Archiv: Trompetengala

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Simon Höfele, Trompete
  • Reinhold Friedrich, Trompete
  • Selina Ott, Trompete
  • Clemens Schuldt, Dirigentin

Programm

Gustav Mahler
George Gershwin
«Rhapsody in Blue» für Orchester (Bearbeitung für Trompete und Orchester: Timofei Dokshidser)
- Pause -
John Coolidge Adams
«Tromba Lontana» Fanfare für Orchester
John Coolidge Adams
«Short Ride in a Fast Machine» Fanfare für Orchester
Iain Hamilton
Konzert für Jazz-Trompete und Orchester op. 37
George Gershwin

Der Glanz der Trompete vom Barock bis zum Jazz! Eine Legende der Trompetenszene teilt sich bei dieser abwechslungsreichen Gala das Podium am Wolkenturm mit zwei Stars der jüngeren Generation: Selina Ott, 2018 die allererste Preisträgerin im Fach Trompete beim renommierten ARD-Wettbewerb in München, hat als Kremserin in Grafenegg gewissermaßen Heimvorteil; Simon Höfele ist derzeit Deutschlands junger Trompeten-Champion. Reinhold Friedrich, zeitweise beider Lehrer, verhalf dem Instrument durch sein virtuoses Spiel zu neuer Popularität.

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Felix Mendelssohn Bartholdy

«Meeresstille und glückliche Fahrt» Ouvertüre op. 27

Dauer

12 Min.

Felix Mendelssohn Bartholdy war einer der ersten Komponisten, die aus dem Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts hervorgingen. Hoch begabt und frühzeitig mit den ausreichend vorhandenen Mitteln der Familie gefördert, konnte sich der junge Felix voll entfalten. Bei Lehrern wie Carl Friedrich Zelter erlernte Felix Musiktheorie und –geschichte, der Clementi-Schüler Ludwig Berger brachte ihm die Kunst des Klavierspiels in allen Facetten bei. Bei den «Sonntagsmusiken», Konzertveranstaltungen im privaten Kreis, probierte der von Anfang an auf die Musik fokussierte Wunderknabe seine neuen Kom­positionen aus und erarbeitete sich derart sein Hand­werks­zeug.

Mendelssohns Musik haftet das Attribut des «Klassizismus» an. Der jugendliche Esprit und die Verspieltheit seiner Musik – als Beispiel sei hier die Eröffnung seiner «italienischen» Symphonie angeführt – legen den Verdacht nahe, einen geistigen Enkel Mozarts und Haydns vor sich zu haben. Wahr ist aber vielmehr, dass Mendelssohn durch und durch Romantiker war und sich nicht annähernd so stark von anderen Komponisten seiner Generation unterscheidet, wie man vermuten möchte. Das klingende Selbstbildnis, das den Blick auf eine vom Verlangen zerrissene Seele freigibt, war aber nie das Mittel seiner Wahl. Bildlich gesprochen, nahm er in jungen Jahren einen aufgeklärten Anlauf und setzte schon bald zu einem lebensbejahenden, freudig in die Zukunft blickenden Sprung an. In der Momentaufnahme dieses Sprungs zwischen Gestern und Morgen – mitten im Flug quasi – lässt sich im Großen und Ganzen die Kunstauffassung des Komponisten skizzieren.

Die beinahe fotografische Darstellung des unbeweglichen Schiffes und das allmähliche Auffrischen des Windes ist ein eindrucksvolles Beispiel einer musikalischen Naturbeschreibung. Mit der Ouvertüre «Meeresstille und glückliche Fahrt» schuf Mendelssohn den Prototyp der «Meeres»-Musik im 19. Jahr­hundert. Auch Richard Wagner griff in seiner Ouvertüre zu «Der fliegende Holländer» auf Details aus Mendelssohns Werk zurück.

Ob und wie viel Programmatisches in den Konzert­ouver­türen Mendelssohns liegt, mag einigen Diskussionsstoff abgeben. Im Fall von «Meeresstille und glückliche Fahrt» handelt es sich jedoch eindeutig um eine Komposition nach einer literarischen Vorlage. Ausgangspunkt war ein Doppelgedicht von Johann Wolfgang von Goethe, das bereits schon Schubert und Beethoven zu Kompositionen inspiriert hatte.

Anhand der beiden Gedichte lässt sich mühelos der Weg der Musik verfolgen: Die drückende Stille und die Reglosigkeit auf dem Wasser werden bereits in den ersten Akkorden ausgedrückt. Vor dem Hintergrund des Innehaltens der Natur blitzen Momente der menschlichen Hoffnung auf, der Wind möge doch endlich das Schiff antreiben. Doch die Einleitung verharrt in ihrer statischen Grundstimmung und scheint die Zeit ins Unendliche auszudehnen.

Durch die solistischen Flötentriolen angedeutet, hebt sich nun leise der Wind. Mendelssohn unterstützt die bewegte Luft durch den verstärkten Einsatz der Bläser. Die folgenden überleitenden Takte spannen eine Feder, die rasch das fröhliche D-Dur-Thema freisetzen und eine Gesamtbewegung in Gang setzen, die sowohl das große Schiff als auch die darauf befindlichen Menschen antreibt. Spannung erzeugen auch das punktierte Motiv und Synkopen, die in krassem Gegensatz zum Phlegma der Einleitung stehen. Die Durchführung verarbeitet das punktierte Thema in vielfältiger Weise und greift schließlich wieder auf den statischen Anfang des Werks zurück. Eine festliche Fanfare signalisiert die Ankunft des Schiffes im Hafen – die letzten drei Akkorde aber gehören wieder dem Meer und dem Wind. In der Romantik steht die Natur eben über allem.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore

Johann Nepomuk Hummel

Konzert für Trompete und Orchester E-Dur

Sätze

  • Allegro con spirito

  • Andante

  • Rondo

Dauer

18 Min.

Johann Nepomuk Hummel kam als Klavier spielender Wunderknabe in die pädagogischen Hände eines ehemaligen «Wunderknabenkollegen», Wolfgang Amadeus Mozart. Hummel, der zunächst in seiner Geburtsstadt Preßburg eine gründliche Musikausbildung bei seinem Vater, einem österreichischen Militärmusikmeister, erhielt, übersiedelte 1786 mit der Familie nach Wien, wo der Vater eine Anstellung als Kapellmeister an Emanuel Schikaneders Freihaustheater antrat – und der Sohn Unterricht bei Mozart erhielt, zeitweise sogar in dessen Haus wohnte. Zwei Jahre lang kümmerte sich der Salzburger Komponist um den überaus begabten jungen Musiker und konnte ihn schließlich mit gutem Gefühl in die internationale Musikwelt entlassen. Zwischen 1788 und 1793 unternahm Johann Nepomuk Hummel, begleitet von seinem Vater, Konzerttourneen durch Europa bis nach Dänemark und England.

Als schließlich wieder Wien sein Lebensmittelpunkt wurde, war Mozart schon tot. Hummel, inzwischen 15 Jahre alt, setzte seine musikalischen Studien bei Johann Georg Albrechtsberger (dem Beethoven-Lehrer), Antonio Salieri (dem späteren Schubert-Lehrer) und bei Joseph Haydn fort. Der Kontakt zu Haydn sollte sich für die berufliche Zukunft Hummels als wichtig erweisen, wurde er doch 1804, zunächst als Stellvertreter des schon etwas altersschwachen Komponisten, Kapellmeister beim Fürsten Esterházy. Später wirkte Hummel in der angesehenen Position eines Hofkapellmeisters in Stuttgart und in Weimar. Als Klaviervirtuose erlangte Hummel eine große Popularität und Anerkennung, sein Spiel und auch seine pädagogischen und kompositorischen Veröffentlichungen blieben nicht ohne maßgeblichen Einfluss auf die folgende Pianistengeneration mit Frédéric Chopin und Franz Liszt an der Spitze. Hummel war ein Mittler zwischen den Epochen der Klassik und Romantik, das kompositorische Schaffen, das er vor allem für Klavier (zahlreiche Sonaten und Konzerte) hinterließ, ist zum Teil noch stark geprägt vom klassischen Formenkanon und Tonfall, zum Teil brach er aber mit virtuosem Anspruch und brillanter Geste auch schon in die Frühromantik auf, manchmal geriet er dabei schon in die Nähe Carl Maria von Webers. Aber da er nicht mehr wirklich Klassiker und noch nicht wirklich Romantiker war, blieb vieles unentschieden.

Mozart war für Hummel zeitlebens ein Leitstern. Seinem frühen kompositorischen Schaffen, zu dem auch das Trompetenkonzert E-Dur zählt, ist so manche Erinnerung an Mozart anzuhören. Das Trompetenkonzert eröffnet im ersten Satz mit einem Motiv aus Oktavsprung und punktiertem Tonsymbol, wie man es aus Mozarts «Haffner-Symphonie» im Ohr hat, zumal es Hummel beim zweiten Einsatz ebenfalls um einen Halbton versetzt wiederholt. Im langsamen Satz wiederum leiten Bläserfanfaren wie aus dem Sarastro-Reich der «Zauberflöte» von dem für Vater und Sohn einst so maßgeblichen Künstlerduo Schikaneder/Mozart zum schmissigen Rondofinale über. In diesem Finale kann man durchaus eine Reminiszenz an die Militärmusik, mit der der Vater in Verbindung gestanden war, erkennen.

Aber vor allem nimmt Hummels Trompetenkonzert eine historische Stellung für die konzertante Entwicklung des Soloinstruments ein. In Wien wirkte damals mit Anton Weidinger (1767–1852) ein überaus vifer Trompetenvirtuose, der alles daransetzte, dass man auch wirklich alle Töne auf seinem Instrument spielen könne und nicht, wie auf der nach wie vor im Einsatz stehenden Naturtrompete, manche Töne auslassen müsse. Also tüftelte der Wiener Hoftrompeter einen Klappenmechanismus aus, mit dem er schließlich die spieltechnischen Grenzen der Naturtrompete überwinden konnte. Jeder Ton war nun möglich – und nach Joseph Haydn, der als erster Komponist den Auftrag erhielt, ein Konzert für das neue Instrument und seinen Erfinder und Spieler zu schreiben, komponierte wenige Jahre später auch der Haydn-Stellvertreter Hummel ein Konzert für Weidinger, das in engem Zusammenwirken mit dem Trompeter hinsichtlich des Soloparts entstand. Die Uraufführung fand am Neujahrstag 1804 im Rahmen einer Tafelmusik in Wien statt.

Auch wenn das Werk natürlich auf die virtuosen Vorzüge des Soloinstruments abgestimmt ist, so kann man es doch nicht als reines Virtuosenkonzert bezeichnen, vielmehr besitzt es großen Charme und ist sehr gehaltvoll. Alleine die Kontrastwirkungen der beiden Themen im Kopfsatz – dem erwähnten «Haffner-Thema» und einem von marschartigem Beginn in Beschaulichkeit übergehenden Seitenthema – sind überaus reizvoll. Harmonische Ausflüge wie in der Durchführung des ersten Satzes und ein origineller Minore-Teil im Finalrondo sorgen für viel Spannung nicht zuletzt im Tonartenverlauf. Im Finale darf der Solist aber auch eine Reihe technischer Raffinessen ausspielen, bis hin zu einer Kette aus Trillern, Vorschlägen, Halbtonschritten und Figurationen.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

Gustav Mahler

«Blumine»

Sätze

  • Andante

Dauer

8 Min.

Entstehung

1884

Gustav Mahler war in seinen zwei Jahren als 2. Kapellmeister  am Hoftheater von Kassel nicht nur für das Dirigieren des Opernrepertoires zuständig, sondern musste darüber hinaus die Schauspielaufführungen musikalisch betreuen. Damit war auch das Arrangieren von Ouvertüren und Zwischenaktmusiken für die Sprechtheaterstücke und gelegentlich die Komposition von Schauspielmusik verbunden. Als in Kassel eine dramatisierte Fassung von Joseph Victor von Scheffels Epos «Der Trompeter von Säkkingen» auf die Bühne kam, schuf Mahler eine 1884 mit dem Schauspiel uraufgeführte, vom Publikum positiv aufgenommene Begleitmusik.

Ein Stück daraus bildet das Ständchen, das der Trompeter Werner der Angebeteten namens Margareta darbringt, «in der Mondnacht nach dem Schlosse, wo Margareta wohnt, über den Rhein hinüber geblasen», wie es in einer zeitgenössischen Schilderung heißt. Die serenadenhafte Melodie der Trompete korrespondiert im Verlauf des Stückes mit einem Oboen-Gesang, woraus sich die romantische Zusammenkunft von Werner und Margareta ableiten lässt. Mahler bezeichnete den Satz gegenüber seiner Vertrauten Natalie Bauer-Lechner einmal als «Liebesepisode».

In Kassel entstand aber nicht nur diese Begleitmusik, sondern auch Mahlers erste ernsthafte Komposition, die sich einen Platz im Konzertrepertoire erobern konnte: Die «Lieder eines fahrenden Gesellen», deren Komposition auch mit einer Liebesaffäre des Musikers mit der in Kassel engagierten Sängerin Johanna Richter in Verbindung gebracht wird und deren musikalisches Material dann in seine 1888 komponierte 1. Symphonie einfloss. Aber auch ein Stück leichterer Muse aus Kassel fand zunächst Platz in der Symphonie: das dort als «Blumine» titulierte Ständchen aus dem «Trompeter von Säkkingen».

Mahler konzipierte die Symphonie ursprünglich als «Tondichtung in Symphonieform». Nach der erfolglosen Uraufführung des Werkes 1889 in Budapest wagte Mahler erst vier Jahre später eine neuerliche Aufführung, nunmehr in Hamburg, wo er inzwischen als erster Kapellmeister am Stadttheater engagiert war. Das Autograph dieser revidierten Hamburger Version nennt das Werk nunmehr «Symphonie», gibt aber gleichzeitig immer noch ein «Programm» in Anlehnung an den Roman «Der Titan» des von Mahler bewunderten Dichters Jean Paul wieder. Der erste Teil «Aus den Tagen der Jugend» enthält drei Sätze: «Frühling und kein Ende», «Blumine» und «Mit vollen Segeln»; der zweite Teil «Commedia humana» hat zwei Sätze: Todtenmarsch in «Callots Manier» und «Dall Inferno al Paradiso».Nach dem Erfolg der Hamburger Aufführung war Mahler ermutigt, das Werk dem damals in Weimar als großherzöglich-sächsischer Kapellmeister tätigen Richard Strauss für eine Aufführung anzubieten, die dann 1894 beim Tonkünstlerfest Weimar erklang, neuerlich in fünfsätziger Form. Doch die Kritik reagierte großteils mit Unverständnis, weniger auf die Musik, als auf das ihr beigebene Programm. Der «Blumine»-Satz wurde in einer Kritik als «trivial» verurteilt. Bei der nächsten Aufführung 1896 ließ Mahler dann nicht nur das Programm weg, sondern auch die «Blumine». Fortan war die 1. Symphonie ein viersätziges Werk.

Die «Blumine» wurde erst 1967 durch eine Drucklegung in der US-amerikanischen Theodor Presser Company der Öffentlichkeit wieder zugänglich, seither gab es zahlreiche Aufführungen des Satzes, aber nur selten innerhalb der 1. Symphonie, da diese von Mahler in ihrer endgültigen Form als viersätzig festgelegt worden war. Interessant ist aber, dass sich das zweite Thema des Symphonie-Finales auf den «Bluminen»-Satz bezieht.

Auch sonst birgt der Satz, auch wenn er tatsächlich ziemlich einfach gestrickt ist, so manche wertvolle Mahlersche Substanz: In der Instrumentierung kann man schon Vorwegnahmen von Passagen der 2. Symphonie entdecken, und die Trompetenweise erscheint in ihrer Stimmung schon ein wenig die Posthorn-Episode aus der 3. Symphonie anzukündigen. In der einzigen expressiven Verstärkung des Satzes spürt man auch, dass sich Mahler als Student mit Bruckners Symphonik beschäftigte.

Neben der Trompete und der Oboe kommen auch noch dem Horn Soloaufgaben zu, während die Streicher und Harfen den Satz zart und mitunter nur schemenhaft begleiten. Die «Blumine» kann trotz ihrer Sentimentalität eine zauberhafte Wirkung entfalten.

© Rainer Lepuschitz | Tonkünstler

André Jolivet

Konzert für Trompete und Orchester Nr. 2

Sätze

  • Mesto

  • Concitato

  • Grave

  • Giocoso

Dauer

14 Min.

Entstehung

1954
George Gershwin

Cuban Overture

Dauer

10 Min.

Entstehung

1932

George Gershwin hatte eigentlich den Namen Jakob und war ein Sohn eines russischen Einwandererehepaares. Der Vater trug noch den Familiennamen Gershovitz, als er Ende des 19. Jahrhunderts, aus St. Petersburg kommend, in New York amerikanischen Boden betrat. Einer der Vorfahren Gershwins war Rabbiner. Jakob, der von allen George gerufen wurde, flitzte als Kind mit Rollschuhen durch die Straßen von New York. Es waren die fahrbaren Untersätze, die ihn zur Musik trugen. Bei einem Ausflug in die 125th Street in Harlem entdeckte der sechsjährige Bub einen Musikautomaten, der nach Einwurf einer Münze beliebte Musikstücke wiedergab. Das erste, was George Gershwin zu hören bekam, war die populäre «Melodie in F» des russischen Komponisten und Pianisten Anton Rubinstein. Die russische Kantilene weckte die musikalische Empfindung des New Yorker Knaben mit russischen Vorfahren. Er begann wie selbstverständlich auf dem von der Mutter angeschafften Klavier zu spielen, erhielt eine klassische Ausbildung am Klavier durch einen Musiker namens Charles Hambitzer, hörte berühmten Pianisten wie Leopold Godowsky in Konzerten zu, entwickelte aber gleichzeitig eine Leidenschaft für kurze, eingängige Melodien wie jene von Rubinstein und begann als 15-Jähriger, Songs nach dem Vorbild von Irving Berlin und Jerome Kern zu schreiben.

In die musikalische Lehre ging George Gershwin an keinem Konservatorium, sondern in der legendären Tin Pan Alley zwischen Broad-way und 5th Avenue in Manhattan. Er heuerte bei einem der vielen dort ansässigen Musikverlage als so genannter Song Plugger an. Ein harter Job – der Song Plugger musste die neuesten Schlager auf dem Klavier Interessenten (Sängern, Instrumentalisten, Kapellmeistern) vortragen, damit diese die Noten kauften und die Rechte zum Vortrag erwarben. George Gershwin war gewissermaßen eine lebendige Music Box, der Melodien von Berlin, Kern, Sousa und Hammerstein aus dem Handgelenk schüttelte und dabei das Gespür für den wirkungsvollen Aufbau und Verlauf einer Melodie bekam. Der junge Mann knüpfte Kontakte mit Komponisten und mit aufstrebenden darstellenden Künstlern wie dem Geschwisterpaar Fred und Adele Astaire.

Ein Song machte den jungen Gershwin über Nacht in ganz Amerika und auch in Großbritannien berühmt: «Swanee», verbreitet vom bekanntesten Broadway-Showman, Al Jolson. Gershwin war damals 21 und bereits mit dem Musical «La La Lucille» auf dem Broadway gelandet. Rund 25 weitere Musicals ließ er in den nächsten 15 Jahren folgen, darunter «Lady, Be Good», «Show Girl», «Girl Crazy» oder «Strike Up The Band». In den Orchesterensembles wirkten herausragende Musiker wie der Klarinettist Benny Goodman, der Posaunist Glenn Miller und der Schlagzeuger Gene Krupa mit. Die Musicals gerieten in Vergessenheit, Songs daraus überlebten und wurden zum Teil zu Jazz-Standards.

Die Musikgeschichte aber wirbelte Gershwin gehörig auf, indem er seine kompositorische Begabung bald auch dem klassischen musikalischen Formenkanon angedeihen ließ. Im Februar 1924 kündigte der «King of Jazz», wie der Bandleader Paul Whiteman genannt wurde, für einen Abend unter dem Titel «Was ist amerikanische Musik?» in der Aeolian Hall in New York eine Komposition des 26-jährigen Gershwin für Jazzband und Piano an. Gershwin, ein begnadeter Rag-Pianist, der leidenschaftlich gerne bei Partys am Klavier improvisierte, spielte nun seine «Rhapsody in Blue» vor einem überaus prominenten Publikum, darunter die Komponisten Sergej Rachmaninow und Ernest Bloch, der Geiger Fritz Kreisler und die Dirigenten Willem Mengelberg, Leopold Stokowski und Walter Damrosch. Die Uraufführung der Rhapsodie, die der Arrangeur der Whiteman-Band, Ferde Grofé, für ein 23 Personen starkes Orchester instrumentierte, geriet zur Sensation. Amerika, dessen Konzertleben hauptsächlich von europäischen Interpreten und Werken geprägt war, feierte in Gershwin ein junges «amerikanisches Originalgenie».

Intuitiv bewegte sich Gershwin fürderhin mit sicherer Hand durch die Genres der Konzertmusik. Der «Rhapsody in Blue» ließ er innerhalb weniger Jahre Orchesterstücke wie «An American in Paris» und die «Cuban Overture» sowie weitere Werke für Klavier und Orchester, das Concerto in F, die «Second Rhapsody» und die «I got rhythm»-Variationen folgen. Sein Ruhm als Komponist verbreitete sich rasant. Auch in der alten Welt brachte man dem jungen Amerikaner Anerkennung entgegen, wie er bei Reisen durch Europa in Paris, London, aber auch in Berlin und Wien feststellen konnte. Es kam zu Begegnungen mit Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Kurt Weill, Alban Berg, Maurice Ravel, Igor Strawinski, Francis Poulenc, Darius Milhaud, Arthur Honegger und Sergej Prokofjew.

Gershwin sog begierig musikalische Eindrücke aus Europa auf. Er hörte Streichquartettmusik von Schönberg und Berg, erlebte in Wien Kreneks Oper «Jonny spielt auf» – und wollte Unterricht bei Ravel, Strawinski und Nadja Boulanger nehmen, da er das Gefühl hatte, noch keine «seriöse» musikalische Ausbildung erfahren zu haben. Ravels Reaktion, dass es ein «erstklassiger Gershwin» doch nicht nötig habe, ein «zweitklassiger Ravel» werden zu wollen, ist symptomatisch für den Respekt, mit dem man dem unverwechselbaren musikalischen Stil Gershwins begegnete.

Als Gershwin im Februar 1932 bei einem Urlaub in Kuba Volksmusik mit dem Einsatz typischer Perkussionsinstrumente hörte, wurde er zur Komposition eines Orchesterstückes angeregt. Er bezog Bongos, Maracas (Rasseln), Guiro (eine Art Ratsche) und Claves (zwei aufeinander geschlagene Holzstöcke) in das neue Werk ein, das auf dem Rhythmus der Rumba basiert und ursprünglich auch den Namen des Tanzes als Titel tragen sollte, dann aber in «Cuban Overture» umbenannt wurde. Laut einer Angabe Gershwins auf der Titelseite der Partitur sollen die Musiker mit den genannten Perkussionsinstrumenten vor dem Orchester Aufstellung nehmen – er wollte damit noch akustische Vorteile erzielt wissen, aber auch die Besonderheit der Instrumente optisch herausstellen.

Heftig bewegte Rahmenteile mit demselben thematischen, im ersten Abschnitt polyphon aufgefächerten und im dritten Abschnitt wirkungsvoll verdichteten musikalischen Material umgeben einen ruhigeren Mittelteil, in dem ein Kanon ausgebreitet wird. Polytonale Behandlung der Melodik und vertrackte rhythmische Passagen weisen die «Cuban Overture» als sehr fortschrittliche Komposition aus. Sie reißt aber unmittelbar mit und erweist sich wahrhaft als das, was Gershwin mit ihr verwirklichen wollte: das «Wesen des kubanischen Tanzes zu verkörpern». Die Uraufführung fand noch im Sommer 1932 bei einem Open-air-Konzert im Lewisohn-Stadion von New York vor fast 18.000 Zuhörern statt. Gershwin zog die Massen an. Ein Popstar.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz