Brett Dean

«Dramatis personae» Konzert für Trompete und Orchester

Sätze

  • Fall of a Superhero

  • Soliloquy

  • The Accidental Revolutionary

Dauer

28 Min.

Entstehung

2013/14

Der Kompositionsauftrag des Grafenegg Festivals für das Trompetenkonzert «Dramatis personae» gab Brett Dean 2013 Gelegenheit, auf mehreren Ebenen seine künstlerische Fantasie auszuleben. «Die Trompete ist ein sehr spezielles Instrument», sagt er. «Als Signalgeber hat die Trompete natürlich eine Funktion, die ihr quasi vorbestimmt ist. Sie kann im Alleingang ein ganzes Orchester meistens übertönen und sich dabei bemerkbar machen. Die Trompete hat etwas zu sagen, sie ist eine Verkünderin - darum hat es mir auch so gut gefallen, dass wir das Konzert in Grafenegg mit der Leonoren-Ouvertüre von Beethoven eröffnen, in dem das Trompetensignal den Sieg der Gerechtigkeit ankündigt.» Brett Dean, der als ausgebildeter Bratschist häufig mit Problemen der Balance zu tun hat, konnte sich im Fall des Trompetenkonzerts also von einer wichtigen Sorge befreit sehen: «Die Trompete hat nicht nur Kraft, sie kann auch ungeheuer süß und empfindsam klingen. In dem Instrument stecken viele Charaktere. Darum lasse ich die Trompete, die ich in gewisser Weise als Protagonist einer Handlung höre und sehe, in drei Sätzen verschiedene Stadien durchlaufen.»

«Dramatis personae» beschreibt den Weg eines heroischen Charakters, eines «Superhelden», wenn man so will. Durchaus der schillernden Welt aus Actionfilmen und Comics entnommen, aber tief verwurzelt in den echten Gefühlen, die eng mit dem Heldentum verknüpft sind, schuf Brett Dean drei Tableaus, in denen der Held - die Trompete also - seinen Weg auf dieser Welt beschreitet. Brett Dean: «Alle drei Sätze sind quasi dramatisch in ihrem Charakter, aber es ist keine theatralische Musik, die eine konkrete Geschichte erzählt. Ich wollte nichts Satirisches komponieren, das Stück ist dabei aber auch nicht todernst.» Im ersten Satz, Fall of a Superhero, begegnen wir der Trompete als der Verkörperung des Guten, während das Orchester die Rolle des ewigen Gegenspielers einnimmt. Das Individuum, das sich gegen eine Masse (das Orchester) stemmt, bildet im Wesentlichen das Programm des Eröffnungssatzes. Verblüffend ist dabei, mit welcher Leichtigkeit sich das kleine Soloinstrument gegen das Orchester behaupten kann. Nur im Tutti ist auch die einzelne Trompete der klanglichen
Wucht des Orchesters unterlegen, was sich auch in einer musikalischen Niederlage gegen Ende hin ausdrückt und damit dem Satztitel gerecht wird. Anklänge an Filmmusik sind dabei durchaus beabsichtigt.

Bei der Ausarbeitung des Soloparts dachte der Komponist an einige der populären Superhelden, die uns aus der jüngeren Geschichte bekannt sind. Dabei interessierte sich Brett Dean besonders für die Charaktere, die eine menschliche Schwäche in sich tragen. «Helden, die für Ihr Heldsein einen Preis zahlen mussten», wie es Brett Dean ausdrückt. Inspiriert von der Struktur in der Lemminkäinen-Suite von Jean Sibelius - ein Werk, das sich ganz um einen «Superhelden» der finnischen Sagenwelt dreht - konzipierte Brett Dean den Kopfsatz so, dass eine musikalische Erzählung stattfinden kann. Tiefe Blechbläser eröffnen die Szene, wie aus dem Nichts platzt der Protagonist mit markanten Rhythmen herein. Doch der Auftritt ist alles andere als ein schneller Sieg, im Gegenteil: erst allmählich gewinnt die Trompete ihre Kräfte, kontrastiert von hohen Streichern und Schlagwerk. Es kommt schließlich zum «Showdown», die Trompete verliert gegen die Masse des Orchesters und gibt sich mit stotternden, fast menschlichen Lauten geschlagen.

Der Mittelsatz «Soliloquy» ist nach einer besonderen Form des Monologs benannt, in der ein Schauspieler die Bühne für sich alleine hat. In einer Phase des Innehaltens entwickelt sich das unausgesprochene Programm der Reflexion über das eigene Ich. Die Trompete tritt «dunklen» Bläsern gegenüber. Besonders prominent sind die fallenden Kaskaden von Klarinetten und Altflöten, die den hellen Klang der Trompete kontrastieren. Einem bewegten Mittelteil folgt die in Solokonzerten übliche Kadenz; ein musikalischer Moment, in dem das Soloinstrument quasi im Alleingang Ideen präsentiert und verarbeitet. Nicht nur als Möglichkeit, virtuose Fähigkeiten auszuspielen, sondern auch als Projektionsfläche für das eigene Musikverständnis des Solisten, war die Kadenz im Lauf der Geschichte ein wichtiges Charakteristikum von Solokonzerten. In Brett Deans Trompetenkonzert ist es ein auskomponiertes Nachdenken des Protagonisten über das Leben des Superhelden, jener Moment, in dem alles auf dem Spiel steht, auch die eigene Existenz.

Den dritten Satz des Konzerts, «The Accidental Revolutionary», fokussiert Brett Dean auf den zufälligen, vielleicht sogar ungewollt komischen Aspekt des Heldentums. In einer berühmt gewordenen Szene aus dem Film «Modern Times» von und mit Charlie Chaplin ergibt es sich, dass unser Held eine Fahne aufhebt, die von einem Lastwagen heruntergefallen ist. Er schwenkt die Fahne hinter dem davonfahrenden Fahrzeug, um den Fahrer zum Anhalten zu bewegen - und sieht dabei nicht, dass er eine heranmarschierende Menge von streikenden Arbeitern in seinem Rücken damit anzuführen beginnt. Dieses ungewollte Spiel zwischen Impuls und Antwort wollte Brett Dean musikalisch umsetzen. So beginnt der Satz mit kleinen «embryonischen Zellen», die ebenso kleine Reaktionen hervorrufen. Im gegenseitigen Aufschaukeln schwillt die Musik mehr und mehr an, als passende Grundlage dient dem Komponisten ein alter russischer Marsch, an den Anklänge in die Partitur eingeflochten sind.

Aber auch Charles Ives, der in manchen seiner Kompositionen spektakuläre Klangsteigerungen aus scheinbar unzusammenhängenden Quellen einbaute, stand Modell für das Finale von «Dramatis personae». Alles endet mit einem schauspielerischen Auftritt der Trompete, die nicht nur musikalisch, sondern auch sinnbildlich ihren Platz verlässt und sich zu ihresgleichen gesellt. Die Mobilisierung ist vollkommen, der Aufbruch in neue Zeiten beginnt.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore

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