Archiv: Brahms & Grieg

St. Pölten Festspielhaus Großer Saal Festspielhaus | Großer Saal

Interpreten

  • Alice Sara Ott, Klavier
  • François Leleux, Dirigent

Programm

Der Dirigent François Leleux und die Pianistin Alice Sara Ott: Zwei Publikumslieblinge kehren mit einem bezaubernden Konzertprogramm zu den Tonkünstlern zurück! Ihren gestalterischen Scharfsinn und ihr melodisches Feingefühl stellen die Orchestermusikerinnen und -musiker mit einem eher selten aufgeführten Meisterwerk von Johannes Brahms unter Beweis. Nachdem seine zweite Serenade in A-Dur – besetzt für kleines Orchester, die Violinen fehlen ganz – vom Wiener Publikum 1862 begeistert aufgenommen worden war, entschloss sich der Komponist zur Übersiedlung in die Donaumetropole. Auch der Norweger Edvard Grieg hatte seinen Dreißiger noch nicht erreicht, als er das Klavierkonzert in a-Moll vollendete. Nach der Uraufführung 1869 in Kopenhagen rissen sich die Pianisten darum, es aufzuführen – inklusive Franz Liszt, der es 1870 in Rom gleich mal vom Blatt gespielt haben soll.

Aufgrund der geltenden Verordnungen zur Covid-19-Prävention sind auch unsere Konzertprogramme Änderungen unterworfen. Das ursprünglich vorgesehene zweite Klavierkonzert von Camille Saint-Saëns wird durch Edvard Griegs a-Moll-Konzert ersetzt, die erste Serenade von Johannes Brahms durch seine zweite.

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Edvard Grieg

Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16

Sätze

  • Allegro moderato

  • Adagio -

  • Allegro moderato molto e marcato - Poco animato

Dauer

29 Min.

Entstehung

1868

Edvard Grieg kam im selben Jahr (1843) auf die Welt, in dem Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig das Musikkonservatorium mitbegründete. 15 Jahre später wurde der aus Bergen stammende, außergewöhnlich begabte norwegische Musiker als Student an das Leipziger Konservatorium aufgenommen, wo er vier Jahre lang bei Ignaz Moscheles und Carl Reinecke eine profunde Ausbildung am Klavier und in der Kompositionslehre erhielt. «Ich bin musikalisch ganz deutsch», behauptete Grieg später immer wieder – und ging dennoch als der skandinavische Nationalkomponist schlechthin in die Musikgeschichte ein. Aus der Einbeziehung volksmusikalischer norwegischer Elemente gewann er die Inspiration zu einer originellen Tonsprache, in der sich das musikalische Klima Norwegens und Skandinaviens auf höchstem kunstmusikalischem Niveau entfalten konnte.

Über seine Studienzeit in Leipzig sagte Grieg auch einmal: «Ich war ein Träumer, ohne jegliche Veranlagung für den Wettstreit, und alles andere als gelehrig.» Ein «Träumer» – damit sprach der Musiker eine andere Seite seines musikalischen Naturells an. Viele seiner Werke entstanden in einer fantastischen Atmosphäre, angesiedelt in einer Traum- und Märchenwelt. Selbst in großen Orchesterwerken verließ Grieg immer wieder den symphonischen Rahmen und zog sich in Regionen zurück, in denen er der lyrischen melodischen Entwicklung freien Raum lassen konnte und in denen verträumte, spuk-, natur- und zauberhafte Stimmungen vorherrschten. Er war eigentlich ein Meister der kleinen Formen, fühlte sich am wohlsten, wenn er seinen «Lyrischen Stücken» für Klavier immer wieder neue Episoden hinzufügen oder Poesie in Liedkompositionen übertragen konnte.

Aber es war ein Werk der großen Form, das den Norweger faktisch über Nacht in der Musikwelt berühmt machte. Das 1868 großteils während eines Sommeraufenthaltes in Dänemark, nahe Kopenhagen, komponierte Klavierkonzert a-moll op. 16 darf man mit dem Etikett «Geniestreich» versehen, dessen Qualitäten und singulärer Rang schon bei der Uraufführung in Kopenhagen erkannt wurden (Solist war dabei der Widmungsträger des Werkes, der norwegische Pianist Edmund Neupert). Auch wenn es ein eindeutiges Modell für das Werk des 25jährigen Komponisten gab – das Klavierkonzert in derselben Tonart a-moll von dem von Grieg verehrten und bewunderten Robert Schumann – so ist Griegs Konzert dennoch in keinem Takt epigonal, sondern durch und durch authentisch. Das Vorbild von Schumanns Werk wirkte sich vor allem auf die poetische, erzählerische Haltung von Griegs Werk aus, der sich ebenfalls vom damals vorherrschenden Typus des reinen Virtuosenkonzerts löste. Grieg hatte Schumanns Klavierkonzert wenige Monate nach seinem Studienantritt in Leipzig in einer Aufführung mit Schumanns Witwe Clara als Pianistin gehört. Nicht nur dieses Erlebnis, sondern auch der Klavierunterricht bei dem angesehenen Pianisten Ignaz Moscheles sowie bei Schumanns Freund Ernst Ferdinand Wenzel wirkte sich zweifellos prägend auf den rein pianistischen Stil Griegs aus. Aber auch die Erfahrungen mit der Klaviermusik Frédéric Chopins und Franz Liszts sind dem Werk anzuhören (Grieg hat übrigens nicht schlecht gestaunt, als ihm Liszt bei einem Treffen in Rom 1870 das Klavierkonzert vom Blatt vorspielte).

Das Einmalige des Konzerts, das mit dem berühmt gewordenen Motto, aus einem Paukenwirbel herausstürzenden Klavierkaskaden, beginnt, ist die vielfältige Gestaltung des thematischen Grundmaterials. So verwandelte Grieg das zunächst entschiedene, marschartige Hauptthema im Mittelteil des ersten Satzes in eine lyrische, von Arpeggien des Soloinstruments durchwobene Gestalt. In der Kadenz wiederum erlangt es grandiose, ja dramatische Ausmaße. Das vorerst schlichte Seitenthema erlebt in der Folge Wandlungen zum Virtuosenhaften. Im Mittelsatz bekommt das vom Orchester weich und zart «gesungene» Liedthema später in einem hymnischen und Fortissimo angestimmten Abschnitt des Klaviers einen gänzlich neuen Charakter. Im direkt anschließenden Finale wird die Notengesellschaft nach dem zunächst unbeschwerten norwegischen Volkstanz Halling in konfliktreiche und am Ende auch turbulente Situationen gebracht, wenn der Halling in einen Springtanz umgewandelt wird. Das von der Flöte angestimmte Seitenthema, eine ergreifende norwegische Weise, wächst sich in der Koda zu einer choralhaften Apotheose aus. Als Hintergrund dieser Metamorphosen erkennt man Griegs Bestreben, aus einem «regelhaften» kompositorischen Verlauf auszubrechen und die Freiheit zu suchen, Geschichten in Tönen zu erzählen. Jeder Tonartenwechsel, jede metrische Veränderung, aber auch jedes Ornament im Klaviersatz löst eine neue, spannende Episode aus. Grieg verlagerte das Konzert, ohne seine Form wirklich aufzulösen, ins Reich der Fantasie.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

Johannes Brahms

Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16

Sätze

  • Allegro moderato

  • Scherzo:Vivace

  • Adagio non troppo

  • Quasi Menuetto

  • Rondo:Allegro

Dauer

32 Min.

Im Jahr 1853 trat Robert Schumann in seinem Artikel «Neue Bahnen» mit begeisterten Worten für die Musik des jungen Johannes Brahms ein und beschrieb ihn als zukünftigen Herrscher im Reich der Musik: «Und er ist gekommen. Ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in den schwierigsten Satzungen der Kunst. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener.»

Obwohl Brahms vom Spätwerk Beethovens stark geprägt wurde, haben seine frühen Sonaten Züge, die nur Brahms eigen sind. Eine oft unerhört kühne Harmonik, überraschend originelle melodische Wendungen und die geistreiche Behandlung des Technischen zeichnen diese Werke aus. Stürmen und Drängen und ein gewisser jugendlicher Überschwang führten Brahms auf Wege, die er in seinen Symphonien sorgfältig zu vermeiden wusste. Trotzdem sind die in den späten 1850er-Jahren entstandenen Kompositionen durch ihre ursprüngliche Kraft von faszinierender Wirkung. Von 1857 bis 1859 war Brahms am Fürstenhof in Detmold als Konzertpianist, Dirigent des Hofchores und Klavierlehrer der Prinzessin Friederike tätig. Hier liefen für Brahms mehrere Entwicklungslinien zusammen: das Studium der Musik Bachs und Palestrinas, das er 1854 begonnen hatte, und kanonische Übungen und Fugen, die er mit dem Studium von Haydns Sinfonien und Mozarts Serenaden fortsetzte. Die zwei Orchesterserenaden op. 11 und op. 16, die in Detmold entstanden, waren wohl auch eine bewusst idyllische Antwort auf den Kampf um den Erfolg des ersten Klavierkonzerts und die Enttäuschung über Liszts neueste Kompositionen. Schon am 7. November 1857 hatte Brahms an Clara Schumann geschrieben: «Ich habe eine wahre Angst vor allem, was nach Liszt riecht». So sind Brahms´ Serenaden Stücke mit relativ einfachem Phrasenbau und diatonischer Melodik, die ganz im Einfluss der Unterhaltungsmusik des späten 18. Jahrhunderts stehen.

Brahms sah die Serenaden anfangs als symphonische Kompositionen, entschied sich aber bald, sie nicht Symphonien zu nennen. Die Besetzung der Serenade op. 16 für je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten und Hörner mit einer Streichergruppe ohne Violinen war Teil des ursprünglichen Klangkonzepts. Die Idee, nur tiefe Streicher zu verwenden, hatte Brahms schon fasziniert, als er Méhuls Oper «Uthal» studierte, in der durch das Weglassen von Violinen und Trompeten eine dunklere, mehr «nordische» Klangfarbe erzielt wird. Aber die zweite Serenade ist alles andere als ein düsteres Werk. Der erste Satz atmet durch seine bläserlastige Instrumentierung ein wenig den Geist von Mozarts «Gran Partita», und die Art, wie die Themen bei der ersten Gelegenheit in Triolen ausbrechen, ist ganz die persönliche Signatur des Komponisten. Eifriges Figurenspiel in Terzen zeigt jene Neigung zu ungarischen Melodien, die Brahms auf seinen Tourneen mit dem Geiger Remenyi kennengelernt hatte.

Nur im Adagio schlägt Brahms einen etwas feierlicheren Ton an. Der Unisono-Schritt der Streicher unter einer Bläsermelodie erinnerte Clara Schumann an Kirchenmusik: «Wie schreitet der Baß gleich so sanft und würdevoll, wie eine hehre Gestalt, Bachisch einher, wie beginnt das zweite Thema so wehmutsvoll und verflicht sich dann so innig mit den anderen Stimmen. Das ganze Stück hat etwas Kirchliches, es könnte ein Eleison sein.» Das Quasi Menuetto, eigentlich nur die Anspielung auf ein Menuett, ist eigentlich ein mit faszinierendem Einfallsreichtum instrumentierter Walzer im Sechs-Viertel-Takt.

Das abschließende Rondo ist eines der heitersten Stücke in Brahms´ Schaffen. Brahms genoss es sichtlich, für ein Orchester zu schreiben und sich damit einem Genre zu widmen, das ihn für die kommenden symphonischen Unternehmen vorbereiten sollte. Ein Arrangement der Serenade op. 16 für Klavier zu vier Händen, das noch im Mai 1860 beendet wurde, zeigt, wie viel Freude Brahms an dieser Komposition hatte. An Joseph Joachim schrieb er: «Ich habe der Tage meine 2te Serenade für vier Hände gesetzt. Lache nicht! Mir war ganz wonniglich dabei zumute. Mit solcher Lust habe ich selten Noten geschrieben, die Töne drangen so liebevoll und weich in mich, daß ich durch und durch heiter war».

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Michael Lorenz