Archiv: Internationales Brucknerfest

Linz Mariä Empfängnis Dom Mariä-Empfängnis-Dom

Interpreten

  • Chen Reiss, Sopran
  • Michaela Selinger, Mezzosopran
  • Peter Sonn, Tenor
  • Liang Li, Bass
  • Wiener Singverein, Chor
  • Johannes Prinz, Choreinstudierung
  • Stefan Soltész, Dirigent

Programm

«I’ glaub, […] wann’s beim Jüngst’n G’richt schief gang, möcht i’ unsern Herrgott d’ Partitur vom Te Deum hinhalt’n und sag’n: Schau, dös hab’ i’ ganz alloan für Di’ g’macht!, nachher wurdt i’ scho durchrutsch’n.» Die von seinen Biografen August Göllerich und Max Auer überlieferte Anekdote spiegelt die exponierte Stellung von Bruckners 1884 vollendetem Te Deum, das er seinem Schüler Franz Marschner gegenüber als «Stolz seines Lebens» bezeichnete, eindringlich wider. Der Komponist selbst unterstrich dies noch durch den Vorschlag, das Werk als Ersatz für den unfertigen Finalsatz seiner neunten Sinfonie zu verwenden. Auch die bereits in den Jahren 1867 und 1868 komponierte dritte Messe f-Moll begleitete Bruckner bis in seine letzten Lebensjahre hinein. Über einen Zeitraum von rund 25 Jahren unterzog er das Werk immer wieder kleineren und größeren Revisionen. Am 14. April 1895 schrieb er an den befreundeten Dirigenten Siegfried Ochs: «Der Bruckner wird alt und möchte doch so gern noch die F-moll [Messe] hören! Bitte, bitte! Das wäre der Höhepunkt meines Lebens.» Gemeinsam mit einem handverlesenen Vokalquartett, dem Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und dem Tonkünstler-Orchester nimmt sich Altmeister Michail Jurowski dieser zwei herausragenden Marksteine in Bruckners Sakralmusik an.

Michail Jurowski musste seine Mitwirkung an diesem Konzert leider absagen. Dankenswerterweise erklärte sich Stefan Soltész bereit, das Dirigat zu übernehmen.

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Anton Bruckner

Messe für Soli, gemischten Chor, Orgel und Orchester Nr. 3 f-Moll

Sätze

  • Kyrie

  • Gloria

  • Credo

  • Sanktus

  • Benedictus

  • Agnus Dei

Dauer

62 Min.

Entstehung

1867/68, 1883/93
Anton Bruckner

Te Deum für Soli, gemischten Chor, Orgel und Orchester C-Dur

Sätze

  • Te Deum laudamus. Allegro moderato

  • Te ergo quaesumus. Moderato

  • Aeterna fac cum sanctis tuis. Allegro moderato. Feierlich, mit Kraft

  • Salvum fac populum tuum. Moderato

  • In te, Domine, speravi. Mäßig bewegt

Dauer

24 Min.

Entstehung

1881/1884

«Wenn mich der liebe Gott», so soll Anton Bruckner beim Gedanken an den Tod einmal festgestellt haben, «einst zu sich ruft und fragt: ‹Wo hast du die Talente, die ich dir gegeben habe?›, dann halte ich ihm die Notenrolle mit meinem Te Deum hin, und er wird mir ein gnädiger Richter sein.» Bis in die Jahre um seinen 40. Geburtstag hatte die Kirchenmusik für den tief katholischen Komponisten eine bedeutende Rolle gespielt und ihm sogar die kompositorische Selbstfindung ermöglicht, nämlich in den drei großen Messen der 1860er Jahre in d-moll, e-moll und f-moll, die zeitgleich mit seiner ersten «gültigen» Symphonie in c-moll entstanden sind. In der Folge wandte er sich, nach Organistenstellen in Sankt Florian und Linz nunmehr in Wien ansässig und dort als Professor am Konservatorium und Hoforganist tätig, nahezu ausschließlich der Symphonik zu. Nicht nur durch die ihm selbstverständliche Frömmigkeit, sondern auch durch musikalische Bezugnahmen blieb freilich der sakrale Aspekt in seinen großen Orchesterwerken ständig präsent: Unverkennbare zitathafte Wendungen verweisen in den Symphonien auf nicht nur geliebte, sondern wohl auch von ihrem Glaubensgehalt her für Bruckner im jeweiligen Moment besonders wichtige, ihm nahe gehende Stellen in den großen Messen.

In noch engerem Zusammenhang stehen seine Symphonie Nr. 7 in E-Dur und das grandiose Te Deum, zwei Werke, die in den Jahren von 1881 bis 1884 entstanden sind, an denen Bruckner aber nicht gleichzeitig gearbeitet, sondern vielmehr nach Abschluss der Symphonie Anfang September 1883 die im Chorsatz fertig gestellte Ausarbeitung einer «Scitze» des Te Deum von 1881 wieder hervorgeholt und vollendet hat. Der Text, ein in allen Epochen und Stilen von unzähligen Komponisten musikalisch ausgeformtes Gotteslob, entstammt der Hymnendichtung der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts und geht der Legende nach auf Bischof Ambrosius von Mailand zurück. Das musikalische Bindeglied besteht in einem Motiv, das hier zu den Worten «Non confundar in aeternum» («Nicht werde ich zuschanden werden in Ewigkeit») auftritt und im Adagio der Symphonie Nr. 7, welches im Bewusstsein von Richard Wagners nahem Tod geschrieben wurde, zur großen, verklärten Steigerung beiträgt.

Der Geiger, Dirigent und Komponist Joseph Hellmesberger der Ältere, der 1879 auch das Streichquintett bestellt hatte, dürfte die Komposition des Te Deum angeregt haben. Er war von dem Werk begeistert und wollte es als Leiter der Hofkapelle anlässlich der Kardinalskreierung des Wiener Fürsterzbischofs Cölestin Josef Ganglbauer am 22. November 1884 aufführen, zu diesem Zweck allerdings auch einschneidend kürzen. Der Plan wurde nicht verwirklicht. Statt dessen erklang das Werk am 2. Mai 1885 im damals so genannten Kleinen Musikvereinssaal (dem heutigen Brahmssaal) in einer von Josef Schalk besorgten Fassung für Soli, Chor und zwei Klaviere unter Bruckners eigener Leitung und errang großen Erfolg; die Uraufführung in der originalen Besetzung fand am 10. Jänner 1886 unter Hans Richter in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde statt und begründete den bald einsetzenden internationalen Erfolg des Te Deum, der es in Bruckners letztem Lebensjahrzehnt zu dessen meist­aufgeführtem Werk machen sollte. Es steht in der für Bruckner ungewöhnlichen Tonart C-Dur und vereint, dem Gehalt eines überzeitlichen, allumfassenden Gotteslobs folgend, verschiedene historische Stile, wie dies für das Schaffen des Komponisten ja allgemein gelten darf. Schon der brausende Eröffnungschor mit den lapidaren, beständig über die Quint zur Oktav abstürzenden Streicherfiguren ist ganz dem gregorianischen Choral nachempfunden, ruft dabei jedoch auch «die barbarischen Schichten der Musik Bruckners» auf den Plan, wie Dietmar Holland anmerkt, «denn trotz der Anklänge an Intonationen des liturgischen Gesangs und an kirchentonartliche Wendungen ist der Tonfall geprägt von überschäumendem Triumphgefühl und mystischen Verzückungen (‹Te ergo quasumus›, ‹Salvum fac populuum tuum›), von dröhnenden Klangflächen, die uns heute wie eine Vorwegnahme der ‹Glagolitischen Messe› Leoš Janácˇ   eks anmuten, von äußerstem Dissonanzgebrauch, vor allem in dem harmonischen Weg, der zum Schlussdurchbruch führt, und von ungeheuren ekstatischen Steigerungen, die an die Grenze der Ausführbarkeit stoßen.»

Anton Bruckners Te Deum umfasst fünf Teile und beginnt mit einem Allegro, das zum schon erwähnten obstinaten Grundmotiv in den Streichern mit Orgelpleno und vom Blech unterstützten Chor die majestätische Gewalt der himmlischen Heerscharen ausdrückt. Dieses monumentale skandierte Thema wird in der Mitte und am Ende dieses Einleitungssatzes wiederkehren, zum Gott lobenden Chor der Apostel sowie bei der Anrufung des zur Rechten des Vaters sitzenden Christus. Dazwischen werden in sanfteren Klängen Mysterien beschwo­ren: Ätherisch sprechen Sopran-, Tenor- und Altsolo von den Engeln, von Cherubim und Seraphim, in ehrfürchtigem Pianissimo, dann wieder mit voller Kraft ausbrechend huldigt der Chor dem Herrn mit seinen Sanctus-Rufen, geheimnisvoll werden Sohn und heiliger Geist angesprochen. Ein Halbschluss mit folgender Generalpause bereitet den kurzen zweiten Teil vor, das Te ergo in f-moll: Der Solotenor, voll Ehrfurcht und schwärmerischer Frömmigkeit, bittet um himmlischen Beistand, der Rest des Soloquartetts unterstützt ihn ebenso wie die ausdrucksvollen Girlanden  eines Violinsolos. Mit donnernder Gewalt bricht daraufhin der streng anmutende und ebenfalls knappe dritte Teil los, das Aeterna fac in d-moll, ein in expressiver Klanggebärde kulminierendes Flehen um die Teilhabe an der Gemeinschaft der Heiligen.

Daraufhin folgt als vierter Teil die gesteigerte Wiederholung des Tenorsolos (Salvum fac), nun um ein Bassolo erweitert und die Reprise des Werkbeginns vorbereitend (Per singulos dies), wobei das brausende C-Dur nun mit schockhafter Wirkung schon nach vier Takten durch eine Rückung nach Des verlassen wird und weiter durch B-Tonarten wandert. Die Kräfte verebben, der Chor fleht um Erbarmen. Mit unerschütterlicher Zuversicht und im wiedererlangten C-Dur beginnt schließlich das Soloquartett den fünften und letzten Teil, In te, Domine speravi. Es ist die Einleitung zu einer ebenso komplexen wie großartigen, sich durch den Quintenzirkel windenden Doppelfuge, die hauptsächlich dem Chor anvertraut ist, wobei das Soloquartett das schon erwähnte Motiv aus dem Adagio der Symphonie Nr. 7 gleichsam als Verheißung in den Verlauf interpoliert. Seine Worte «non confundar in aeternum» werden schließlich zum gloriosen Finale aufgetürmt: Das eherne Grundmotiv in C-Dur, Fanfarengeschmetter und ein Chorsatz, in dem der Sopran ekstatisch bis zum hohen C aufsteigt, künden vom ewigen Triumph des Glaubens.

Bruckners Stolz und die Begeisterung, die er für das Werk hegte und die im eingangs zitierten Ausspruch mitschwingen, hat sich etwa auch auf Gustav Mahler übertragen, der in seinem persönlichen Exemplar die Besetzungsangabe im Untertitel («für Chor, Solostimmen, Orchester und Orgel») handschriftlich durch die Worte «für Engelszungen, Gottsucher, gequälte Herzen und im Feuer gereinigte Seelen» ersetzt hat. Der erst Teil von Mahlers achter Symphonie, der Pfingsthymnus «Veni, creator spiritus» wäre nicht denkbar ohne Bruckners Te Deum, dem Mahler auch durch die abgewandelte Übernahme zweier Takte seine Reverenz erweist.

© Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer