Archiv: Veronika Eberle und Toshio Hosokawa

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Veronika Eberle, Violine
  • Alexander Liebreich, Dirigent

Programm

Toshio Hosokawa
Konzert für Violine und Orchester
- Pause -

Schönheit ist eine Kategorie, die im Werk des Japaners Toshio Hosokawa eine große Rolle spielt – seit seinen frühen Anfängen als Komponist ist er ihr akribisch auf der Spur. Viele seiner Kompositionen, die von den besten Orchestern der Welt aufgeführt werden, schöpfen Kraft aus der Natur. Als Composer in Residence beim Grafenegg Festival präsentiert sich Toshio Hosokawa mit einem neuen Violinkonzert, ein gemeinsames Auftragswerk internationaler Konzertanbieter und Orchester. Solistin ist die renommierte Geigerin Veronika Eberle. Der zweite Teil des Abends gehört Ludwig van Beethovens «Eroica» – passenderweise, denn das Hornmotiv des Trios aus dem Scherzo der dritten Symphonie lieferte bekanntlich die Pausenfanfare für Grafenegg.

Statt der ursprünglich für das Konzert angekündigten Dirigenten Toshio Hosokawa und Yutaka Sado wird Alexander Liebreich dirigieren.

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Carl Maria von Weber

Ouvertüre zur Oper «Oberon»

Sätze

  • Adagio sostenuto ed il tutto pianissimo possibile - Allegro con fuoco

Dauer

9 Min.

Entstehung

1826

Carl Maria von Weber war bereits schwer an der Schwindsucht erkrankt, als er im Winter 1826 nach London reiste, um an der Oper von Covent Garden die Uraufführung seiner Oper «Oberon» vorzubereiten. Nach Webers 1821 in Berlin uraufgeführtem Geniestreich «Der Freischütz» und einem Erfolg mit «Euryanthe» in Wien 1823 wollte auch London eine Oper des gefeierten Komponisten und Königlichen Kapellmeisters von Dresden haben. Weber, der noch im Umfeld der Wiener Klassik aufwuchs und u. a. bei Michael Haydn in Salzburg und Abbé Vogler in Wien studierte, wurde mit seinen Musiktheaterwerken zum Begründer der romantischen deutschen Oper und Wegbereiter für Wagners Musikdrama. Dabei darf man nicht übersehen, dass Weber vor seinem Wirken als Operndirektor in Prag und Dresden und seinen kompositorischen Opernerfolgen eine beachtliche Laufbahn als Konzertpianist eingeschlagen und Instrumentalmusik wie Sonaten, Charakterstücke und Konzertstücke für Klavier sowie Symphonien komponiert hatte. Es war dann auch seine Orchestersprache, die durch ein besonders differenziertes Klangfarbenspektrum und anschauliche Instrumentierung zu einem eigenständigen dramaturgischen Faktor der Opern wurde.

Überwältigend, wie in der «Oberon»-Ouvertüre nach der geheimnisvollen und flirrenden Einleitung der Allegro-Jubel losbricht. Das Kernmotiv von Oberons Hornruf am Beginn verbindet in der Folge insgesamt sieben verschiedene Themen aus der Oper. Der Ursprung des Hornmotivs zeigt, wie sorgfältig Weber die musikalische Stimmung seiner Opern plante und vorbereitete. Um die Welt des Orients in der Geschichte von «Oberon» musikalisch adäquat zu erfassen, arbeitete er originale arabische Themen ein, die er in musikwissenschaftlichen Abhandlungen fand. Die markante aufsteigende Terz aus einem ägyptischen Marsch und einem türkischen Tanz machte Weber zum typischen Signal von Oberons Hornruf.

Der Elfenkönig Oberon «inszeniert» nach einem Streit mit seiner Gattin Titania, ob denn nun Männer oder Frauen in der Liebe treuer seien, eine Liebesgeschichte, die den Ritter Hüon von Bordeaux nach Bagdad führt, wo er die Kalifentochter Rezia entführt und freit. Das Paar wird durch Oberons Zutun in zahlreiche kritische Situationen gebracht, doch die Beiden bleiben einander trotz aller Ablenkungsmanöver und Trennungen treu. Am Ende sind sie glücklich vereint und Oberon und Titania ziehen in friedlicher Gemeinsamkeit auf einer Wolke vorüber. Musikalischer Höhepunkt der Oper ist zweifellos Rezias Ozeanarie, in der sie die Verwandlung des Meeres von einem stürmischen Ungeheuer zu einem im Sonnenlicht strahlenden Wellenkreis schildert. Harmonik und Motivsymbolik bereiten in dieser Arie bereits Wagners Musiksprache vor. Die Thematik von Rezias Jubel nimmt Weber als effektvollen Schluss in der Ouvertüre vorweg.

Auch «Oberon» wurde zu einem Triumph für Weber, der über die Stimmung bei der Premiere am 12. April 1826 an seine Frau, die Sängerin Caroline Brandt, schrieb: «Wie ich ins Orchester trat, erhob sich das ganze überfüllte Haus und ein unglaublicher Jubel, Vivat- und Hurra-Rufen, Hüte- und Tücher-Schwenken empfing mich und war kaum wieder zu stillen.» Wenige Wochen später starb Weber entkräftet in London. 1844 veranlasste Richard Wagner die Überführung von Webers sterblicher Hülle nach Deutschland und die Beisetzung in Dresden.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»

Sätze

  • Allegro con brio

  • Marcia funebre. Adagio assai

  • Scherzo. Allegro vivace - Trio

  • Finale. Allegro molto

Dauer

50 Min.

Entstehung

1802/03

Ludwig van Beethovens «Eroica» wird bis heute mit einer Anekdote in Verbindung gebracht: Als der Komponist davon erfuhr, dass sich Napoleon zum Kaiser krönte, zerriss er wütend die Titelseite der Partitur der Symphonie Es-Dur, auf der eine Zueignung des Werkes an «Bonaparte» stand. So schilderte es der Beethoven-Schüler Ferdinand Ries in einer Publikation, die 1838, also mehr als drei Jahrzehnte nach dem vermeintlichen Vorfall, erschien.

Tatsächlich stand ursprünglich auf einer Kopistenabschrift der im Autograph verschollenen Partitur: «Sinfonia grande/ intitolata Bonaparte». Außerdem findet sich noch ein handschriftlicher Vermerk Beethovens auf dieser Abschrift: «Geschrieben auf Bonaparte.» In einem Brief an den Verlag Breitkopf & Härtel im August 1804 vermerkte Beethoven: «Die Symphonie ist eigentlich betitelt Bonaparte.» In keinem der drei schriftlichen Zeugnisse ist von einer Widmung die Rede.

Der Rheinländer Beethoven bekam 1789 als 19jähriger ganz nahe an der französischen Grenze die Revolution im Nachbarland mit. In einem Alter, in dem das politische Bewusstsein geprägt wird, erlebte Beethoven den Befreiungskampf des Bürgertums. Einige Jahre später, als Napoleon auf den Plan trat, war Beethoven bereits in Wien. Ein eindeutiges Bekenntnis von ihm zu Napoleon findet man aus jener Zeit nicht, es wäre in der Habsburger-Monarchie wohl auch nicht unbedingt klug gewesen. Hingegen war Beethoven Mitglied des «Corps der Freiwilligen», das 1897 zur Verteidigung Wiens aufgestellt wurde, als Napoleons Truppen bereits in die Steiermark vorgedrungen und nur mehr wenige Fußmärsche von der Hauptstadt entfernt waren. Damals komponierte Beethoven ein «Kriegslied der Österreicher». 1801 wirkte er dann in einem Benefizkonzert zum «Vorteil der verwundeten Soldaten der k. k. Armee», also der österreichischen Truppen, mit. Zwei Jahre später, als England Frankreich den Krieg erklärte, komponierte Beethoven Klaviervariationen über «God save the King» und über das Nationallied «Rule Britannia».

Wenige Monate später hieß es aber dann in einem Brief von Ries an den Verleger Simrock, in dem er die Symphonie als das «bisher größte Werk, welches Beethoven schrieb», anpries: «Er [Beethoven] hat viel Lust, selbe [die Symphonie] Bonaparte zu dedizieren, wenn nicht, weil Lobkowitz sie auf ein halb Jahr haben und 400 Gulden geben will, so wird sie Bonaparte genannt.» Da ist eindeutig von einer Widmung die Rede. Allerdings mit dem Vorbehalt, dass Beethoven das Werk eigentlich dem österreichischen Fürsten Franz Joseph von Lobkowitz zueignen wolle, da dieser etwas für das Werk bezahlen würde. Kurz gesagt: Die Aussicht auf ein ansehnliches Honorar wog mehr als eine politisch bekennende Widmung.

Schließlich gibt vor allem die Symphonie selbst, also die Musik, Auskunft über ihre Intention. Heldenmusiken waren zur Zeit der Entstehung der «Eroica» en vogue. So komponierte etwa Beethoven in seiner 1802 entstandenen Klaviersonate op. 26 als langsamen Satz eine «Marcia funebre sull a morte d’un Eroe». War das Heldengedenken schon hier allgemein gehalten, so stand dann letztlich auch über der Symphonie Nr. 3 folgender Titel: «Sinfonia Eroica, composta per festeggiare il sovvenire di un grand’ Uomo». Eine Zeit lang war für Beethoven vielleicht Napoleon als Konsul im revolutionären Frankreich dieser «Grand’ Uomo», aber er verehrte zu bestimmten Zeiten auch andere Feldherrn, wie wir aus zeitgenössischen Quellen wissen, und zwar Gegner Napoleons: Lord Nelson und den 1801 in der Schlacht von Alexandria im Kampf gegen die Franzosen gefallenen General Abercrombie. Angeblich hat sogar dessen Tod Beethoven zur Komposition des Trauermarsches der 3. Symphonie inspiriert. Wenn also einmal geplant war, die Symphonie «Bonaparte» zu betiteln, so hätte dies ja auch bedeuten können, dass mit dem Werk Bezug genommen wird auf die Ereignisse, die sich in Zusammenhang mit Bonaparte zutrugen. Also eine Symphonie für die «Helden» aller Nationen, nicht nur einer Seite.Ja, der «heroische» Charakter des Werkes kann durchaus auch einer allgemeinen philosophischen Betrachtung gleichkommen, wenn man die Verwendung eines Themas aus Beethovens Ballettmusik zu «Die Geschöpfe des Prometheus» im Finale der «Eroica» in Betracht zieht – eine Beziehung zum Mythos des Helden Prometheus wird also musikalisch hergestellt. Die Würdigung des Heldentums ging bei Beethoven später in einen engagierten Humanismus über, von der 5. Symphonie bis zur Ode «Alle Menschen werden Brüder» in der 9. Symphonie. Die ursprünglichen Ziele der Französischen Revolution wurden zu allgemein gültigen Idealen von aufgeklärten Menschen – Beethoven zitierte in mehreren späteren Werken französische Revolutionsmusiken, die für ihn zu Klangsymbolen des Freiheitsbewusstseins geworden waren.

Mit der Symphonie Nr. 3 stieß Beethoven, wenn man so will, heldenhaft das Tor in die musikalische Zukunft weit auf. Kein Instrumentalwerk bis dahin hatte solche Dimensionen, was die Länge, die Dynamik und den formalen Aufbau anbetrifft.Das «Heroischste» an der Symphonie ist der 2. Satz, die «Marcia funebre». Noch nie war ein Trauermarsch explizit in eine Symphonie aufgenommen worden. Bedenkt man, dass die erste Entstehungsphase der Symphonie in die Zeit von Beethovens «Heiligenstädter Testament» fiel, so trägt diese Musik durchaus auch persönliche Züge. Durch die zunehmende Ertaubung spürte Beethoven, der bis dahin hauptsächlich von seinen Einkünften als Klaviervirtuose lebte, eine starke existentielle Bedrohung. Er rang mit dieser Musik um sein Leben als Komponist.

Beethoven weitet den üblichen Trauermarsch-Duktus in diesem 2. Satz zu gigantischen symphonischen Dimensionen aus. Auf den c-moll-Trauerzug folgt ein nach Dur aufgehellter Trioteil mit einem von der Oboe angestimmten, tröstlichen Holzbläsergesang, der sich zu triumphalen Kundgebungen des ganzen Orchesters steigert. Aus dem wiederkehrenden Trauermarsch erheben sich die Hörner mit einem edlen Motiv. Dann passiert etwas Erschütterndes: Auf eine einsame Passage der ersten Violinen mit dem Trauermarschthema bricht plötzlich in voller Wucht das ganze Orchester aus. Drohende Fanfaren verheißen nichts Gutes, in der folgenden Reprise geht der Marsch in verzweifelte Dissonanzen über. Danach zerfällt der Trauermarsch langsam und leise.

Der Beginn der Symphonie mit seinen zwei Es-Dur-Schlägen verkündet Großes. Es spricht aber für Beethoven, dem vordergründiges Pathos fremd war, dass das Hauptthema im 1. Satz der «Eroica» so gar nicht heroisch ist, sondern ein einfaches pastorales Motiv im tänzerischen Dreivierteltakt – eindeutig ist das Thema mit dem Ouverturen-Auftakt zu Mozarts Schäferspiel «Bastien und Bastienne» ident. Allerdings versetzt Beethoven dieses Thema im Verlaufe des Satzes in totale Hochspannung. Der anfangs beschwingte Dreivierteltakt entpuppt sich in diversen Durchführungsteilen als Konfliktpotential, wenn plötzlich der zweite Taktteil durch Sforzati betont wird und zu unheimlichen Steigerungen führt.Im Übrigen: so lange wie in der «Eroica» war noch in keinem symphonischen Kopfsatz davor die Durchführung. Die Auseinandersetzung mit dem thematischen Material gewinnt enorm an Gewicht, ja Beethoven bringt in der Durchführung sogar noch ein neues Thema ein und weitet danach die Koda zu einer zweiten Durchführung aus, in der über nunmehr heiter-verspielten Begleitfloskeln das Hauptthema zur Apotheose, aber zu keinem Abschluss geführt wird. Denn das Thema hat keine eindeutige Schlusswendung, also lässt es Beethoven am Ende auch offen und unaufgelöst stehen. Erst zwei Es-Dur-Schläge beenden den Satz so, wie sie ihn begonnen haben.

Diese Offenheit des Harmonischen und Thematischen fällt auch im 3. Satz, dem Scherzo, auf. Nicht weniger als 92 Takte lang lässt Beethoven das aus motorischen Motivteilen bestehende Themenfeld harmonisch im Unklaren, dadurch baut sich eine faszinierende Spannung aus Ungewissheit auf. Dann aber bricht der Satz in strahlendem Es-Dur los. In diesem Satz im Dreivierteltakt fällt neuerlich mehrmals die Betonung des zweiten Taktteils auf. Beethoven bürstet den Rhythmus also auch hier gegen den Strich. Davon lassen sich freilich die Hörner, wenn sie im Trio zur Jagd blasen, nicht beirren.

Das Finale setzt mit großer Geste ein. Was folgt, ist eine zuhöchst komplexe Mischung aus Variationsform, Rondo, Sonatensatzelementen und – wohl in Anknüpfung an Mozarts «Jupiter»-Finale – Fugenabschnitten. Nur: Man hört der Musik diese Komplexität nie an. Vielmehr schafft Beethoven aus dem in großen Intervallen springenden Ostinatomotiv und dem «Prometheus»-Thema eine zwingende Abfolge von verschiedenen Sichtweisen auf die thematischen Gegenstände. Wie schon im 1. Satz dominiert wieder ein tänzerischer Grundzug, hier durch das Ballettthema des «Prometheus», eines Kontretanzes, der im Mittelteil des Satzes auch noch mit einem forschen Tanzthema des ungarischen Vérbunkos verschmolzen wird.

Mit einem Mal bricht dann die vorwärtsdrängende Musik ab, um einer zärtlich-expressiven Entfaltung des «Prometheus»-Themas durch die Oboe Platz zu machen. Es klingt, wie eine Besinnung auf stille Helden. Daraus entwickelt sich eine feierliche, getragene Steigerung, in der die Hörner das Thema glanzvoll über das Orchester stellen, in der aber auch noch einmal von Ferne die dissonante Welt des Trauermarsches anklingt. Doch dann fegt ein wirbelndes Schluss-Presto alle Bedrohung und Zweifel, aber auch alle Feierlichkeit weg. Der Held ist am Ende ausgelassen.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz