 1909 begann Strawinski mit der Komposition; am 25. Juni 1910 fand an der Pariser Opéra die glanzvolle Uraufführung von «L'Oiseau de feu» statt. Das Werk machte seinen Schöpfer nicht nur über Nacht berühmt, sondern zählt bis heute zu seinen beliebtesten Werken - gerade durch die drei Suiten für den konzertanten Gebrauch, die Strawinski zusammengestellt und bearbeitet hat. Deren dritte aus dem Jahr 1945, die heute Abend auf dem Programm steht, ist mittlerweile die populärste. Wie schon in der Suite von 1919 ist hier die enorme Orchesterbesetzung des Originals auf mittlere Stärke reduziert, ohne dass dabei die instrumentationstechnischen Finessen verflachen würden: Statt dessen gelingt es Strawinski in eindrucksvoller Weise, den Farbenreichtum mit bescheideneren Mitteln neu zu schaffen. Zudem umfasst die 1945er-Suite mehr Nummern als jene von 1919 und gibt dadurch einen größeren Zusammenhang des Balletts wieder, während die ebenfalls knappe erste Suite von 1911, in der die Originalbesetzung verlangt wird, heute kaum mehr gespielt wird. Die relativ große Anzahl von Bearbeitungen in Strawinskis Schaffen, mit denen er älteren Werken oft nach Jahrzehnten eine neue Facon gab, erklärt sich freilich nicht nur aus der Tradition, Bühnenwerke in Suitenform und gegenbenenfalls kleinerer Besetzung auch für den Konzertsaal zugänglich zu machen, sondern auch aus pekuniären Erwägungen: Denn seit der Oktoberrevolution 1917 waren die Tantiemenströme aus Strawinskis noch in Russland verlegten Werken versiegt; durch die Bearbeitungen, selbst wenn es sich nur um die Beseitigung von Druckfehlern wie im Falle der «Psalmen-Symphonie» handelte, konnte der Komponist, ab 1945 Bürger der USA, wieder an seinem älteren Schaffen verdienen. Für die drei Sphären der Handlung entwarf Strawinski eindeutige Klangwelten, wobei er sich an Rimski-Korsakows Märchenoper «Der goldene Hahn» orientierte und die dort verwirklichte Dualität weiter zuspitzte: Das irdische Dasein Ivans und der Prinzessinnen wird mit folkloristisch-diatonischen Mitteln geschildert, denen die chromatisch gefärbten Zauberwesen gegenüberstehen: Hier der gute Feuervogel, in orientalisch anmutende Farben gekleidet, geprägt durch kleine Sekunden, Ganztonfolgen, flirrende hohe Klänge von Streichern, Celesta und Xylophon, dort der böse Kaschtschei mit verminderten Akkorden, kreischendem Holz und bedrohlichen Invektiven des tiefen Blechs. Die grandiose Schlußapotheose feiert den Triumph der guten Mächte.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer