Archiv: Wasser.Fest

St. Pölten Festspielhaus Großer Saal Festspielhaus | Großer Saal

Interpreten

  • Kai Strobel, Schlagzeug
  • Axel Petri-Preis, Konzeption
  • Norbert Chmel, Lichtdesign
  • Bibiana Nwobilo, Sängerin
  • Kiril Stankow, Dirigent

Programm

Johanna Doderer
«Der große Regen» für Orchester
Sven Daigger
«Meeresbrandung» für Sopran und Orchester

 

In diesem multimedialen Konzerterlebnis dreht sich alles um das Wasser und die Naturgewalten! In Johanna Doderers Komposition «Der große Regen» ist das Wasser ein innerer Regen, ein alles überschwemmender musikalischer Gedanke. Der junge deutsche Komponist Sven Daigger vertonte ein Gedicht von Christian Morgenstern, das die zerstörerische Kraft des Meeres heraufbeschwört. Und Avner Dorman, einer der wichtigsten Vertreter der zeitgenössischen Musik Israels, widmete sein spektakuläres Schlagzeugkonzert «Frozen in Time» der Entstehung der Kontinente. Umrahmt wird das Programm von Projektionen und Lichteffekten, die das Festspielhaus in einen audiovisuellen Erfahrungsraum verwandeln.

 

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Tan Dun

«Water Concerto for Water Percussion and Orchestra»

Dauer

27 Min.

Entstehung

1998

Im «Water Concerto for Water Percussion and Orchestra – In Memory of Toru Takemitsu» setzt Tan Dun das flüssige Element als musikalisches Material ein, wodurch es sich in seine Werkreihe der «Organischen Musik» reiht – unter diesem Begriff vereint der Komponist Werke, in deren Mittelpunkt er natürliche Elemente wie Wasser, vom Menschen gefertigte Stoffe wie Keramik und Papier, aber auch Kreativität stellt. Stets sind wir von den alltäglichen Geräuschen dieser Materialien umgeben, doch schenken wir ihnen in den meisten Fällen kaum Aufmerksamkeit. Tan Dun möchte diesem Zustand Abhilfe verschaffen. Während er in Werken wie der «Ghost Opera» Wasser, Keramik und Papier kombiniert, konzentriert er sich im «Paper Concerto», «Earth Concerto» und im «Water Concerto» jeweils auf ein einziges Material. Wasser hat dabei für den Komponisten insofern eine besondere Bedeutung, als es gleichermaßen Vergänglichkeit wie Ewigkeit darstellt. Denn durch die verschiedenen Zustände, in die das Wasser übergehen kann, versinnbildlicht es die Wiedergeburt. Folglich verwundert es nicht, dass Tan Dun das Werk seinem 1996 verstorbenen Mentor Toru Takemitsu widmet, der ihn zur Verwendung des Wassers als musikalisches Mittel animiert haben mag. An der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Welten waren bzw. sind beide Komponisten stets be­müht, denn ihr Schaffen ist durch die Zusammenführung von östlichem und westlichem Gedankengut geprägt. Dabei ist das Wasser für Tan Dun wesentlich, da es sich durch nationale Grenzen nicht einschränken lässt. Das Spritzen des Wassers verweist dazu auf das ausgelassene daoistische Neujahrsritual im April, bei dem sich die Menschen gegen­seitig mit dem kühlen Nass aus Kübeln bespritzen, was Reich­tum und Glück bescheren soll. Aber auch westliche Ein­flüsse sind in der Verwendung des Wassers zu finden – nicht zuletzt hat John Cage mit dem Einbeziehen von Alltagsgeräuschen in die Musik den chinesischen Komponisten in seinem Vorhaben bestärkt.

Im «Water Concerto» ermöglicht eine Vielzahl von Wasser­instru­men­ten mannigfaltige Ausdrucksmöglichkeiten des flüssigen Ele­ments, angefangen beim Spielen des Wassers mit den bloßen Händen, über Gongs, die unterschiedlich weit ins Wasser getaucht werden, bis hin zu den Waterphones, die mit den Händen geschlagen oder mit dem Bogen gestrichen vielfältige Klänge entstehen lassen. Durch das Wasser und die unterschiedlichen Instrumente will Tan Dun auch die Sinnlichkeit des Musizierens vermitteln, wenn das Wasser beim Auftreffen der Hände auf die Wasseroberfläche in alle Richtungen spritzt oder die Tropfen von den sich langsam hebenden Fingern perlen und zurück in das Becken träufeln. Der improvisatorische Umgang mit den ungewöhnlichen Instrumenten rührt von Tan Duns Kindheit, die der Komponist in der chinesischen Provinz Hunan verbracht hat. Beerdigungen mit daoistischen und buddhistischen Ritualen und Gesängen gehörten zum Alltag und wurden musikalisch umrahmt, wobei auch alltägliche Gegenstände wie Töpfe als Instrumente eingesetzt wurden. So genießen die  Per­kus­sionisten (von Tan Dun Ceramic Players genannt) im «Water Concerto» große Freiheiten und werden über weite Strecken des Wer­kes zur Improvisation angehalten.

Der Beginn des 1. Satzes lenkt die Aufmerksamkeit auf den Klang der Waterphones und gibt die Möglichkeit, dass sich dieser langsam entwickelt, bis er jäh vom Orchester unterbrochen wird. Durch zahlreiche Triller, Glissandi und Spielweisen der Bläser nur auf dem Mundstück, werden die konkreten Tonhöhen verschleiert. Dadurch verbinden sich die westlichen Instrumente zum Einen mit den unbestimmten Tonhöhen des Wassers, verweisen andererseits auch auf chinesische Musik, die viel stärker von unbestimmten Tonhöhen geprägt ist als unsere Musik. So erscheinen die Wasserinstrumente den Orchesterinstrumenten nicht als entgegengesetzt, sondern verbinden sich zu einer ähnlichen Klangsprache. Nach dem improvisatorisch gestalteten Beginn führen die Perkussionisten in einen rhythmisch geprägten Teil über, dem das Orchester Glissandi entgegensetzt, bis das Ende des Satzes in einer Kadenz der Wasser­in­stru­mente mündet.

Der Beginn des 2. Satzes ist geprägt von melodischen Elementen der Wassergongs und der Verbindung mit der Melodie des Cellos, bis sich die Instrumente in einem rhythmischen Spiel, das zwischen 4/4- und 7/16-Takt wechselt, verbindet. Das Thema des Cellos wird von den Bläsern aufgegriffen und die Pizzicati der Streicher gesellen sich wie Wassertropfen hinzu. Die prägnanten Rhythmen werden von unterschiedlichen Wasserin­stru­menten aufgenommen und in steigender Intensität weitergeführt.

Nach und nach steigen die einzelnen Instrumente aus, bis einzig der Klang des präparierten Vibraphons übrigbleibt und in den 3. Satz überleitet. Im 4/4-Takt werden durch Betonungen auf schwachen Zählzeiten Wirkungen erzielt, die an Strawinski erinnern. Damit verbunden werden Elemente der ersten beiden Sätze wie die Pralltriller der Bläser oder die für Tan Dun so typischen Glissandi. Nach einer dazu kontrastierenden, meditativen Kadenz folgt ein rasantes Finale.

© Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. | Doris Weberberger