Robert Schumann

Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54

Sätze

  • Allegro affettuoso

  • Intermezzo. Andante grazioso -

  • Allegro vivace

Dauer

30 Min.

Entstehung

1841/43/45

Die Familie, der Robert Schumann entstammt, entspricht dem Bild einer typischen Biedermeier-Familie: bürgerlicher Mittel­stand, finanziell abgesichert, gute Bildung, musische In­teressen. Den Kindern wurde eine fundierte Schulausbildung ermöglicht; das sonntägliche Zusammentreffen mit Freunden am Teetisch wurde mit kleinen Veranstaltungen – Hausmusik, Theatervor­stel­lungen, vielleicht Lesungen – gewürzt. Der kleine Robert wuchs also mit einem natürlichen Umgang mit Kunst auf. Schon als Sechsjähriger soll er zu den häuslichen Aufführungen erste Kompositionen beigesteuert haben. Und da das Klavier – das Hausmusikinstrument der Zeit schlechthin – ihn faszinierte, erhielt er bereits mit sieben Jahren ersten Klavierunterricht. Er erwies sich als große Begabung, besonders auf dem Gebiet der Improvisation, mit der er sich, seinen technischen Fähigkeiten gemäß, am liebsten beschäftigte: Durch das Instrument vermochte er ohne Worte das auszudrücken, was seine hypersensible Seele empfand. So wuchs er hinein in eine Epoche des Klaviers; er liebte Beethoven, Schubert und Weber, hielt Chopin für ein Genie, ließ sich inspirieren von den Pianistengrößen Moscheles, Herz, Czerny und Hummel, aber auch von der großen virtuosen Geigen-kunst Paganinis. Eine fundierte pianistische Ausbildung blieb ihm leider versagt: der von Vater Schumann auserwählte Lehrer, Carl Maria von Weber, starb noch vor Antritt des Unterrichts. Ein späterer Privatunterricht in Leipzig bei Friedrich Wieck, dem Vater und Klavierlehrer seiner späteren Frau Clara, endete enttäuschend, denn seine strenge Pädagogik und Roberts Phantasie passten nicht zusammen. Schließlich zerstörte Robert sich seine pianistischen Ambitio­nen selbst: Durch übertriebenes Fingertraining zog er sich eine Sehnenscheidenentzündung zu; ein kaum beweglicher Ring-fin­ger war die Folge. Die angestrebte Karriere war also vor ihrem Beginn bereits beendet, so dass er sich nun ganz dem Komponie­ren zuwandte.

Lange Zeit hindurch widmete Robert Schumann sich ausschließlich der Lied- und Klavierkomposition; sein Genre war das Miniatur- oder Charakterstück, das, an keine feste Form ge­bunden, alleinstehend oder innerhalb eines Zyklus, das Lebens­gefühl des Biedermeier, mit dem er selbst groß geworden war, verkörperte: die Intimität des bürgerlichen Salons, die «Heile Welt» schlechthin, aber auch eine Flucht nach innen, eine unbestimmte Sehnsucht, einen Hang zur Melancholie. Weil es diese Stimmungen widerspiegelte und sich die Menschen mit ihrem Gehalt identifizieren konnten, wurde es zum bestimmenden Faktor in der romantischen Musik. Schumann fasste Charak­ters­tücke in Zyklen zusammen, ein Ausdruck seiner Zeit; doch war er der erste, dessen Zyklen einer Gesamt-idee verpflichtet waren.

Obwohl Schumann schon früh daran dachte, ein Klavierkonzert zu schreiben, blieb es lange Zeit bei Skizzen und Frag-menten: Er fühlte sich kompositorisch noch nicht reif genug, neben dem Solisten eine ganze Orchesterpartitur zu beherrschen. Erste Skizzen zu einem Klavierkonzert a-moll erwähnte er allerdings schon 1833, doch erst im Mai 1841 begann er mit der Ausar­beit­ung. Es sollte ein einsätziges Werk werden, eine «Phantasie für Clavier, mit Begleitung des Orchesters», die er als «Mittelding zwischen Sinfonie, Concert und großer Sonate» charakterisierte. Im August desselben Jahres kam es zu einer nichtöffentlichen Aufführung im Leipziger Gewandhaus, mit Felix Mendelssohn Bartholdy am Dirigentenpult (der im selben Jahr schon erfolgreich seine erste Symphonie aufgeführt hatte) und seiner Frau Clara am Klavier. Der große Erfolg dieser Auffüh­rung spornte ihn an, das Werk zu publizieren; nacheinander bot er es mehreren Verlegern an, doch keiner war interessiert: man wollte traditionell dreisätzige Konzerte und keine einzelnen Klavier-Orchester-Werke. So blieb die Fantasie liegen, und erst nach vier Jahren ergänzte Schumann sie um Mittel- und Schlusssatz: Im Juni 1845 entstand zunächst das Finale, im Juli dann der Mittelsatz; außerdem musste auch noch der erste Satz in einigen Passagen umgeschrieben werden, um mit den anderen beiden Sätzen zu harmonieren. Interessant ist in diesem Zusammen-hang auch der nahtlose Übergang vom zweiten zum dritten Satz: Ursprünglich hatte Schumann die Sätze getrennt konzipiert; später entwickelte er eine Überleitung, eine kadenzartige Improvisation mit Zitierung des Hauptthemas aus dem ersten Satz, die er gesondert notierte und dieses Notenblatt dann mit Siegellack ins Manuskript klebte: damit gab er den drei Sätzen eine zyklische Verklammerung.

Das Konzert für Klavier und Orchester a-moll besitzt, bei al­lem orchestralem Gestus, eine kammermusikalische Trans­pa­renz, die dadurch erreicht wird, dass der Solist meist gemeinsam mit Instrumentengruppen oder Soloinstrumenten anstatt mit dem ganzen Orchester auftritt. Obwohl durchaus technisch sehr anspruchsvoll, fehlt ihm der rein «artistische» Anspruch der zeitge­nössischen Klavierkonzerte; es ging Schumann nicht um vordergründige Brillanz, sondern um den musikalischen Inhalt, um die Entwick-lung und Durchführung von Themen und Melo­dien. Wie sehr er bereit war, über die traditionelle Formgebung des Sonatenhauptsatzes hinauszugehen, zeigt sich im ersten Satz (Allegro affettuoso): Hier konzentriert sich alles auf das lyrisch-expressive Hauptthema, dessen Motivik alle Abschnitte in vielfachen Verarbeitungen beherrscht. Fast kammermusikalisch im Stil eines Charakterstückes erscheint der zweite Satz (Intermezzo. Andantino grazioso): ein gesangliches Stück mit breit ausschwingenden Kantilenen, in denen Klavier und Orchesterinstrumente dialogisieren. Die beide Sätze verbindende Passage leitet über zum tänzerisch-schwungvollen Schlusssatz (Allegro vivace), in dem der Solist noch einmal aus sich herauswächst. Doch auch hier sind kein bloßes Figurenwerk, kein Bravour-stil eines Chopin, keine solistische Akrobatik eines Liszt zu finden, sondern eine dem Gesamtwerk untergeordnete, sozusagen «kontrollierte» Virtuosität. Dennoch – tänzerischer Schwung, rhythmische Feinheiten, schöne Kontrastbildungen zwischen Haupt- und Seitenthema und eine brillante Schlusssteigerung verfehlen ihre Wirkung nicht. Auch nicht auf Johannes Brahms, der seine beiden Klavierkonzerte später ebenso wie sein Mentor Schumann als Syn-these zwischen Symphonie, Konzert und Sonate anlegen sollte.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Astrid Schramek

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