Archiv: Beethoven 7

Wien Musikverein Großer Saal Musikverein | Großer Saal

Interpreten

  • Eva Vogel, Mezzosopran
  • Ivor Bolton, Dirigent

Programm

Einen mitreißenderen Finalsatz als den in seiner siebten Symphonie hat Ludwig van Beethoven nicht hinterlassen. Richard Wagner sah darin die «Apotheose des Tanzes». Auch Hector Berlioz äußerte sich über diesen Meilenstein in der Symphonik Beethovens und verglich den Kopfsatz mit einer «Ronde de Paysans», einem «Bauerntanz». Berlioz selbst bewies sich mit seinen «Nuits d’été» als begnadeter Melodiker. Und die Ouvertüre zur einzigen großen Ballettmusik Beethovens gehört heute zum Standardrepertoire der Orchester: «Die Geschöpfe des Prometheus», ebenso wie die siebte Symphonie mit enormem Erfolg in Wien uraufgeführt.

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Ludwig van Beethoven

Ouvertüre zum Ballett «Die Geschöpfe des Prometheus» op. 43

Sätze

  • Adagio - Allegro molto con brio

Dauer

5 Min.

Entstehung

1801

Ludwig van Beethoven bekam im Jahr 1800 einen Kompositionsauftrag von dem gefeierten Tänzer und Choreografen Salvatore Viganò (1769 – 1821), der damals die Wiener Ballett-Compagnie leitete und mit seinem kühnen Stil eine neue Epoche des Tanzes in der Kaiserstadt einläutete. Seine dritte Wiener Produktion trug den Titel «Die Geschöpfe des Prometheus». In der Geschichte von der Erschaffung und geistigen Erweckung des ersten Menschenpaares fand Viganò einen idealen Stoff für die damals übliche pantomimische Darstellungsweise auf der Tanzbühne. Von Beethoven wurde eine dafür notwendige «musique qui parle», eine sprechende Musik, erwartet. Tatsächlich finden sich zahlreiche programmmusikalische Aspekte in der insgesamt 16 Nummern für Orchester umfassenden Ballettmusik Beethovens, wenn man sie mit den überlieferten Berichten vom Inhalt des Balletts vergleicht.

In ihrem Duktus sind einige Nummern von Beethovens Ballettmusik aber auch brisante symphonische Musikstücke, mit denen er an seine unmittelbar davor komponierte Symphonie Nr. 1 anknüpfte. So bildet etwa der Beginn der Ouvertüre, die unabhängig vom Ballett als eigenständiges Konzertstück bis heute im Repertoire überlebt hat, einen deutlichen Anklang an den Beginn der Ersten Symphonie: Da wie dort eröffnet Beethoven mit einem Sekundakkord, mit einem unaufgelösten Signal also, das die Spannung auf das Kommende erhöht. In der Ouvertüre führt nach einem Gesangsthema der Oboe – hier komponierte Beethoven nun hörbar eine Musik für das Theater – eine kurze Steigerung zum Allegro-Hauptteil, der als Perpetuum mobile dahinfegt, das von unwiderstehlichen Achtelnoten angetrieben wird. Beethovens Lust auf metrische Unregelmäßigkeiten durch Synkopen erhöht die Dynamik in dieser Ouvertüre, die in einer virtuosen Koda mündet. Der Charakter der Ouvertüre lebt auch in den folgenden Tanznummern weiter: Die Energie von Beethovens Musiksprache wird Viganò und seine Tänzerinnen und Tänzer sicherlich begeistert haben.

Im Hintergrund von Viganòs Wahl des «Prometheus»-Stoffes stand auch eine beabsichtigte Huldigung an Napoleon, an den «neuen Menschen», der sich damals anschickte, Europa zu «befreien». Nur wenige Jahre später erlahmte dann ja nicht nur bei Beethoven die Begeisterung für den französischen Feldherrn, als dieser dem Machtrausch verfiel.

Aber das beschwingte Thema, das Beethoven für die Finalnummer von «Prometheus» verwendete, lebte nach den Klaviervariationen op. 35 auch im Finale der Symphonie Nr. 3, der «Eroica», weiter, die Beethoven ursprünglich in Verehrung für Napoleon zu komponieren begann, ehe er die Widmung in eine allgemeine symphonische Ehrerbietung für einen heldenhaften Menschen umwandelte. Mythos und aktuelle Politik gingen auf diese Weise eine musikalische Verbindung ein.

© Rainer Lepuschitz | NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H.

Hector Berlioz

«Les nuits d'été» Liederzyklus für Singstimme und Orchester op. 7

Sätze

  • Villanelle (Ländliches Lied)

  • Le Spectre de la rose (Der Geist der Rose)

  • Sur les lagunes (Auf den Lagunen)

  • Absence (Trennung)

  • Au cimetière (Auf dem Friedhofe)

  • L'île inconnue (Das unbekannte Land)

Dauer

30 Min.

Hector Berlioz, glühender Feuerkopf und Urbild des impulsiven Genies, das durch Kampf und Leidenschaft zum Ziele gelangt – kaum ein zweiter Komponist scheint in seinem Wirken und seinen Werken so sehr diesem romantischen Ideal zu entsprechen. Er gilt als Begründer der Programmmusik und der Kunst der modernen Orchesterinstrumentierung. Zu Lebzeiten oft unverstanden, musste er einen Teil seines Lebensunterhaltes als (recht erfolgreicher) Musikschriftsteller bestreiten. Heute sind viele seiner Werke Fixpunkte der Spielpläne in aller Welt: Ob seine «Symphonie fantastique», die «Grand messe des morts» (Requiem), die Oper «Les Troyens» oder der heute gespielte Liederzyklus «Les nuits d’été» – individuelle Tonsprache, freie formale Gestaltung und untrüglicher Sinn für Dramatik zeichnen alle seine Schöpfungen aus. Dabei sollte sein Weg erst anderen Bahnen folgen: Louis-Joseph Berlioz, selbst anerkannter Arzt, hatte für seinen ältesten Sprössling Hector die Medizin als Profession vorgesehen. Der liberale, intellektuell weitsichtige Vater hielt aber auch viel auf möglichst breite Bildung und unterrichtete den Knaben bald selbst. Neben Literatur und Geographie fand der Jüngling bald seine Zuneigung zur Musik (er spielte Flöte und Gitarre), und dank einiger Bücher zum Thema in der väterlichen Bibliothek, etwa Rameaus Harmonielehre, lernte er die handwerklichen Grundlagen des Komponierens kennen. Doch erst seine Studienjahre in Paris, die anfangs noch der Medizin galten, brachten Begegnungen mit weiterer Literatur, vor allem Shakespeare, der gemeinsam mit Goethe und Vergil seinen literarischen Olymp bewohnte, und der Oper: Méhul, Boieldieu, Salieri, Spontini und vor allem Gluck machten großen Eindruck auf den knapp Zwanzigjährigen, dessen medizinische Laufbahn bald ihr Ende fand. 1826 trat Berlioz in das Conservatoire de Paris ein, um dort bei Jean-Francois Lesueur und Anton Reicha zu studieren, und noch im selben Jahr nahm er am Prix de Rome-Wettbewerb der Pariser Académie des Beaux-arts teil.

Insgesamt fünf Mal versuchte Berlioz, sein Können und seine individuelle außergewöhnliche Begabung bei dem seit 1803 auch für Musik vergebenen Prix de Rome (der vor allem einen zweijährigen Studienaufenthalt in Rom bedeutete) zu beweisen. Im ersten Jahr scheiterte er bereits an der Vorprüfung. Nach «La mort d’Orphée» und «Herminie» schien im Jahr 1829 «Cléopâtre», eine lyrische Szene auf einen Text von Pierre-Ange Vieillard des Boismartin, nun endlich die Juroren überzeugt zu haben. Doch man vergab in diesem Jahr den ersten Preis überhaupt nicht... 1830 sollte mit «La mort de Sardanapale» Preis und Rom-Aufenthalt in der Villa Medici doch noch an Berlioz gehen.

Schon in diesen frühen Kompositionen war es die menschliche Stimme, die Berlioz besonders fesselte. Allerdings ging er bei der Einbindung des Gesangs in sein Werk nicht den bei Schubert, Schumann oder anderen Komponisten üblichen Weg über das Klavierlied. Das Klavier beäugte er zeitlebens scheel, lernte er es selbst doch nie in ausreichendem Maße zu bedienen. Nicht zuletzt deshalb musste Berlioz eine neue Form des lyrischen Ausdrucks erfinden: das Orchesterlied. Dessen größere Möglichkeiten der farblichen Gestaltung und damit der tieferen Ausleuchtung der Textinhalte, kamen dem Lyriker Berlioz sehr entgegen. Nach früheren Liedversuchen sind es vor allem «Les nuits d’été» («Sommernächte»), die bis heute zu den beliebtesten Liedzyklen der Romantik zählen. Zuerst 1834 für Singstimme und Klavier geschrieben, orchestrierte Berlioz die sechs Lieder 1841 und gab sie als op. 7 heraus. Die duftige «Villanelle» steht als Verneigung vor dem ländlichen Frühling am Beginn des Zyklus. Von zarten Bläserstaccati begleitet, trübt sich der unbeschwerte Tonfall immer nur kurz ein, bleibt die zarte Lust am Erwachen der Natur und der Libido unbeschwert. In «La spectre de la rose» («Der Geist der Rose») meldet sich der Geist einer verwelkten Rose aus dem Jenseits zu Wort, die ihre letzten irdischen Stunden am Busen einer Ballkönigin verbracht hat. Am Schluss der ersten Strophe ist deutlich der Herzschlag im Orchester zu hören, und am Höhepunkt des Liedes, der Textstelle «Ce léger parfum est mon âme, et j’arrive du paradis» («Dieser Dufthauch ist meine Seele, und aus Eden komm’ ich her»), schwingt sich die Singstimme berauscht auf, um sogleich wieder zurückzusinken in verklärtes Pianissimo. Starb die Rose letztlich einen wünschenswerten Tod am Herzen einer schönen Frau, beklagt im dritten Lied, «Sur les lagunes: Lamento» («Auf den Lagunen: Lamento»), ein venezianischer Fischer den schmerzlichen Verlust seiner Geliebten. Jede der drei Strophen endet mit der niederschmetternden Erkenntnis, dass er ohne Liebe weiterleben und das Meer befahren muss; die Stingstimme stürzt dabei jedes Mal tief hinab. Zurück im Leben, wird in «L’absence» («Abwesenheit») das Fernsein von der Geliebten mitfühlend in herrlich innigen, weit gespannten Phrasen besungen. In morbide, romantische Friedhofsstimmung entführt «Au cimetière: clair de lune» («Auf dem Friedhof: Mondenschein»). Bestimmt von schreitender Orchesterbegleitung und der um einen engen Tonraum kreisenden Singstimme wird darin eine gespenstische Szene beschworen. Im letzten Lied, «L’île inconnue» («Die unbekannte Insel»), will eine schöne Frau das Ufer der Treue finden – und der schlagfertige Schiffer antwortet ihr, durchaus melancholisch, dass sie dorthin gewiss nie gelangen werde. Und damit schließt der Zyklus in so neckisch-spielerischer, leichter Stimmung, wie er begonnen hat.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Sätze

  • Poco sostenuto - Vivace

  • Allegretto

  • Presto - Assai meno presto

  • Allegro con brio

Dauer

38 Min.

Entstehung

1811-12

Ludwig van Beethoven war noch lange nicht fertig mit Napoleon, als er sich 1804 mit Vehemenz dagegen entschied, seine dritte Symphonie, die «Eroica», dem Korsen zu widmen, der sich soeben zum Kaiser gekrönt hatte. «Ist der auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher wie alle anderen stellen, ein Tyrann werden!», habe er dabei wütend ausgerufen. Ob diese Worte  freilich tatsächlich so oder so ähnlich gefallen sind, wie sich Beethovens Biograph Ferdinand Ries 1838 glaubte erinnern zu können, oder ob sie nicht vielmehr auf einer 1836 publizierten, romanhaften Ausschmückung von Beethovens Leben aus der Feder von Ernst Ortlepp fußen, sei einmal dahingestellt. Sicher ist, dass neben dem Komponisten auch ganz Europa noch nicht fertig war mit dem neuen Kaiser der Franzosen.

Beethoven betrachtete Napoleon von nun an «als seinen persönlichen Feind und bekämpfte ihn mit ‘seinen’ Waffen», ist etwa Attila Csampai überzeugt und zählt jene Werke auf, mit denen der Komponist in der Folge klare politische Stellung gegen jede Tyrannei bezogen hat: die «Coriolan»-Ouvertüre, die fünfte Symphonie, die Schauspielmusik zu Goethes «Egmont», die Ouvertüre zu «König Stephan» und besonders natürlich die zu ihrer Zeit unglaublich populäre Programmsymphonie «Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria» op. 91 (1813). Der erfolgreiche Kampf des britischen Generals gegen die napoleonischen Truppen in Nordspanien am 21. Juni 1813 wird in diesem heute als Kuriosität angesehenen Orchesterwerk im musikalischen Widerstreit des Liedes «Rule, Britannia» und eines französischen Marsches dargestellt, wobei die Schläge zweier großer Trommeln die fallenden Kanonenschüsse repräsentieren, bevor die folgende Siegessymphonie die Hymne «God save the King» in mehreren Variationen erklingen lässt. Das Werk ist fast völlig aus dem Konzertsaal verschwunden, überlebt aber, gemeinsam mit anderen musikalischen Schlachtengemälden wie Tschaikowskis Ouvertüre «1812», in etlichen Aufnahmen, bei denen zum Teil echte Kanonen verwendet wurden.

«Wellingtons Sieg» gehört jedenfalls in der Aufführungshistorie untrennbar zusammen mit der Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92, welche nach Harry Goldschmidt nichts anderes darstellt als eine weitere «Symphonie gegen Napoleon»: Die Uraufführung fand am 8. De­zember 1813 in der Aula der Alten Universität in Wien statt, acht Wochen nach der blutigen Völkerschlacht bei Leipzig, bei der die österreichischen, preußischen, russischen und schwedischen Truppen Napoleon eine entscheidende Niederlage zufügen konnten. Und vor diesem historischen Hintergrund verstand das zeitgenössische Publikum die beiden damals gekoppelten Werke «von Anfang an als zusammengehöriges Paar, als Einheit von Kampf (op. 91) und Sieg (op. 92) über Napoleon.» (Csampai). – Nun, das Werk erschließt sich freilich auch abseits außermusikalischer Zusammenhänge als faszinierendes Kunstwerk, das Beethoven «als eins der glücklichsten Produkte meiner schwachen Kräfte» ansehen durfte.

Das den ersten Satz eröffnende, ganz autonom wirkende Poco sostenuto in A-Dur sprengt in Umfang und Inhalt den Sinn einer langsamen Einleitung völlig, nimmt dabei aber doch wesentliche Elemente der ganzen Symphonie vorweg: Wir werden hier Zeuge, wie sich die Musik aus den elementaren Größen Dreiklang (als Akkord sowie melodisch als Zerlegung) und Tonleiter entwickelt, wobei diese stets nach oben strebt. Zweimal tritt eine lyrische Holzbläsermelodie als Kontrast zum energischen Treiben auf (zuerst in C-Dur, dann F-Dur), bevor Tonrepetitionen den Rhythmus in den Vordergrund zu rücken beginnen. Als sich das Geschehen auf dem Ton E festbeißt, der zwischen Violinen und Holzbläsern im Oktavabstand hin und her wandert, scheint ein Endpunkt erreicht, der gleichzeitig zur Initialzündung des Vivace wird: Der punktierte 6/8-Rhythmus beherrscht von nun an praktisch jeden Takt dieses vor tänzerischer Energie nur so strotzenden Satzes. Rasante Anläufe die Tonleiter empor, dramatische Halte, extreme dynamische Kontraste und grandios sich aufbauende Crescendi prägen die Musik, welche an einen niemals längere Zeit ermattenden Freudentanz gemahnt. Schon der «raketenhaft auffahrende Auftakt» zum ersten strahlenden Tutti-Einsatz des Hauptthemas, welches auch die Hörner mit schmetterndem Glanz mächtig herausstellen, wirkt für den Dirigenten und Musikwissenschaftler Peter Gülke wie die «Verkörperung des auf die Massen überspringenden Funkens, und zugleich als herrische Gebärde». Gerade diese musikalische Abschussrampe nützt Beethoven nach einer zuletzt dramatisch gesteigerten Durchführung am Beginn der Reprise für ein amüsantes Spiel mit der Hörerwartung: indem er nämlich zu den bereits im Hauptrhythmus crescendierenden Holzbläsern den Tonleiteranlauf der Streicher zunächst einmal ins Leere jagen und erst nach dem markanten Hinzutreten von Trompeten und Pauken erfolgreich in die Wiederkehr des Hauptthemas münden lässt.

Der zweite Satz (Allegretto), der bei den frühen Aufführungen stets so gut ankam, dass er wiederholt werden musste, steht dazu ausdrucksmäßig in deutlichem Kontrast, behält aber die elementare Bedeutung des Rhythmus bei: Regelwidrig bildet ein fahl schwebender Quart-Sext-Akkord der Bläser Anfang und Ende. Dazwischen erklingt eine Art Trauermarsch in a-moll mit ausdrucksvoll klagendem Thema über einem zunächst gleichsam nackt vorgestellten, ostinaten Rhythmus, der auf die Gebetsformel «Sancta Maria, ora pro nobis» zurückgehen könnte, wie Wolfgang Osthoff vermutet; er steckt freilich auch schon in der lyrischen Melodie der Einleitung zur Symphonie. Dass die tröstliche A-Dur-Melodie von Klarinette und Fagott an das Terzett «Euch werde Lohn in bessern Welten» aus dem zweiten Akt des «Fidelio» erinnert, wie Karl Nef aufgezeigt hat, fügt sich nahtlos in den Bedeutungszusammenhang ein.

Polternd bricht darauf das Scherzo (Presto) in F-Dur los, das der Vorliebe Beethovens in seiner mittleren Schaffensperiode folgt und demnach fünfteilig gebaut ist, also mit zweimalig erscheinendem Trio. Im erst derb aufstampfenden, dann leise trippelnden Hauptthema begegnen uns die musikalischen Elemente aus der Einleitung zum Stirnsatz wieder: Dreiklangszerlegung und Tonleiter, während die nach all dem ausgelassenen Trubel erschöpft wirkende Triomelodie mit ihrem langen Bordunton A einem niederösterreichischen Wallfahrerlied nachempfunden sein soll. Dass Beethoven die fünf Formteile nicht mit Wiederholungszeichen angibt, sondern ausschreibt, gibt ihm zudem Gelegenheit zu allerlei plötzlichen dynamischen Überraschungen.

Das Finale (Allegro con brio) schließlich reißt sich mit seinem dithyrambischen Taumel von allen nur denkbaren Ketten los: Das auf und ab wirbelnde Hauptthema wird in jedem Takt von zweierlei Synkopenbildungen angetrieben, welche im 2/4-Takt jeweils das zweite Viertel und das vierte Achtel mit Sforzati ruppig hervorheben. Das in Moll stehende, am wilden ungarischen Verbunkos orientierte Seitenthema betont widerspenstig jeden schlechten Taktteil. Und doch funktioniert das ständige Löcken wider das gewöhnliche metrische Schema nur dadurch, dass die rhythmischen Ostinati «mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufen und entgegen allen Erwartungen bis zum Schlußtakt keine Beschleunigung dulden – ausgerechnet dieses orgiastische Finale besitzt keine Stretta!» (Arnold Werner-Jensen). Die enormen rhythmischen Energien entladen sich stattdessen in der über brodelnden Bässen grandios aufgetürmten Coda zwei Mal in dreifachem Forte – eine Seltenheit in Beethovens Schaffen, welche den Ausnahmerang dieser in vielerlei Hinsicht extremen Symphonie noch unterstreicht.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer