Anna Thorvaldsdottir

Metacosmos

Dauer

14 Min.

Für die meisten Mitteleuropäerinnen und Mitteleuropäer ist schon Island selbst mit seiner Natur, Geschichte, Kultur und sozialen Struktur eine große Unbekannte – ganz zu schweigen von der Musik dieser fernen Insel im Nordatlantik zwischen dem europäischen Festland und dem amerikanischen Kontinent. Mit Jón Leifs – er lebte von 1899 bis 1968 – erlangte ein einziger Komponist von dort schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts internationale Geltung. Dies wohl nicht zuletzt, weil er es in einer originären Weise verstand, die Fontänen der Geysire und Eruptionen der Vulkane musikalisch einzufangen. Mit Victor Urbancic (1903 – 1958) war ein Emigrant aus Wien als zentrale Persönlichkeit am Aufbau eines geregelten akademischen Musikwesens in der Hauptstadt Reykjavík beteiligt – mit dem Ergebnis, dass heute viele isländische Komponistinnen und Komponisten regelmäßig in den Konzertprogrammen in aller Welt vertreten sind.

Anna Thorvaldsdóttir zählt zu den namhaftesten Vertreterinnen der mittleren Generation, die mit ihrer Tonsprache sowohl an traditionellen Werten der Vergangenheit anknüpft als auch individuelle Mittel heutigen Komponierens einsetzt. Für ihr im Auftrag der New York Philharmonic Society entstandenes Orchesterwerk «Metacosmos» wählt sie dabei durchaus eine Methode der Verwendung klanglich-illustrativer Mittel, wie man sie von Jón Leifs kennt. Das Ergebnis sind dichte Stimmungsbilder, die der Fantasie der Zuhörerinnen und Zuhörer ebenso Raum geben wie dem von Thorvaldsdóttir beabsichtigten Konzept, das sie wie folgt beschreibt: «‹Metacosmos› ist rund um das natürliche Gleichgewicht zwischen Schönheit und Chaos konstruiert: Wie können Elemente in einem scheinbar völligen Chaos aufeinandertreffen, um ein vereinigtes, strukturiertes Ganzes zu schaffen? Die Idee und Inspiration hinter dem Stück, das gleichermaßen mit menschlichen Erfahrungswerten wie auch mit dem Universum verbunden ist, ist die spekulative Metapher des Fallens in ein schwarzes Loch – in das Unbekannte – mit unendlichen Konstellationen und Schichten gegensätzlicher Kräfte, die sich verbinden und miteinander kommunizieren, sich ausdehnen und verengen, einen Kampf um die Macht projizieren, während verschiedenste Quellen an dir ziehen und du erkennst, dass du in eine Dynamik gezogen wirst, die sich deiner Kontrolle entzieht. Wie es im Allgemeinen bei meiner Musik der Fall ist, ist die Inspiration zu ‹Metacosmos› nichts, was ich durch das Stück selbst beschreiben möchte – für mich sind die Qualitäten der Musik in allererster Linie musikalische. Wenn ich von einem speziellen Element oder einer bestimmten Qualität inspiriert werde, dann deshalb, weil ich es als musikalisch interessant empfinde, und die Qualitäten, von denen ich mich tendenziell inspirieren lasse, sind oft struktureller Art, wie Proportionen und Verläufe sowie die Beziehungen des Gleichgewichts zwischen Details innerhalb einer breiteren Struktur und wie man sich perspektivisch zwischen diesen beiden – den Details und der Einheit des Ganzen – zu bewegen vermag.»

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Christian Heindl

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