Archiv: Beethoven | Simone Young

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Wiener Klaviertrio, Solisten
  • Simone Young, Dirigent

Programm

Im Rahmen des Beethoven-Schwerpunkts wird das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich gemeinsam mit der Dirigentin Simone Young zwei Beethoven-Klassiker neu befragen. In seinem «Tripelkonzert» suchte der Komponist 1804 Entspannung im «französischen Stil», als er parallel noch an der «Eroica», der 5. Symphonie und der «Appassionata » tüftelte. Nur vier Jahre später besann Beethoven sich dann wieder ganz auf die Naturbeschreibung seiner Heimat. Er notierte: «Ist es doch, als ob jeder Baum auf dem Lande zu mir spräche: heilig! heilig! Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken?» In seiner 6. Symphonie gelang Beethoven genau das. Er verlieh der Faszination Natur Töne.

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Ludwig van Beethoven

Tripelkonzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56

Sätze

  • Allegro

  • Largo -

  • Rondo alla Polacca

Dauer

35 Min.

Entstehung

1804

Ludwig van Beethoven fiel ein besonders erhabenes und spannungsgeladenes Thema ein, um einem Konzert in der ungewöhnlichen Besetzung für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester, dem so genannten «Tripelkonzert», Konturen zu geben. Zunächst in den Bässen und Celli raunend, steigert sich der Gedanke zu imperialer Größe – Beethoven komponierte das Werk für den Erzherzog Rudolph und widmete es dem Fürsten Joseph von Lobkowitz – und durchläuft im Verlaufe des monumentalen ersten Satzes verschiedene Stimmungen, bis hin zu einer ganz zarten und dolce von Solovioline und -cello vorgetragenen Passage.Mit der frühklassischen Sinfonia concertante hat diese Konzertmusik Beethovens nichts mehr zu tun, vielmehr ist dies konzertante Symphonik, man spürt den Atem des c-moll-Gegenstücks, des Klavierkonzertes Nr. 3, und auch der «Eroica», Werke, die in die Entstehungszeit des «Tripelkonzertes» fielen. Die solistische Besetzung des Klaviertrios in einem Konzertwerk blieb auf Jahrzehnte hin ein Einzelfall, kein Komponist übernahm diese Besetzung, ehe sie Mitte des 20. Jahrhunderts von dem Russen Alexander Tscherepnin und dem Italiener Alfredo Casella wieder aufgegriffen wurde.

Aber bis heute wird die Bezeichnung «Tripelkonzert» ausschließlich mit Beethoven in Beziehung gebracht. Gegenüber den Klavierkonzerten und dem Violinkonzert Beethovens steht dieses Konzert für die ungewöhnliche Besetzung etwas im Schatten. Die Besetzung geht auf Beethovens Absicht zurück, seinen prominenten Klavierschüler Erzherzog Rudolph von Österreich in ein konzertantes Geschehen einzubringen, ohne ihn als einzigen Solisten zu exponieren. Also fügte Beethoven dem relativ übersichtlich gehaltenen Klavierpart zwei sehr anspruchsvolle Streicherparts für die in Diensten des Erzherzogs stehenden Instrumentalisten Carl August Seidler (Violine) und Anton Kraft (Violoncello) hinzu.Die etwas ungleichgewichtige Behandlung der Soloparts hat zwar zu einer häufigen Bewertung des Werk als unausgeglichen und nicht vollends gelungen geführt. Aber es erfüllt in seiner Eigenart höchste Ansprüche. Das oft kammermusikalisch geführte Solistentrio wird in eine farbenreiche und vielschichtige Instrumentierung eingebettet. Die thematische Gestaltung ist in ihrer Effizienz bester Beethoven: Mit wenig Mitteln erzeugt er enorm viel Wirkung. Das erhabene Hauptthema trägt in seiner aufsteigenden punktierten Antriebsfigur auch schon Merkmale des Seitenthemas in sich, das zwar kantable Vorzüge hat, aber die stolze Stimmung des Hauptthemenkomplexes beibehält. Das romantische Thema des zweiten Satzes ist ebenfalls deutlich mit dem Anfangsmotiv des Werkes verwandt. Und auch das Rondothema des Finalsatzes bewegt sich in seiner Grundstruktur im Intervallrahmen der Quart und in ähnlichen rhythmischen Bahnen. Der langsame Satz ist zwar sehr kurz, aber äußerst ausdrucksstark: ein poetischer mehrstimmiger Liedgesang ohne Worte, an dem sich neben den Soloinstrumenten auch die Klarinetten und Fagotte beteiligen. Das Klavier umrankt das kantable Spiel der anderen mit ätherischen Figuren. Im Finale schlägt Beethoven einen tänzerischen Dreiertakt an, im Tempo «alla Polacca», wie zwischen Polka und Polonaise schwankend. Der thematische Charakter wandelt sich von einem melodiösen Auftakt über marschartige Töne bis zum Tanzschwung. Zwischendurch wechselt Beethoven in den 2/4-Takt und schafft eine erstaunliche Metamorphose des Hauptthemas.

Bemerkenswert am «Tripelkonzert» ist noch, dass in allen drei Sätzen das erste solistische Wort immer das Violoncello hat.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale»

Sätze

  • Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen. Allegro ma non troppo

  • Szene am Bach. Andante molto moto

  • Lustiges Zusammensein der Landleute. Allegro -

  • Donner. Sturm. Allegro -

  • Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm. Allegretto

Dauer

43 Min.

Entstehung

1807/08

Ludwig van Beethoven suchte und fand bei öffentlichen Auseinandersetzungen wie privaten Problemen immer Zuflucht in der Natur. In der Zurückgezogenheit und Abgeschiedenheit, fern von der Gesellschaft und den Menschen, machte ihm zudem die zunehmende Erkrankung des Gehörs nicht so zu schaffen. «Wie froh bin ich, einmal in Gebüschen, Wäldern, unter Bäumen, Kräutern, Felsen wandeln zu können, kein Mensch kann das Land so lieben wie ich. Geben doch Wälder, Bäume, Felsen den Widerhall, den der Mensch wünscht!» ... «Mein Dekret: nur im Lande bleiben. Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig!» Die Bäume, die Blumen, die Farben, die Sonnenstrahlen – sie schienen Beethoven, wie er in Aufzeichnungen und Briefen vermerkte, zu verstehen. Und wie gut er sie verstand, davon legt nicht zuletzt seine «Pastorale» ein wunderschönes Zeugnis ab.

Die Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ist keineswegs eine Beschreibung der Natur – sie ist eine Besprechung mit der Natur, ein Dialog des Menschen mit ihr. «Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei» hatte Beethoven ausdrücklich zu diesem Werk erklärt. Das emotionale, expressive Element also ist entscheidend, nicht das deskriptive. Es werden musikalisch Stimmungen hervorgerufen, die der Mensch in der Natur und im Leben empfindet. Beethoven dringt als Komponist, so wie als Mensch, ein in die Natur, in den Wald, in die Wiesen, in die Lichtspiele, in die Farbenwelt – und gibt wieder, was er spürt und fühlt.

«Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande» steht über dem ersten Satz. Hier streift ein Mensch durch die Natur, einsam, aber erfüllt von den Eindrücken. Immer wieder klopft der Pulsschlag in der organisch sich wiederholenden, anwachsenden und abebbenden Melodie, irgendwann in der Durchführung ergreift er ganz von ihr Besitz und verwandelt sie in puren Rhythmus. Crescendo poco a poco.Später, im dritten Satz, treten dann mehrere Menschen in Erscheinung. Die Bauern stampfen und drehen sich zu den Klängen eines Deutschen Tanzes, der zur Entstehungszeit der Symphonie als Vergnügung der sozial eher unteren Gesellschaftsschichten galt. Lustiges Zusammensein der Landsleute. Allegro. Und die Spielleut’ (Oboen und Klarinetten) treiben dazu ihre Späße mit Abweichungen von Grundrhythmus und Melodie.

Dazwischen aber, in der «Szene am Bach» im zweiten Satz, und danach, im «Gewitter» des vierten Satzes, tanzt die Natur selbst: Der Bach sprudelt, die Vögel tirilieren, der Donner stampft, der Regen prasselt, die Blitze zucken. Da ist der Mensch Beobachter der Idylle und später der Kapriolen der Natur. Das Staunen über deren Wunder und Erschütterungen kommt in diesen beiden Sätzen zum Ausdruck. Im zweiten Satz klingt in den Violinen die berühmt gewordene Kadenz der Vögel (Nachtigall, Wachtel und Kuckuck, wie in der Partitur ausdrücklich vermerkt) noch einmal nach – der Mensch nimmt den Gesang der Tiere in sich auf und als Stimmung wahr. Im vierten Satz, wenn das Gewitter abklingt, taucht aus den Wolken der Musik ein Choral auf: Der Mensch findet im Glauben Zuversicht. Heilig, heilig.

So wie in ihrer fast zeitgleich entstandenen und mit ihr gemeinsam in einer gigantischen, vierstündigen Akademie Beethovens im Dezember 1808 im Theater an der Wien uraufgeführten c-moll-Symphonie Nr. 5, ist auch die «Pastorale» auf das Finale hin konzipiert. Doch nicht in der Überwindung des Dunklen, nicht im Sieghaften, wie in der Fünften, wird der Schlusssatz zum erfüllenden Ziel des Werkes, sondern im friedlichen, kontemplativen Tonfall. Es ist ein stiller Jubel und inniger Hymnus, in dem der Mensch den Einklang mit der Natur findet. Frohe und dankbare Gefühle.

Auch der Aufbau und die thematische Gestaltung der «Pastorale» erscheinen naturhaft entstanden. Die großen melodischen, harmonischen und rhythmischen Gestalten wachsen aus kleinsten Motivteilen zu einem wundersamen musikalischen Leben zusammen. Durch den gesamten ersten Satz zieht sich ein feines Geflecht von Motivteilen, die alle aufeinander bezogen sind und damit zu einem organischen Ganzen werden. Bereits im zweiten Takt des Hauptthemas ist der Rhythmus verankert, aus dem dann die großen Bewegungen des Satzes entstehen.

Auch wenn die grundlegende Arbeit an der «Pastorale» wohl erst im Jahre 1807 begann, so reichen die ersten Ideen und Entwürfe weiter zurück. In einem Skizzenbuch Beethovens, das er in den Jahren 1802 und 1803 verwendete, kann man die Begleitfigur des langsamen Satzes und dazu die Bemerkung «Murmeln des Baches» finden. Anregungen zu einem «pastoralen» Werk empfing Beethoven zweifellos aus den beiden Oratorien «Die Schöpfung» und «Die Jahreszeiten» von Joseph Haydn, die um die Jahrhundertwende in Wien uraufgeführt worden waren.

Freilich gab sich Beethoven nicht mit einer drastischen Naturschilderung zufrieden, sondern verlagerte das Geschehen eben in den Bereich der «Empfindung» und der absoluten symphonischen Musik. Selbst der einzig wirklich «tonmalerische» Moment mit den Vogelstimmen wird in den Bereich der abstrakten Musik übertragen, wenn der Kuckuck, der in der Natur in der kleinen Terz singt, bei Beethoven von der Klarinette mit der großen Terz stilisiert wird. Im «Gewitter»-Satz verzichtet Beethoven dann überhaupt auf konkrete Themen und bestreitet das dramatische Geschehen mit Motivpartikeln, Tonskalen, Dreiklängen und Klangeffekten wie Tremoli, Paukenwirbel und extrem hohen Einsätzen der Pikkoloflöte. Zu hören sind nicht die Donnerschläge und Sturmböen selbst, sondern die erschreckende Wirkung auf den Menschen. Auch das erleichterte Gefühl, das man verspürt, wenn sich ein Gewitter wieder verzieht, hat Beethoven eindringlich in Töne gesetzt.

Zum ersten und einzigen Mal legte Beethoven in der «Pastorale» eine Symphonie fünfsätzig an, zudem gehen der dritte, vierte und fünfte Satz ohne Unterbrechung ineinander über. Diese direkte Verbindung von Sätzen wandte Beethoven allerdings auch in der zeitgleich entstandenen c-moll-Symphonie an, in der das Finale auch direkt aus dem Scherzo hervorgeht. In der «Pastorale» kommt noch – als Einschub – der «Gewitter»-Satz dazwischen, der aber gleichzeitig auch an die Stelle des Schlussteils des vorangehenden Tanzsatzes tritt. Denn üblicherweise ordnete Beethoven seine Scherzosätze in fünf Teilen an, doch in der «Pastorale» fehlt der fünfte Teil, statt dessen braut sich der Sturm zusammen, ehe sich das Donnerwetter mit aller Gewalt entlädt.Der Wetterbericht für das Finale: Heiter. Der «Hirtengesang» ist ein «Rundgesang», ein Rondo, in dem das beschauliche und gleichermaßen befreiende Hauptthema durch verschiedene Regionen wandert, unterbrochen von volkstümlichen Couplets. Schalmeienklänge und Hornrufe lassen keinen Zweifel an der naturhaften Umgebung.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz