Bernd Richard Deutsch

Tripelkonzert für Trompete, Posaune, Tuba und Orchester

Dauer

18 Min.

Entstehung

2014

Bernd Richard Deutsch zählt zu den renommiertesten Vertretern der österreichischen Komponistenzunft und verweist mit seinen gerade 37 Jahren – sicherlich nur zufällig – auf ebenso viele abgeschlossene Kompositionen. Die Nr. 37 in seinem Œuvre ist das Tripelkonzert für Trompete, Posaune, Tuba und Orchester, das Deutsch im Auftrag der Tonkünstler für die Eröffnung der Konzertsaison 14-15 komponierte. Damit folgt der Komponist der von Andrés Orozco-Estrada begründeten Tradition, jede neue Saison mit der Uraufführung eines Auftragswerks zu beginnen.

Die Musik des gebürtigen Niederösterreichers Bernd Richard Deutsch ist von einer charakteristischen Frische, neben die sich Leichtigkeit und gleichzeitig eine feine Balance aus Humor und Ernsthaftigkeit stellen. Es ist eine «Lebendigkeit mit vielen Noten», wie der Komponist es im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Daniel Ender ausdrückte. Faszinierend ist, dass Bernd Richard Deutsch etwas sehr Wichtiges gelungen scheint: Die Entdeckung eines eigenen, unverwechselbaren Tonfalls, der ihn von anderen unterscheidet. Gleichzeitig nimmt er für sich keinesfalls in Anspruch, die Musik an sich neu erfunden zu haben – vielmehr ist sich der Komponist der Bedeutung von grundlegenden und historisch tradierten Prinzipien durchaus bewusst. Und so erhalten beispielsweise Tempo und Rhythmus ihren besonderen Platz in seinem Schaffen. Experimente um ihrer selbst willen findet man in Deutschs Musik nicht.

Die konsequente Arbeit an seinem Stil wurde freilich bereits mehrfach bemerkt und gewürdigt, was sich an Aufträgen von renommierten Institutionen und zahlreichen Preisen erkennen lässt. Nur stellvertretend seien der Würdigungspreis des Landes Niederösterreich 2011, der zweite Preis beim Toru Takemitsu Composition Award 2011 und der 2014 verliehene Paul Hindemith-Preis im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals erwähnt. Im Rahmen des Festivals Wien Modern wurde seiner Musik im gleichen Jahr ein großes Feld eröffnet, als er sich als Preisträger des Erste Bank-Kompositionspreises wieder einem breiten Publikum vorstellte. Die Uraufführung seines Orchesterwerks «Dr. Futurity» am 12. November 2013 im Wiener Konzerthaus war der jüngste große Erfolg in der Komponistenkarriere von Bernd Richard Deutsch.In seiner Arbeitsweise geht der Komponist gern den Weg, die groben Parameter eines neuen Werks festzulegen, dann aber eine gute Zeit lang den Ideen freien Lauf zu lassen. Seine Skizzenhefte füllt Bernd Richard Deutsch Seite um Seite mit Ideen zu harmonischen Entwicklungen, melodischen Floskeln, dann und wann grafischen Skizzen zu einem Verlauf. Die Ideen stehen buchstäblich kreuz und quer auf dem Papier und werden mit dicken Farblinien voneinander visuell getrennt – um festzulegen, dass sie trotz räumlicher Nähe (noch) nichts miteinander zu tun haben. Es beginnt eine Arbeitsphase, die Deutsch schmunzelnd als «Leidensprozess» bezeichnet, denn «nicht immer ist der Plan in meinem Kopf dann auch der beste Weg. Im Niederschreiben erkenne ich oft neue Aufgaben, die zu lösen sind.»

Aus der Vielzahl von Einfällen ergab sich im Fall des Tripelkonzerts schließlich ein sechsstimmiger Akkord, der in seinen Umkehrungen und vier harmonischen Abwandlungen zur ökonomischen «Urzelle» wurde.

Das Tripelkonzert für Trompete, Posaune, Tuba und Orchester ist der gelungene Versuch, symphonische Ansprüche gegenüber dem Orchester und solistische Herausforderungen für gleich drei Instrumente miteinander zu verknüpfen. Ohne Zögern verweist Bernd Richard Deutsch auf die Schwierigkeit, der nicht exponierten Mittelstimme der Posaune zur Geltung zu verhelfen, die sich gegenüber den prominenten Eckpfeilern in Trompete und Tuba behaupten muss. Schwierigkeiten zu meistern gehört aber freilich dazu: «Es gibt Stellen, die wie von alleine entstehen, weil alles klar ist. Dann gibt es wieder Probleme, mit denen ich mich furchtbar lange herumplage – am schlimmsten ist, wenn es mehrere gleich gute Alternativen für ein Problem gibt. Mit so etwas kämpfe ich dann sehr lange», sagt der Komponist. «Ich sehe Komponieren, vor allem in der Schlussphase eines neuen Stücks, auch als etwas Bildhauerisches. Es muss der Punkt kommen, an dem ein Stück nicht mehr verändert werden darf. Am Ende steht: Wann habe ich genug getan, wann ist es fertig?» Fragen wie diese zeugen von großer Ernsthaftigkeit, und trotzdem ist das Tripelkonzert der überzeugende Beweis, dass Substanz und Verspieltheit einander nicht im Weg stehen. Im Gegenteil: In Deutschs Klangverständnis der drei Blechblasinstrumente steckt ein gerüttelt Maß an Humor und Ironie. Beides sind Elemente, auf die er nicht verzichten möchte. Mit Gründlichkeit und Konsequenz nähert sich Bernd Richard Deutsch der Ausarbeitung seiner Ideen: Vom erwähnten Akkord ausgehend, entzündet sich ein musikalischer Prozess, in dem die markanten Töne in immer neuen Schichtungen zu kleinen formgebenden Inseln werden. Die Intervallspannungen im Akkord werden in melodischen Bewegungen wieder aufgegriffen und erzeugen damit auf subtile Weise Zusammenhänge. Über allem aber spannt sich ein dramatischer Bogen, eine beschleunigende Verdichtung von unfassbarer Intensität. Die Soloinstrumente und das Orchester sind auf eine subtile Weise miteinander verbunden und zugleich doch sehr selbständig unterwegs. Der bildhafte Vergleich mit einem Jahrmarkt ist dem Komponisten durchaus recht: «Ich denke an ein Bild von Breughel, auf dem viele Dinge gleichzeitig und nebeneinander passieren, aber nicht alle Charaktere sind an der selben Sache beteiligt.»

Die klanglichen Möglichkeiten der drei Blechblasinstrumente in ihren sanglichen und virtuosen Qualitäten sowie die vollgriffige Behandlung des gesamten Orchesters ergeben immer neue Konstellationen, angetrieben von einer schier unerbittlichen Dynamik – und es kommt schließlich, wie es kommen muss: In einer sorgfältig inszenierten Eruption gerät die Welt vollends aus den Fugen, danach folgt unmittelbar der Spannungsabfall. Aus dem Nichts kommend erhebt sich schließlich wieder die Trompete, doch diesmal verhaltener, geradezu zaghaft. In einem kurzen Epilog, der durch fallende Glissandi in den Streichern ein fragiles Gesicht erhält, rekapituliert Deutsch die dynamischen Prozesse der stattgefundenen Achterbahnfahrt und verdichtet die Partien der drei Protagonisten erneut zu einem virtuosen Trio, das vom Orchester konterkariert wird. Das Tripelkonzert hält bis zum energischen Schluss die Spannung aufrecht und endet mit einem fulminanten Tutti.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

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