Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Sätze

  • Poco sostenuto - Vivace

  • Allegretto

  • Presto - Assai meno presto

  • Allegro con brio

Dauer

38 Min.

Entstehung

1811-12

Ludwig van Beethoven war noch lange nicht fertig mit Napoleon, als er sich 1804 mit Vehemenz dagegen entschied, seine dritte Symphonie, die «Eroica», dem Korsen zu widmen, der sich soeben zum Kaiser gekrönt hatte. «Ist der auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher wie alle anderen stellen, ein Tyrann werden!», habe er dabei wütend ausgerufen. Ob diese Worte  freilich tatsächlich so oder so ähnlich gefallen sind, wie sich Beethovens Biograph Ferdinand Ries 1838 glaubte erinnern zu können, oder ob sie nicht vielmehr auf einer 1836 publizierten, romanhaften Ausschmückung von Beethovens Leben aus der Feder von Ernst Ortlepp fußen, sei einmal dahingestellt. Sicher ist, dass neben dem Komponisten auch ganz Europa noch nicht fertig war mit dem neuen Kaiser der Franzosen.

Beethoven betrachtete Napoleon von nun an «als seinen persönlichen Feind und bekämpfte ihn mit ‘seinen’ Waffen», ist etwa Attila Csampai überzeugt und zählt jene Werke auf, mit denen der Komponist in der Folge klare politische Stellung gegen jede Tyrannei bezogen hat: die «Coriolan»-Ouvertüre, die fünfte Symphonie, die Schauspielmusik zu Goethes «Egmont», die Ouvertüre zu «König Stephan» und besonders natürlich die zu ihrer Zeit unglaublich populäre Programmsymphonie «Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria» op. 91 (1813). Der erfolgreiche Kampf des britischen Generals gegen die napoleonischen Truppen in Nordspanien am 21. Juni 1813 wird in diesem heute als Kuriosität angesehenen Orchesterwerk im musikalischen Widerstreit des Liedes «Rule, Britannia» und eines französischen Marsches dargestellt, wobei die Schläge zweier großer Trommeln die fallenden Kanonenschüsse repräsentieren, bevor die folgende Siegessymphonie die Hymne «God save the King» in mehreren Variationen erklingen lässt. Das Werk ist fast völlig aus dem Konzertsaal verschwunden, überlebt aber, gemeinsam mit anderen musikalischen Schlachtengemälden wie Tschaikowskis Ouvertüre «1812», in etlichen Aufnahmen, bei denen zum Teil echte Kanonen verwendet wurden.

«Wellingtons Sieg» gehört jedenfalls in der Aufführungshistorie untrennbar zusammen mit der Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92, welche nach Harry Goldschmidt nichts anderes darstellt als eine weitere «Symphonie gegen Napoleon»: Die Uraufführung fand am 8. De­zember 1813 in der Aula der Alten Universität in Wien statt, acht Wochen nach der blutigen Völkerschlacht bei Leipzig, bei der die österreichischen, preußischen, russischen und schwedischen Truppen Napoleon eine entscheidende Niederlage zufügen konnten. Und vor diesem historischen Hintergrund verstand das zeitgenössische Publikum die beiden damals gekoppelten Werke «von Anfang an als zusammengehöriges Paar, als Einheit von Kampf (op. 91) und Sieg (op. 92) über Napoleon.» (Csampai). – Nun, das Werk erschließt sich freilich auch abseits außermusikalischer Zusammenhänge als faszinierendes Kunstwerk, das Beethoven «als eins der glücklichsten Produkte meiner schwachen Kräfte» ansehen durfte.

Das den ersten Satz eröffnende, ganz autonom wirkende Poco sostenuto in A-Dur sprengt in Umfang und Inhalt den Sinn einer langsamen Einleitung völlig, nimmt dabei aber doch wesentliche Elemente der ganzen Symphonie vorweg: Wir werden hier Zeuge, wie sich die Musik aus den elementaren Größen Dreiklang (als Akkord sowie melodisch als Zerlegung) und Tonleiter entwickelt, wobei diese stets nach oben strebt. Zweimal tritt eine lyrische Holzbläsermelodie als Kontrast zum energischen Treiben auf (zuerst in C-Dur, dann F-Dur), bevor Tonrepetitionen den Rhythmus in den Vordergrund zu rücken beginnen. Als sich das Geschehen auf dem Ton E festbeißt, der zwischen Violinen und Holzbläsern im Oktavabstand hin und her wandert, scheint ein Endpunkt erreicht, der gleichzeitig zur Initialzündung des Vivace wird: Der punktierte 6/8-Rhythmus beherrscht von nun an praktisch jeden Takt dieses vor tänzerischer Energie nur so strotzenden Satzes. Rasante Anläufe die Tonleiter empor, dramatische Halte, extreme dynamische Kontraste und grandios sich aufbauende Crescendi prägen die Musik, welche an einen niemals längere Zeit ermattenden Freudentanz gemahnt. Schon der «raketenhaft auffahrende Auftakt» zum ersten strahlenden Tutti-Einsatz des Hauptthemas, welches auch die Hörner mit schmetterndem Glanz mächtig herausstellen, wirkt für den Dirigenten und Musikwissenschaftler Peter Gülke wie die «Verkörperung des auf die Massen überspringenden Funkens, und zugleich als herrische Gebärde». Gerade diese musikalische Abschussrampe nützt Beethoven nach einer zuletzt dramatisch gesteigerten Durchführung am Beginn der Reprise für ein amüsantes Spiel mit der Hörerwartung: indem er nämlich zu den bereits im Hauptrhythmus crescendierenden Holzbläsern den Tonleiteranlauf der Streicher zunächst einmal ins Leere jagen und erst nach dem markanten Hinzutreten von Trompeten und Pauken erfolgreich in die Wiederkehr des Hauptthemas münden lässt.

Der zweite Satz (Allegretto), der bei den frühen Aufführungen stets so gut ankam, dass er wiederholt werden musste, steht dazu ausdrucksmäßig in deutlichem Kontrast, behält aber die elementare Bedeutung des Rhythmus bei: Regelwidrig bildet ein fahl schwebender Quart-Sext-Akkord der Bläser Anfang und Ende. Dazwischen erklingt eine Art Trauermarsch in a-moll mit ausdrucksvoll klagendem Thema über einem zunächst gleichsam nackt vorgestellten, ostinaten Rhythmus, der auf die Gebetsformel «Sancta Maria, ora pro nobis» zurückgehen könnte, wie Wolfgang Osthoff vermutet; er steckt freilich auch schon in der lyrischen Melodie der Einleitung zur Symphonie. Dass die tröstliche A-Dur-Melodie von Klarinette und Fagott an das Terzett «Euch werde Lohn in bessern Welten» aus dem zweiten Akt des «Fidelio» erinnert, wie Karl Nef aufgezeigt hat, fügt sich nahtlos in den Bedeutungszusammenhang ein.

Polternd bricht darauf das Scherzo (Presto) in F-Dur los, das der Vorliebe Beethovens in seiner mittleren Schaffensperiode folgt und demnach fünfteilig gebaut ist, also mit zweimalig erscheinendem Trio. Im erst derb aufstampfenden, dann leise trippelnden Hauptthema begegnen uns die musikalischen Elemente aus der Einleitung zum Stirnsatz wieder: Dreiklangszerlegung und Tonleiter, während die nach all dem ausgelassenen Trubel erschöpft wirkende Triomelodie mit ihrem langen Bordunton A einem niederösterreichischen Wallfahrerlied nachempfunden sein soll. Dass Beethoven die fünf Formteile nicht mit Wiederholungszeichen angibt, sondern ausschreibt, gibt ihm zudem Gelegenheit zu allerlei plötzlichen dynamischen Überraschungen.

Das Finale (Allegro con brio) schließlich reißt sich mit seinem dithyrambischen Taumel von allen nur denkbaren Ketten los: Das auf und ab wirbelnde Hauptthema wird in jedem Takt von zweierlei Synkopenbildungen angetrieben, welche im 2/4-Takt jeweils das zweite Viertel und das vierte Achtel mit Sforzati ruppig hervorheben. Das in Moll stehende, am wilden ungarischen Verbunkos orientierte Seitenthema betont widerspenstig jeden schlechten Taktteil. Und doch funktioniert das ständige Löcken wider das gewöhnliche metrische Schema nur dadurch, dass die rhythmischen Ostinati «mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufen und entgegen allen Erwartungen bis zum Schlußtakt keine Beschleunigung dulden – ausgerechnet dieses orgiastische Finale besitzt keine Stretta!» (Arnold Werner-Jensen). Die enormen rhythmischen Energien entladen sich stattdessen in der über brodelnden Bässen grandios aufgetürmten Coda zwei Mal in dreifachem Forte – eine Seltenheit in Beethovens Schaffen, welche den Ausnahmerang dieser in vielerlei Hinsicht extremen Symphonie noch unterstreicht.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer

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