Archiv: Brahms & Prokofjew

Grafenegg Auditorium Auditorium

Interpreten

  • Kyohei Sorita, Klavier
  • Yutaka Sado, Dirigent

Programm

Rauschhafte Expressivität, vehemente Motorik und rhapsodische Ausschweifungen: Sergej Prokofjews drittes Klavierkonzert, vom Komponisten 1921 vorgestellt, bringt den jungen japanischen Pianisten Kyohei Sorita zum zweiten Mal in dieser Saison mit dem Tonkünstler-Orchester und seinem Chefdirigenten zusammen. Populäres von Johannes Brahms bildet dazu eine wunderbare Ergänzung: Das zauberhafte Thema des «Chorale St. Antoni» aus Haydns Divertimento B-Dur für acht Bläser hatte Johannes Brahms im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgestöbert und verwandelte es 1873 in acht «Variationen über ein Thema von Joseph Haydn» inklusive einer grandiosen Passacaglia am Schluss. Das Orchesterwerk verhalf auch dem kammermusikalischen Original zu größter Berühmtheit. Ergänzt wird es von drei Bestsellern: Seine «Ungarischen Tänze», ursprünglich für Klavier zu vier Händen gedacht, brachten Brahms den Durchbruch als Komponist.

Aufgrund der geltenden Verordnungen zur Covid-19-Prävention sind auch unsere Konzertprogramme Änderungen unterworfen. Die ursprünglich vorgesehene erste Symphonie von Gustav Mahler wird durch die oben stehenden Werke von Johannes Brahms ersetzt.

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Sergej Prokofjew

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26

Sätze

  • Andante - Allegro

  • Tema con variazioni. Andantino

  • Allegro ma non troppo

Dauer

27 Min.

Entstehung

1917-1921

Sergej Prokofjew wurde im zaristischen Russland als Sohn eines Gutsverwalters geboren. Die musikalische Bildung war seiner Mutter ein wichtiges Anliegen, die ihrem erst vierjährigen Sohn Klavierunterricht gab. Als Fünfjähriger versuchte sich Sergej bereits an eigenen Stücken: Seine erste Komposition, die von der Mutter für ihn niedergeschrieben wurde, war ein «Indianer-Galopp» in F, dessen Melodie er – fast omenhaft für seinen späteren Stil – mit dem Ton H (anstelle des B) würzte und dadurch das Tongeschlecht einer eindeutigen Zuordnung im klassischen Sinn entzog. Der Grund für diesen Kunstgriff war noch nicht in kompositorischen Überlegungen begründet, der kleine Sergej spielte damals eben nur sehr ungern auf den schwarzen Tasten des Klaviers.

Im Alter von sieben Jahren erlernte der hochbegabte Knabe das Schachspiel – eine Passion, die ihn sein Leben lang begleiten sollte und die ihn später privat mit den Weltmeistern José Raúl Capablanca und Michail Botwinnik zusammenführte. In den Sommern 1902 und 1903 erhielt Sergej erste Unterweisungen in der Kunst des Komponierens von Reinhold Glière. Alexander Glasunow, der den außerordentlich Begabten 1904 kennenlernte, empfahl ihm möglichst rasch ein Studium am Konservatorium aufzunehmen. Sergej Prokofjew war in den folgenden zehn Jahren Student am Sankt Petersburger Konservatorium und wurde dort unter anderem von Nikolai Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow in den Fächern Komposition, Dirigieren, Klavier, Kontrapunkt und Orchestrierung unterrichtet. In den Jahren nach seinem Abschluss trat er erfolgreich als Pianist und Komponist in Erscheinung. Das Schicksalsjahr 1917, in dem sich die russische Welt von Grund auf veränderte, markierte auch einen Wendepunkt im Leben des 26-jährigen Sergej Prokofjew. Die Zeit war trotz der politischen Unruhen für den jungen Komponisten ungemein fruchtbar: Er vollendete seine dritte und vierte Klaviersonate sowie das erste Violinkonzert, skizzierte das heute aufgeführte dritte Klavierkonzert, beschäftigte sich in Ansätzen schon mit der Märchenoper «Die Liebe zu den drei Orangen» und komponierte seine erste Symphonie, die unter dem Beinamen «Classique» zu einem seiner bekanntesten Werke werden sollte.

Den stürmischen politischen Ereignissen in St. Petersburg konnte und wollte er sich nicht entziehen, er schrieb später: «Die Februar-Revolution wurde von mir und den Kreisen, in denen ich verkehrte, freudig begrüßt. Während des Aufstandes war ich ... auf der Straße und verbarg mich von Zeit zu Zeit hinter Mauervorsprüngen, wenn die Schießerei allzu heftig wurde ...» Seine Eindrücke verarbeitete Prokofjew in einer Kantate mit dem Titel «Chaldäische Beschwörung», einem groß angelegten Werk für Tenor, Chor und Orchester.

Schlussendlich wurde es in Russland aber doch zu gefährlich und Prokofjew trat, wie viele andere auch, den Weg ins Exil an. Sein erster Weg führte ihn in die USA, nicht etwa als Emigrant wie seine Kollegen Rachmaninow oder Strawinski – nein, Sergej Prokofjew hatte eine offizielle Genehmigung der Sowjetunion in der Tasche und trat damit einen geplanterweise kurzen Auslandsaufenthalt an. Es sollte letztlich etwa 15 Jahre dauern, bis er wieder in die Heimat zurückkehrte – davor war Prokofjew nach einer glücklosen kurzen Zeit in den USA noch in Frankreich (überwiegend Paris), Bayern und London zu Hause. Er etablierte sich in dieser langen Zeit international als Komponist und Pianist und wurde einerseits als Exponent der westlichen Moderne und gleichzeitig als Repräsentant der Sowjetkultur wahrgenommen.

In den ersten Jahren des Exils hatte Prokofjew sein Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur bei sich, die Arbeit an dem Werk begleitete ihn quasi auf Schritt und Tritt. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass das Konzert keine «Begleitmusik» der ersten Exiljahre ist, sondern einige musikalische Ideen beinhaltet, die der Komponist schon wesentlich früher skizziert hatte. Er vermerkt über die Entstehung des Klavierkonzerts: «1913 schrieb ich ein Thema für Variationen, legte es aber dann längere Zeit beiseite. In den Jahren 1916/17 versuchte ich immer wieder, dieses dritte Konzert in den Griff zu bekommen, ich komponierte den Anfang (zwei Themen) sowie zwei Variationen über das Thema des zweiten Satzes.» Und Prokofjew integrierte in sein Werk einige Skizzen, die in den Jahren 1911 bis 1917 in St. Petersburg entstanden waren, darunter auch Aufzeichnungen für ein «sehr passagenreiches Klavierkonzert» und Material, das er später in kammermusikalischen Werken verwenden wollte. Die Arbeit am dritten Klavierkonzert erfolgte also mehr oder weniger losgelöst von den Lebensumständen dieser Zeit.

Den Sommer 1921 verbrachte Prokofjew in Saint Brèvin-les-Pins an der bretonischen Küste. Der Tag war einer strengen Ordnung unterworfen, wie es Prokofjew gewohnt war: «Ich stehe auf um 8.30 Uhr. Nachdem ich eine heiße Schokolade getrunken habe, sehe ich nach, ob der Garten noch da ist, wo ich ihn vermute. Dann setze ich mich an die Arbeit: Ich schreibe gerade das 3. Klavierkonzert.» Auch wenn Prokofjew die Dur/Moll-Tonalität nie grundsätzlich verwarf: bizarre Modulationen, scharfe Dissonanzen, teils lärmende Klangballungen und martialische Klangmassen finden sich in seiner Musik in erfrischender Häufigkeit. Das Konzert für Klavier und Orchester op. 26 präsentiert sich in klassisch ausgewogener Dreisätzigkeit und leicht fasslicher C-Dur-Diatonik. Rhythmische Kanten, drastische dynamische Steigerungen und harmonische Schärfen wechseln sich mit lyrisch-folkloristischen Elementen und galanten Melodien ab.

Der erste Satz (Andante. Allegro) in Sonatenhauptsatzform eröffnet mit einem kantablen Solo der Klarinette, das sich rasch zu einem rasanten Orchestertutti auswächst. Praktisch auf dem Silbertablett offeriert das Soloklavier ein rasantes und äußerst vitales Thema, das quasi als «Spielmacher» den Satz in Schwung hält. Die kurze Durchführung wird vom Klarinettenthema der Eröffnung bestimmt, in der darauf folgenden Reprise bekommt der Klavierpart virtuosen und breiten Raum. Der Satz wendet sich bald dem kecken und grotesken Ton der Eröffnung zu und schließt nach einer Staccato-Passage mit brillanten Läufen und weltmännischer Verve.

Der Mittelsatz (Tema con variazioni. Andantino) ist ein fünfteiliger Variationensatz, in dem – ungewöhnlich für den langsamen Teil eines Instrumentalkonzerts – die schnellen Passagen überwiegen. Die Charaktere der einzelnen Variationen reichen von galanten, fast jazzig-rhapsodisch angelegten Träumereien bis hin zu halsbrecherischen Demontagen des thematischen Materials, in der das Klavier als Motor fungiert und das Orchester die eigentliche Durchführungsarbeit leistet. In der vierten Variation schreibt Prokofjew als Vortragsangabe «freddo» («kalt») vor und zwingt den Solopart damit in eine emotionale Distanz, die sich in einer fast mystischen Stimmung niederschlägt. Die fünfte und letzte Variation ist ein Dialog zwischen Irrwitz und Posse, die sowohl dem Klavier als auch dem Orchester ein weiteres Mal Gelegenheit zur überzeugenden Selbstdarstellung geben. Zum Schluss verarbeitet Prokofjew das Thema, diesmal gespiegelt, in großen Akkorden.

Das Finale (Allegro ma non troppo) ist ein Feuerwerk der virtuosen Brillanz. Dreiteilig in der Form A-B-A’ angelegt, stellt es ein in sich geschlossenes und sehr kleines Instrumentalkonzert in der klassischen Abfolge schnell– langsam–schnell dar: Durch den Wechsel von Dreier- und Vierertakten erzeugt Prokofjew eine schwebende Unruhe, die immer wieder von schroffen Ausbrücken unterbrochen wird. Im Mittelteil beruhigt sich die Stimmung auf einem romantischen Hochplateau, bevor die Reprise wieder das Thema aufgreift und nach einer kontinuierlichen Steigerung das Konzert mit jubelndem Glanz beschließt.

Sergej Prokofjew schrieb sich sein drittes Klavierkonzert auf den Leib, die Uraufführung in Chicago am 16. Dezember 1921 spielte er persönlich. Der Erfolg war dort allerdings nur bescheiden. Es sollte nach Aufführungen in New York und London noch ein Jahr bis zur europäischen Premiere in Paris (1922) dauern, bis das Werk – wiederum mit Prokofjew am Klavier – unter der Leitung von Sergej Koussevitzki vom Publikum mit verdientem Jubel aufgenommen wurde.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

Johannes Brahms

Variationen über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur op. 56a

Sätze

  • Thema. Chorale St.Antoni. Andante

  • Variation I. Poco più animato

  • Variation II. Più vivace

  • Variation III. Con moto

  • Variation IV. Andante con moto

  • Variation V. Vivace

  • Variation VI. Vivace

  • Variation VII. Grazioso

  • Variation VIII. Presto non troppo

  • Finale. Andante

Dauer

17 Min.

Johannes Brahms besaß eine bedeutende Autografensammlung, in der sich auch Musik von Joseph Haydn – die «Sonnenquartette» – befand. Das Thema für seine «Variationen über ein Thema von Joseph Haydn» op. 56a fand Brahms allerdings im Wiener Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in einer Haydn-Ausgabe von sechs Divertimenti für 2 Oboen, 3 Fagotte, 2 Hörner und Serpent. Diese Divertimenti trugen auch die volkstümlichere Bezeichnung «Feld-Parthie». Aus der letzten «Parthie» stach Brahms ein «Chorale St. Antoni» mit einer faszinierenden unregelmäßigen Periodik der Melodie – die in fünf statt vier Takten verläuft – hervor.

Rückblickend erscheint es kurios, dass der sorgfältige musikalische Philologe und versierte Musikhistoriker Brahms (der auch von Werken der Vergangenheit Editionen von Verlagen betreute) ausgerechnet ein Thema erwischte, das möglicherweise gar nicht von Haydn stammt. Denn für die Musikwissenschaft ist mittlerweile Haydns Autorschaft dieser «Feldparthie» zweifelhaft. Und selbst dann, wenn Haydn der Komponist wäre, hieße das nicht gleichzeitig, dass er auch das Thema des Chorals erfunden hätte. Viel eher ist wahrscheinlich, dass diese Melodie in der «Feldparthie» zitiert wurde und auf ein Wallfahrtslied zurückgeht.

In jedem Fall komponierte also Brahms Variationen über ein Thema, das auch Joseph Haydn verwendete. Und unzweifelhaft ist auch, dass Brahms’ Komposition gewordener Ausdruck seiner Bewunderung für Haydns Epoche ein Meisterwerk erbrachte, in dem die Proportionen von Instrumentation, Form und Themenverarbeitung geradezu ideal gelangen. Brahms, der sich unter dem übermächtig erscheinenden Eindruck von Beethovens Symphonien in jener Zeit noch immer scheute, Symphonien zu komponieren, verschuf sich mit den «Haydn-Variationen» Sicherheit auf dem Terrain von symphonischer Orchestermusik. Gleichzeitig begründete er eine neue Form, die Orchester-Variationen, die dann besonders in Werken Max Regers, Edward Elgars und Arnold Schönbergs Fortsetzungen fanden.

Brahms stellt das Thema faktisch in der originalen Bläserbesetzung (nur das Serpent ersetzte er durch ein Kontrafagott) vor. In allen acht Variationen behält er die Grundstimmung in B bei, manchmal allerdings nach Moll abgedunkelt. Auch die Periodik des Originals verändert Brahms weitgehend nicht, dafür untersucht und verändert er gründlich die harmonischen und rhythmischen Charakteristika des Themas.

Zudem baute er das Werk in einem wirkungsvollen kleinsymphonischen Plan auf. Dieser enthält kraftvolle Orchestersätze (1. Variation mit dem für Brahms so typischen, weit ausschwingenden Streichersatz, 6. Variation mit Jagd-Charakter), scherzohafte Teile (2. Variation, 5. Variation mit bizarren Figurationen, 8. Variation mit schattenhaft vorbeihuschenden Bewegungen), lyrisch-versponnene Abschnitte (3. Variation, 4. Variation im Stile einer Prozession, 7. Variation mit pastoraler Betonung des sakralen Charakters des Themas) und gipfelt im Finale in einer stolzen Passacaglia, die zur Apotheose des Themas führt.

Der Weg zur Symphonie war frei – und im Finale seiner 4. und letzten Symphonie kehrte Brahms viele Jahre später zur Form der Passacaglia zurück.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

Johannes Brahms

Ungarischer Tanz Nr. 1 g-Moll

Sätze

  • Allegro molto

Dauer

7 Min.
Johannes Brahms

Ungarischer Tanz Nr. 6 D-Dur (Instrumentierung: Albert Parlow)

Sätze

  • Vivace

Dauer

4 Min.