Archiv: Festival-Konzert | Beethoven & Schostakowitsch

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Baiba Skride, Violine
  • Dmitry Liss, Dirigent

Programm

Olga Viktorova
«Quinglong - Azure dragon» für Symphonieorchester
- Pause -
Dmitri Schostakowitsch

Die Lettin Baiba Skride begeistert ihr Publikum mit zutiefst emotionalem und virtuosem Geigenspiel. In Beethovens romantisch-frühlingshaftem Violinkonzert, einem Meisterwerk dieser Gattung, wird sie ihr Können gemeinsam mit den Tonkünstlern und Dmitry Liss unter Beweis stellen. Von vieldeutiger Schönheit durchdrungen ist auch die sechste Symphonie von Schostakowitsch, der eine «nachdenkliche und lyrische Ordnung» schaffen wollte und eine Stimmung «von Frühling, Freude und Jugend». Eröffnet wird das Konzert mit «Quinglong – Azure Dragon», einer Komposition der 1960 geborenen Russin Olga Viktorova, deren Philosophie es ist, das Unmögliche hörbar werden zu lassen.

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden
Ludwig van Beethoven

Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61

Sätze

  • Allegro ma non troppo

  • Larghetto -

  • Rondo

Dauer

42 Min.

Entstehung

1806

Ludwig van Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 wurde am 23. Dezember 1806 in Wien mit Franz Clement als Solisten uraufgeführt. Es blieb für lange Zeit die einzige Aufführung. Erst nach Beethovens Tod schenkten Geiger vereinzelt dem Werk wieder Beachtung, so auch Henri Vieuxtemps 1833 in Wien. Als Meisterwerk entdeckt und erkannt wurde das Konzert aber erst 1844 in London, wo es der damals 13jährige Joseph Joachim, der spätere enge künstlerische Wegbegleiter von Johannes Brahms, unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy spielte. In der romantischen Epoche erkannte man die außergewöhnlich lyrischen, ja poetischen Qualitäten dieses Werkes, die allerdings ganz eng mit dem Interpreten der Uraufführung zusammenhingen. Franz Clement wurde von seinen Zeitgenossen insbesondere wegen der «unbeschreiblichen Zierlichkeit» seines Spiels und der «äußerst lieblichen Zartheit» seines Tons gerühmt. Beethoven arbeitete im Frühjahr 1806 anlässlich der Aufführung der Oper «Fidelio» mit Clement, dem Konzertmeister im Theater an der Wien, zusammen. Dies dürfte der äußere Anlass für Beethoven gewesen sein, ein Violinkonzert «par clemenza pour Clement» («aus Gnade für Clement») zu schreiben, wie auf dem Titelblatt der autographen Partitur vermerkt ist. Clement hat sich zweifellos intensiv mit Beethoven und dessen Konzert auseinandergesetzt, denn der Komponist arbeitete die Solostimme nach der Uraufführung noch zweimal um.

Das Konzert erhielt aber auch noch eine andere Gestalt. Denn einige Monate nach der Uraufführung hätte Beethoven bei einer neuerlichen «gnadenvollen» Zueignung für einen Solisten auf der Titelseite nur ein «i» hinter Clement anfügen müssen. Der Pianist, Komponist und Verleger Muzio Clementi regte während eines Wien-Aufenthalts 1807 Beethoven an, das Violinkonzert für eine Drucklegung in ein Klavierkonzert umzuwandeln, was dieser auch tat, einerseits sicher wegen des lukrativen finanziellen Angebots, andererseits wohl auch, weil ihm an der Musik des Werkes besonders viel gelegen war. Zweifellos schmerzte Beethoven die geringe Resonanz auf das Violinkonzert.

Für die Zeitgenossen mussten die großräumige Konzeption des Werkes und sein besonderer Ausdrucksgehalt irritierend wirken. Bedeuteten schon Mozarts ein Vierteljahrhundert zuvor entstandenen Violinkonzerte einen enormen Entwicklungsschub für diese Gattung, weg von der barocken Concerto-Tradition der Italiener, so tat Beethoven noch einmal einen Riesenschritt, indem er mit einer ausgeweiteten motivischen Verarbeitung und einer symphonischen Anlage die Form des Violinkonzertes für das 19. und das beginnende 20. Jahrhundert prägte. Im rückblickenden Vergleich ist dieses Werk den viele Jahrzehnte später entstandenen Violinkonzerten von Brahms, Tschaikowski und Sibelius viel näher als den Gattungsgenossen des späten 18. Jahrhunderts.

In Beethovens Werk findet sich zwar das mit Figurationen und konzertierenden Elementen durchsetzte Muster des Violinkonzertes, wie er es von den Zeitgenossen Rodolphe Kreutzer und G. B. Viotti kannte, doch es wird überlagert von einer epischen Melodik und der Konzentration auf die kantablen Vorzüge der Violine. Beethovens Musik bringt das Instrument tatsächlich zum Singen, unterstützt und solistisch begleitet von den «atmenden» Holzbläsern, insbesondere dem Fagott (in allen drei Sätzen), aber auch der Oboe und Klarinette.

Die Holzbläser sind es auch, die im ersten Satz das erste Thema vorstellen. Von einem Hauptthema kann man nicht sprechen, denn Beethoven reiht mehrere miteinander verwandte Themen aneinander, die entweder einen ausgeprägten «sanglichen» Charakter haben oder symphonisch-wuchtig in Erscheinung treten. Auch ein Seitenthema im traditionellen Sinn gibt es nicht, denn wenn es der formalen Gesetzmäßigkeit entsprechend auftritt, entpuppt es sich als Weiterentwicklung der vorangegangenen Thematik. Damit entfällt auch der Kontrast zwischen den Themengruppen. Vielmehr tragen die einzelnen Themensegmente gleichzeitig Innigkeit und Erhabenheit in sich.

Spannung erzeugt Beethoven vielmehr durch ein Motiv, mit dem das Werk eröffnet wird und das mehr als fünfzig Mal wiederkehrt: fünf gleiche pochende Töne, zunächst von der Pauke intoniert. Das ruft die Stimmung eines fernen Marsches hervor, der immer wieder geheimnisvoll, drohend, aber mitunter auch zielführend im kantablen Geschehen durchklingt. Die symbolische Bedeutung dieses Motivs strich Beethoven in der Klavierfassung des Werkes noch hervor, indem er die Paukenschläge in die Kadenz einbaute (Kadenzen für das Violinkonzert hat Beethoven keine hinterlassen).

Der Solist braucht in diesem Violinkonzert, besonders im ersten Satz, einen enorm langen Atem. Nach der umfassenden und fesselnden Exposition des Orchesters steigt aus dessen Tiefen die Solovioline hervor und schwingt sich in höchste Lagen auf. Die einzelnen Themensegmente erklingen nun immer wieder in einsamen Höhen als zarter, ja manchmal fragiler Gesang. Zwischendurch verbindet das Orchester die Thematik wieder mit der Erde und setzt imposante symphonische Zeichen. Das Soloinstrument hält sich in diesen Phasen mit Figurationen und Trillerketten in Bewegung, um dann wieder seinen Gesang anzustimmen. Am Ende des Satzes hat sich die Gewissheit durchgesetzt, dass auch Sanftheit Stärke entfalten kann.

Im langsamen Mittelsatz schlägt Beethoven jenen berührenden Ton an, den man aus seinen beiden Romanzen für Violine und Orchester kennt. Die Erfüllung einer formalen Ordnung tritt hier vollkommen in den Hintergrund. Das affirmative Thema besitzt so viel Ausdruckskraft, dass es, umsungen von der Solovioline, alleine durch den ganzen Satz hindurch getragen werden kann, verändert nur durch unterschiedliche Klangfärbungen. Sein punktierter Auftaktrhythmus mündet am Ende des Satzes in eine imposante Streicherpassage, an die unmittelbar das Finalrondo anschließt. Das einfache, aus Dreiklangszerlegungen gebildete Rondothema im 6/8-Takt, von der Solovioline eingeführt, löst sich aus der bisherigen lyrischen Stimmung des Werkes und schlägt einen flotten und heiteren Ton an. Dem Gesang folgt nun der Tanz, der mitunter zur Motorik wird. Das traditionelle konzertierende Moment wird als zuhöchst unterhaltsames Frage- und Antwortspiel zwischen Soloinstrument und Orchester abgehandelt. Dabei wird die Violine am Ende sogar keck – ein Wesenszug, den man ihr nach den ersten beiden Sätzen überhaupt nicht zugetraut hätte. Das Orchester treibt den Satz mit dramatischem Brio an und beschließt ihn markant mit einer Achtel- und einer Viertelnote, der bestimmenden Grundkombination des Rondothemas.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Dmitri Schostakowitsch

Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54

Sätze

  • Largo - Moderato - Sostenuto

  • Allegro

  • Presto

Dauer

35 Min.

Dmitri Schostakowitsch war der geborene Symphoniker. Seine Arbeit zum Studienabschluss war eine Symphonie in f-moll, die den 20-jährigen Russen ins Bewusstsein der musikalischen Weltöffentlichkeit brachte. Ein Jahr nach der Uraufführung im Mai 1926 erlebte das Werk seine erste Auslandsaufführung in Berlin unter der Leitung des renommierten Dirigenten Bruno Walter, die der österreichische Komponist Alban Berg hörte – er war derart begeistert von dem Werk, dass er dem jungen Kollegen einen langen Gratulationsbrief schickte. Auch von dem Dirigenten Arturo Toscanini erhielt Schostakowitsch ein überaus anerkennendes Schreiben, nachdem der berühmte Italiener das Werk aufgeführt hatte. Publikum wie Musiker reagierten beeindruckt auf einen symphonischen Erstling, der nahtlos nicht nur an die große russische, sondern überhaupt die Geschichte der romantischen Symphonie anknüpfte und gleichzeitig viele neue symphonische Ausdrucksmöglichkeiten für das 20. Jahrhundert aufwies. Innerhalb des folgenden halben Jahrhunderts seines Lebens schuf Schostakowitsch weitere 14 Symphonien, in denen sich in eindrucksvoller Weise die turbulenten und für den Komponisten selbst zum Teil höchst bedrohlichen Ereignisse seiner Zeit – der Dreißiger- bis Siebzigerjahre – spiegeln, in denen des Weiteren die Gattung der Symphonie in ihrer seit Haydn konstituierten Eigenschaft als philosophisch-humanistisches Sprachrohr weiterlebte und neue Bedeutung bekam, und in denen vor allem die einzigartige suggestive Kraft des Komponisten Schostakowitsch immer wieder aufs Neue zur Geltung kam.

Als Schostakowitsch 1939 seine inzwischen 6. Symphonie veröffentlichte, hatte er in deren Vorgängern bereits eine Reihe verschiedener kompositionstechnischer Varianten in der symphonischen Form vorgelegt. Dem genialen Erstling waren zwei Chor-Orchester-Symphonien gefolgt, in denen der junge Schostakowitsch, der eine Zeit lang begeistert am Kulturleben der noch jungen sozialistischen Sowjetunion teilnahm, revolutionäre Inhalte mit seinen musikalischen Ideen verquickte, indem er nach teilweise experimentellen und teilweise plakativ-eingängigen instrumentalen Abschnitten jeweils eine vokal-instrumentale Erhöhung komponierte: in der 2. Symphonie als «Symphonische Widmung an den Oktober» (zum 10. Jahrestag der Revolution), in der 3. Symphonie zur Geschichte des «1. Mai».

Als der mittlerweile zu nationaler Bedeutung gelangte Komponist seine 4. Symphonie konzipierte, war bereits Stalin an der sowjetischen Macht – und bei Schostakowitsch war der anfänglichen Begeisterung für die sozialistische Sache Ernüchterung, ja Entsetzen gewichen. Der Künstler bekam am eigenen Leib die doktrinäre Wucht des totalitären Stalin-Regimes zu spüren, als seine bis dahin erfolgreich in Leningrad und Moskau laufende Oper «Lady von Macbeth von Mzensk» in der landesweit erscheinenden Zeitung «Prawda» als «Chaos statt Musik» vernichtet wurde. Von einem Tag auf den anderen war Schostakowitsch ein geächteter Sowjetbürger, er musste mit schlimmen Folgen wie Deportation, ja mit dem Äußersten rechnen. Stalins Menschenvernichtungsmaschinerie, die bereits    gnadenlos ihren Betrieb aufgenommen hatte, verschonte aber den Komponisten, schien ihn noch für Propagandazwecke nutzen zu wollen.

Just in dieser bedrohten Zeit fand Schostakowitsch in seiner 4. Symphonie zu einer Tonsprache, die – ausgehend von den zukunftsweisenden symphonischen Konzepten Gustav Mahlers – genauso experimentell in ihrer Gestaltung wie unverhohlen anklagend in ihrer Aussage war. Nach ersten Proben zog Schostakowitsch das Werk zurück, eine Aufführung hätte ihn damals neuerlich in ärgste Probleme mit dem Regime gestürzt (die Uraufführung wurde erst Anfang der Sechzigerjahre während der so genannten «Tauwetter-Periode» nachgeholt).Mit seiner 5. Symphonie, die ähnliches  thematisches Material wie die Vierte in einer nunmehr aber «verständlichen und dem Volk zugänglichen Tonsprache» formulierte, wie sie von den stalinistischen Kulturwächtern gefordert wurde, machte Schostakowitsch gewissermaßen einen Kniefall vor den Mächtigen, die hinter der glanzvollen Fassade des Werkes nicht die auch hier wieder geäußerten tragischen und kritischen Aspekte hörten. Das Werk hatte die erwünschte Wirkung in der Öffentlichkeit und erfüllte dennoch höchste kompositorische und künstlerische Ansprüche. Eine Ambivalenz, in der Schostakowitsch noch oft komponieren sollte.

Nach der erfolgreichen 5. Symphonie, die der klassischen musikalischen Form in der traditionellen Viersätzigkeit und oberflächlich dem Motto «Durchs Dunkel zum Licht» entsprach, arbeitete Schostakowitsch angeblich in seiner nächsten Symphonie an einem dem Revolutionär Lenin gewidmeten Vokal-Instrumental-Werk. Zumindest ließ dies der Komponist in einem Artikel verlauten und nannte sogar bereits seine geplante Textauswahl. Umso überraschter muss die sowjetische Musiköffentlichkeit gewesen sein, als sie bei der Uraufführung der 6. Symphonie  h-moll op. 54 am 2. November 1939 in Leningrad mit den dortigen Philharmonikern unter der Leitung des Dirigenten Jewgeni Mrawinski ein Werk hörte, das so gar nichts mit Lenin zu tun hatte und in seinem Aufbau den gebotenen politischen Ernst vermissen ließ. Die Hörer waren dennoch beeindruckt von der epischen Weite des ersten Satzes und den zündenden Funken der beiden folgenden Schnellsätze. Das Werk erntete begeisterte Reaktionen beim Publikum, während die Kritiker der offiziellen Sprachrohre einiges auszusetzen hatten. Hauptvorwurf: Das dreisätzige Werk sei ein symphonischer «Rumpf ohne Kopf», da ihm der einleitende Sonatenhauptsatz fehle. In Moskau wurde wegen der Symphonie sogar eine Sondersitzung des sowjetischen Komponistenverbandes einberufen, in der – in Abwesenheit des einmal mehr verschreckten Komponisten – viele seiner Kollegen über die angeblichen Mängel des Werkes herzogen.

Die Kritik vom «Rumpf ohne Kopf» umdeutend, könnte man bei der Sechsten vielmehr von einer «Symphonie mit Januskopf» sprechen. Denn Schostakowitsch zeigt in ihr zwei Gesichter. Da ist im ersten Satz, dem Largo, der trauernde, klagende und verschlossene Blick des Künstlers, den er im alltäglichen Leben gegenüber der Öffentlichkeit verbergen musste. Und da sind im 2. Satz, einem Allegro, und 3. Satz, einem Presto, Lebensfreude und Fröhlichkeit zur Schau gestellt. Freilich schäumt dieser Frohsinn mehrmals über und kippt regelrecht ins Groteske und sogar Wild-Bedrohliche um – aber diese Töne, sicherlich auch Ausdruck der Verzweiflung des Künstlers über die erzwungenen unehrlichen Verhaltensweisen als Mensch in der sowjetischen Gesellschaft, werden schließlich von effektvoll virtuosen, durchaus freiwillig trivialen Finalpassagen weggeschwemmt. Der brillante Orchesterkomponist Schostakowitsch tobt sich hier, wie kaum in einer anderen Symphonie, hellauf lachend aus. Wenn sich in den letzten Takten der Symphonie zitathaft Richard Strauss’ «Till Eulenspiegel», der bereits im zweiten Satz einmal hervorgelugt hat, nunmehr in die orchestrale Menge stürzt,  dann wissen die Hörer, dass hier ein Schelm zu ihnen spricht. Freilich weiß man auch, wie es den Spaßvögeln erging – und das ist einige Male davor in der Symphonie zu hören.

Der erste Satz ist in etwa so lang wie die beiden folgenden Sätze zusammen. Er hebt mit einem eindringlichen, expressiven Thema in Bratschen, Celli, Englischhorn, Klarinetten und Fagotten – also einer etwas abgedunkelten, aber dennoch scharfen Klanggebung – an, allmählich tritt das ganze Orchester hinzu. Auch wenn mehrere Punktierte für Bewegung sorgen, ist das Thema im Allgemeinen doch von Unentschlossenheit, ja manchmal Unsicherheit geprägt. Der, der da komponiert, will ausdrücken, dass er nicht recht weiß, wohin er sich wenden soll mit seinem Leid über die angespannte gesellschaftliche Situation. Der Ernst und die Besorgtheit, die aus der Musik dieses Satzes sprechen, geben zudem auch die aktuelle politische Situation zur Entstehungszeit der Symphonie wieder. Die Sowjetunion befand sich damals, 1939, in der Phase des Hitler-Stalin-Paktes, im September erfolgte dann der Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen, wovon auch das stalinistische Russland überrascht wurde. Also auch in politischer Hinsicht wusste damals ein sowjetischer Bürger nicht wirklich, wie es weiter gehen würde und wohin es die Sowjetunion in diesem dramatischen europäischen Konflikt noch verschlagen würde.

Schostakowitsch zieht sich jedenfalls   in diesem Largo mehr und mehr in die innere Emigration zurück, begleitet von Trauermarschmusik, in die sich die punktierten rhythmischen Impulse des Symphoniebeginns nunmehr verwandelt haben. Schostakowitsch geht dem Dualismus der symphonischen Sonatenhauptsatzform aus dem Weg, er scheut hier den Konflikt und den Kontrast, vielmehr bringt er in der dreiteiligen Anlage des Satzes das thematische Material in verschiedene harmonische Situationen und löst bestimmte motivische Teile heraus. So gewinnt eine Triller-Floskel aus der Schlussgruppe des Hauptthemas zunehmend an Bedeutung, sie geht schließlich in ein permanentes Flirren und Flimmern über. Die einsamen thematischen Gestalten scheinen sich in der Wüste zu verlieren.Der zweite Satz, ein Scherzo, führt mitten auf den Jahrmarkt, wo man Verwandten von Strawinskis Petruschka begegnet und auch wilden Gestalten, die sich mit großen Pranken Platz in der Menge verschaffen – gegenüber dem in vielen Skalen verlaufenden ersten Thema klingt das zweite Thema dementsprechend wuchtig. Nach zwei großen Steigerungswellen entschwindet die Szene im Nichts, nur noch Themenpartikel (Flöte) bleiben übrig.

Das Finale hebt als Galopp an. Das zweite, von einem Vorschlag in Gang gebrachte Thema führt die dahinsprengende Musik noch einmal am Jahrmarkt vorbei, ehe mit dem dritten Thema markante Gestalten ins Geschehen einschreiten, die dann in der überaus umfangreich angelegten Koda noch wesentlich an Profil gewinnen. Und dann zieht Till inmitten des Kehraus’ seine Schelmenkappe.

© Rainer Lepuschitz | Tonkünstler