Gabriel Fauré

«Pelléas et Mélisande» Suite op. 80

Sätze

  • Prélude

  • La Fileuse. Andantino quasi allegretto

  • Sicilienne. Allegretto molto moderato

  • La Mort de Mélisande. Molto adagio

Dauer

17 Min.

Entstehung

1898

Gabriel Fauré hatte es auf seinem Weg zur Anerkennung durch die öffentliche Musikwelt nicht leicht. Wer nämlich vor 1900 in Paris ein angesehener Musiker sein wollte, musste vor allem eines vorweisen können: ein Studium am ehrwürdigen Conservatoire der Hauptstadt. Wer dort nicht studiert hatte – tja ... Der durfte eben weder mit der Unterstützung des Instituts rechnen, geschweige denn sich dort mit Aussicht auf Erfolg auf eine Professur bewerben. Auch Fauré gehörte zu diesen «Unglücklichen». Er hatte «nur» an der École Niedermeyer in Paris studiert, einem seinerzeit einzigartigen Internat zur Ausbildung künftiger Kirchenmusiker. Später war er  – Dank der Unterstützung seines Freundes und Klavierlehrers an der École, Camille Saint-Saëns, – als Organist an der Église de la Madeleine tätig, eine Position, die seinerzeit ein hohes Renommee besaß, aber wenig Geld brachte. Als sich Fauré 1892 um eine Professur am Conservatoire bewarb, drohte Thomas Dubois, der Direktor des Instituts, eher zurückzutreten als die Berufung dieses «Eindringlings» zu akzeptieren. Erst nach dem Tod des Direktors durfte Fauré die Kompositionsklasse von Jules Massenet im Conservatoire übernehmen. Und als 1905 die Wahl eines neuen Direktors anstand, fiel die Wahl zur allgemeinen Überraschung auf Fauré. Der Komponist war zu dieser Zeit bereits 60 Jahre alt.

In all diesen Wirren entstand 1898 «Pelléas et Mélisande». Bedenkt man den geschilderten biographischen Hintergrund, sollte man meinen, dass dies im Werk seine Spuren hinterlassen haben könnte oder sogar müsste. Aber Fauré war eben ein Profi und konnte sich trotz dieser Umstände auf die Komposition konzentrieren. Das Werk basiert auf dem am 17. Mai 1893 in Paris uraufgeführten Drama von Maurice Maeterlinck, das als eines der Hauptwerke des Symbolismus gilt.

Der Inhalt des Dramas: «Pelléas et Mélisande» spielt zu einer nicht näher spezifizierten Zeit im sagenhaften Reich Allemonde. Pelléas und Golaud sind Halbbrüder, die mit ihrer Mutter Geneviève und ihrem Großvater König Arkel in einem alten düsteren Schloss leben. Golaud trifft eines Tages, als er sich beim Jagen verirrt hat, auf die schöne und rätselhafte Mélisande, die am Rand eines Brunnens sitzt. Golaud bringt sie dazu, mit ihm mitzugehen, und heiratet sie. Als die beiden ins Schloss zurückkehren, beginnt sich Mélisande in der düsteren Umgebung unwohl zu fühlen. Sie verbringt viel Zeit an ihrem Spinnrad. Gleichzeitig beginnt zwischen ihr und Pelléas eine tiefe Zuneigung zu wachsen. Golauds Eifersucht wird immer stärker, aber seine Warnungen werden von Pelléas ignoriert. Als Golaud eines Tages die beiden überrascht, wie sie sich am Brunnen ihre Liebe gestehen, tötet er seinen Halbbruder. Mélisande bringt noch ein Kind von Golaud zur Welt, ehe auch sie stirbt.

Maeterlinck traf mit diesem Stück offenbar den Nerv der Zeit. Übersetzungen in andere Sprachen entstanden und Musiker nahmen sich seiner rasch an. Eine englische Übersetzung sollte im Sommer 1898 in London aufgeführt werden. Auf Bitten der seinerzeit berühmten englischen Schauspielerin, Mrs. Patrick Campbell (sie führte den Namen ihres Ehemannes zeitlebens als Künstlernamen), schuf Fauré eine neunaktige Bühnenmusik, die die tragische Atmosphäre der Geschichte in kongenialer Weise einfing. Ein halbes Jahr später beschloss er, diese Musik zu einer Orchestersuite umzuwandeln. Aus Zeitgründen betraute er seinen Konservatoriumsschüler Charles Koechlin mit der Instrumentation zum Präludium des ersten Aktes sowie zur Zwischenaktmusik des dritten («Fileuse») und vierten Aktes («La Mort de Mélisande»), und überarbeitete diese für die Suite noch einmal gründlich. Auf dieser Basis entstand ein großer Orchestersatz, in dem das Prélude ein allgemeines Stimmungsbild vermittelt und beispielsweise durch einen Hornruf die Abreise Golauds zur Jagd ankündet. «La Fileuse» («Die Spinnerin») beschreibt die wartende Mélisande am Spinnrad. Fauré beschränkt sich hier nicht darauf, einfach nur die Schönheit der jungen Frau zu schildern, sondern weist durch einen aufgewühlten, unruhigen Unterton seiner Musik auf deren Zerbrechlichkeit und tragische Verstrickung hin. Im letzten Teil dominieren naturgemäß Abschied, Trauer und Tod. In dieser dreisätzigen Form wurde Faurés Orchestersuite am 3. Februar 1901 bei den Concerts Lamoureux in Paris aufgeführt. Acht Jahre später fügte der Komponist noch eine graziöse «Sicilienne» hinzu, die – als reines Violoncellostück – ursprünglich dem zweiten Akt des Dramas vorausging.

Bemerkenswert an dem jetzt viersätzigen Werk ist nicht nur die unsentimentale, nie aufgesetzt wirkende Expressivität, sondern auch die wie schwerelos daherkommenden, verschlungenen Linien in ihrer musikalischen Vieldeutigkeit. Fauré schuf mit der Orchestersuite nicht nur ein sinfonisches Meisterwerk, sondern zugleich eines, das die schillernd-mystische Abgründigkeit des Dramas eben-so intensiv wie ergreifend deutet. Dieses entfaltete übrigens über Fauré hinaus seine Kraft: Im Anschluss an Fauré bemächtigte sich Claude Debussy der Dichtung, und auch Jean Sibelius und Arnold Schönberg fanden Gefallen an seiner dichterisch verschleiernden Sprache.

© Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. | Karin Martensen

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