Joseph Haydn

Symphonie C-Dur Hob. I:7 «Le Midi»

Sätze

  • Adagio - Allegro

  • Recitativo. Adagio - Allegro - Adagio - Cadenza

  • Menuetto - Trio

  • Finale. Allegro

Dauer

24 Min.

Zu «Mittag» in vier, fünf Sätzen? Ein Schelm, wer dabei gleich ans Essen denkt! Die Fachwelt ist gar nicht einig, ob es sich bei Joseph Haydns Symphonie Nr. 7 C-Dur mit dem Titel «Le Midi» um ein vier- oder fünfsätziges Menü, pardon, Opus handelt. Manche Interpreten nehmen zwischen dem ersten, in c-Moll beginnenden langsamen Satz und einem zweiten, in G-Dur stehenden, eine deutliche Trennung vor. Vor allem auf Originalklang spezialisierte Ensembles gestehen der Symphonie auch in ihren CD-Einspielungen fünf Sätze zu. Und dies ist nicht die einzige strittige Frage: Führt man Joseph Haydns Symphonien, vor allem die frühen, mit oder ohne Cembalo auf? Nun, Haydns Hinweise bezüglich des Continuos zu deuten, ist Sache der Lesart des Autografen. Yutaka Sado, Chefdirigent der Tonkünstler, entschied sich für die Variante ohne Cembalo - heutzutage absolut üblich. Nachdem beim Antrittskonzert von Yutaka Sado im Oktober 2015 bereits «Le Matin» erklungen war, wird mit «Le Midi», «Der Mittag», nun die Aufführung von Joseph Haydns einzigem symphonischen Zyklus fortgesetzt. «Le Soir» wird Yutaka Sado im Frühjahr 2016 dirigieren.

Möglicherweise gehörte zum Zyklus der «Tageszeiten»-Symphonien noch ein viertes, nicht erhaltenes Werk: «La Nuit». Neben den beiden anderen erhaltenen steht auch «Le Midi» exemplarisch für Haydns frühe Meisterschaft und seinen kreativen Umgang mit den musikalischen Stilmitteln seiner Zeit. In seinen «Tageszeiten»-Symphonien Nr. 6 bis 8 verwob er das Konzertieren nach barocker Concerto-grosso-Manier mit den gestalterischen Prinzipien der klassischen Epoche. Der Kompositionsanlass war ein sehr konkreter: Am 1. Mai 1761 hatte der junge Komponist seinen Dienstvertrag als Vizekapellmeister am Fürstenhaus Esterházy in Eisenstadt unterschrieben und gab mit den «Tageszeiten»-Symphonien seinen Einstand. Sie sollten ihm die Gunst des Hofes sichern und gehen wahrscheinlich auf eine Anregung des neuen Dienstherrn zurück, der den aus Italien stammenden konzertanten Stil bevorzugt haben soll.

Die Anfangstakte hingegen deuten zunächst eher in Richtung Frankreich: Wie eine Reminiszenz an die Tradition der französischen Ouvertüre erscheint die gravitätische Adagio-Einleitung des Kopfsatzes. Im durchgängig punktierten Metrum lässt Haydn den Orchesterklang quasi einmarschieren: beide Oboen vorweg, dazu zwei Hörner, mittendrin das Fagott, die Streicher im Gefolge. Gleich darauf hebt das Allegro an und damit ein Konzertieren, das man sich quirliger, charmanter und kunstvoller kaum vorstellen kann. Immer wieder ermuntert vom eifrig dreinfahrenden Tutti, wetteifern Oboen, Fagott und Hörner mit den Soloviolinen und dem Solocello um die grazilsten Verzierungen, das anrührendste Melos. Der zweite Satz hat es in sich: Formal ist er ein Doppelkonzert, in der Anlage ein dramatisches Rezitativ mit nachfolgender Arie, ähnlich einer Opernszene. Zusammengefasst bilden beide Adagios nicht nur das emotionale Zentrum der Symphonie, sondern auch ihren längsten Abschnitt von etwa zehn Minuten - je nach Aufführungstempo. Einem ersten Teil, geprägt von heftigen Stimmungsumbrüchen und intensiver deklamatorischer Aussage, schließt sich ein zweites Adagio an. Dafür bringt Haydn erstmals die Flöten ins Spiel und erzeugt ein pastorales Flair, das dem in der barocken Oper häufig verwendeten Genrebild ähnlich ist. Der Satz endet in einer langen, auskomponierten Kadenz für Solovioline und Solocello - der neue Hofkapellmeister Haydn ließ offensichtlich nichts unversucht, die Vorzüge seiner Musiker virtuos zur Geltung zu bringen. Im Trioteil des dritten Satzes hat, wie schon im Menuett des Vorgängers «Le Matin», der Kontrabass einen großen Auftritt. Wie das Instrument seinen schweren Ton gegen die leichtfüßigen Terzen der Hörner stemmt, ist unschwer zu überhören und wirkt fast ein wenig trotzig. Aber nun: auf ins Finale! Endlich spielen alle Instrumente zusammen, vereint in einem fröhlichen Kehraus. Eingeleitet und unterbrochen werden die munteren Auf- und Abwärtsbewegungen - ihnen liegt als Motiv eine C-Dur-Tonleiter zugrunde - von den virtuosen Einlagen der Soloviolinen und der Soloflöte, die sich in diesem spritzigen Allegro wieder einmal als Anführerin behauptet.

Faszinierend, wie viele Facetten Joseph Haydn der Mittagszeit abgewinnen konnte: solistische Brillanz und symphonische Ambition, zusammengeführt mit raffinierter orchestraler Gesamtwirkung. «Le Midi» vermittelt Ausgelassenheit und Melancholie, Temperament und Andacht - Haydn serviert von allem etwas. Der reinste Genuss.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Ute van der Sanden

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