Archiv: Beethoven 5

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Interpreten

  • Benjamin Beilman, Violine
  • Pierre Bleuse, Dirigent

Programm

Wolfgang Amadeus Mozart war das Geigenspiel gewissermaßen in die Wiege gelegt. Seine fünf Violinkonzerte, zuletzt jenes in A-Dur mit dem erhabenen Adagio und der berühmten «Alla-turca»-Weise im Finale, schrieb er, bevor er 20 Jahre alt wurde. Der junge amerikanische Geiger Benjamin Beilman nimmt den Dialog mit den Tonkünstlern unter der Leitung von Pierre Bleuse auf. Samuel Barbers berühmtes «Adagio for Strings» und Ludwig van Beethovens effektvolle fünfte Symphonie, seine «Schicksalssymphonie», rahmen diesen Abend des großen musikalischen Ausdrucks ein.

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Samuel Barber

Adagio aus dem Streichquartett op. 11 (Bearbeitung für Streichorchester)

Sätze

  • Molto adagio

Dauer

8 Min.

Entstehung

1936/38

Samuel Barbers Adagio für Streichorchester ist das Werk, mit dem er über alle Genre-Grenzen hinweg Berühmtheit erlangte. Der amerikanische Komponist Ned Rorem schrieb anerkennend: «Während Sie dies lesen, wird garantiert irgendwo auf der Welt Barbers Adagio for Strings aufgeführt. Das Adagio ist sicherlich das meistgespielte Stück ‚ernster’ amerikanischer Musik und räumt mit zwei gängigen Vorurteilen auf: dass Populäres immer minderwertig ist und dass das Neue stets das Alte übertrifft.» Der Komponist selbst blickte eher missmutig auf den Erfolg gerade dieses einen Stückes – immerhin blieben andere, in seinen eigenen Augen wichtigere Kompositionen stets im Schatten des Adagios. Die Geschichte des so einprägsamen Werkes ist schnell erzählt: Barber hatte 1936 während seiner Sommerferien mit Gian Carlo Menotti in Italien ein Streichquartett komponiert – sein Opus 11. Ein Jahr später bat Arturo Toscanini seinen Dirigentenkollegen Artur Rodzinski, damals Chefdirigent des Cleveland Orchestra, um einige Werke amerikanischer Komponisten, die er dirigieren wollte. 1937 hatte die NBC extra für Toscanini das NBC Symphony Orchestra gegründet, um dem gestrengen Dirigenten im Exil eine musikalische Heimat zu geben. Rodzinski empfahl den jungen Samuel Barber. Der wiederum sandte, vom Interesse des damals weltberühmten Toscanini begeis-tert, zwei Werke an Toscanini – die jener wortlos nach ein paar Monaten zurückschicken ließ. Es waren das «Essay Nr. 1» für Orchester und das Adagio für Streichorchester, ein Arrangement des langsamen Satzes seines Streichquartetts op. 11. Der enttäuschte Barber begann daraufhin, sich um einen anderen Dirigenten für die Uraufführung seines Adagios umzusehen. Im Sommer 1938 weilten Barber und Menotti erneut in Italien, diesmal am Lago Maggiore, wo sich auch Arturo Toscanini aufhielt. Dieser lud Menotti mit Begleiter zu sich ein, doch Barber blieb wegen einer angeblichen Erkältung fern. Toscanini antwortete dem entschuldigenden Menotti nur: «Oh, es geht ihm gewiss ausgezeichnet. Er ist nur böse, aber er hat keinen Grund dazu; ich werde seine beiden Stücke dirigieren.» Und tatsächlich setzte Toscanini für sein Rundfunkkonzert am 5. November 1938, das ein paar Millionen Amerikaner an den Radiogeräten verfolgten, Barbers «Essay» und das Adagio auf das Programm. Die Partituren sah Toscanini erst am Tag vor der ersten Probe wieder: Er hatte beide Werke bereits Monate zuvor, als er die Werke vom Komponisten erhalten hatte, gründlich studiert und auswendig gelernt. Der erfolgreichen Premiere folgten rasch weitere Aufführungen, Toscanini führte das Werk sogar auf Tournee auf.

1967 setzte Barber das Adagio als Agnus Dei für Chor. Bis heute gilt die knapp achtminütige Komposition als eindringliche Trauermusik: Schon 1945 wurde das Adagio bei der Radio-Bekanntmachung des Todes des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelts gespielt, später dann etwa bei den Begräbnissen von Albert Einstein, der monegassischen Fürstin Gracia Patricia oder Leonard Bernstein. In Film, Fernsehen, bei traurigen Anlässen und Gedenkfeiern: Überall scheint gerade dieses Musikstück perfekt zu passen. Der amerikanische Komponist und Pianist Rob Kapilow meint dazu, es repräsentiere alle Stadien, die Begräbnisfeierlichkeiten umspannen: «Es beginnt in unglaublicher Traurigkeit, steigert sich zu einem intensiven Höhepunkt und erreicht dann diese Art der Akzeptanz, die vollständig angebracht ist für diese Gelegenheit.» Die schlichte Bauart des Adagios tritt in der Quartettversion deutlich klarer zutage, während in der Streichorchesterfassung die Klangdichte die recht einfache Struktur stärker verschleiert. Ein schlichtes Dreiton-Motiv kehrt sequenzartig ständig wieder, wird erweitert, gesteigert und scheint schließlich zu einer einzigen, großen Melodie zu verschmelzen, bis es am Höhepunkt abbricht, nach einer Generalpause in einen knappen Abgesang mündet und schließlich ruhig verklingt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Wolfgang Amadeus Mozart

Konzert für Violine und Orchester A-Dur KV 219

Sätze

  • Allegro aperto - Adagio - Allegro aperto

  • Adagio

  • Rondeau. Tempo di Menuetto - Allegro - Tempo di Menuetto

Dauer

29 Min.

Entstehung

1775

Wolfgang amadeus Mozarts Violinkonzert A-Dur KV 219  ist das letzte von insgesamt fünf Violinkonzerten des Salzburger Komponisten. Mozart war das Geigenspiel gewissermaßen in die Wiege gelegt. Sein Vater Leopold, ein weithin angesehener Geigenpädagoge und Herausgeber eines Standardlehrbuchs mit dem Titel «Versuch einer gründlichen Violinschule», widmete sich der musikalischen Ausbildung des Knaben auch auf der Violine mit allergrößter Fürsorge. Wolfgang Amadeus brillierte als «Wunderkind» an europäischen Höfen sowohl am Klavier als auch auf dem Streichinstrument und konzertierte später als Geiger in Salzburg und auf Reisen unter anderem in München und Augsburg. Als junger Konzertmeister der erzbischöflichen Salzburger Hofmusik versorgte Mozart sich und weitere Geiger in der Hofkapelle und in anderen Musizierkreisen der Stadt mit herrlichster konzertanter Violinmusik. In seine Serenaden und Divertimenti, die er für Festlichkeiten von Salzburger Bürgern und Studenten komponierte, baute Mozart ausgedehnte Violinsoli ein. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne zwischen 1773 und 1775 schuf er aber auch fünf «wirkliche» Violinkonzerte.

Den konzertierenden Geigenstil lernte Mozart besonders auf seinen Italien-Reisen aus der Schule des Violinvirtuosen Tartini kennen, aber auch französische und böhmische Einflüsse (letztere durch den in Italien erfolgreichen Geiger Josef Myslivecek) lassen sich feststellen. Mozart orientierte sich am dreisätzigen Concerto-Vorbild, wie es von Vivaldi hundertfach vorgeprägt war. In der musikalischen Tiefenwirkung und der individuellen Ausgestaltung des Melodischen und des Formalen gelangte Mozart freilich von seinem ersten Violinkonzert an weit über die Vorbilder hinaus. Er reicherte die Elemente des Virtuosen und Unterhaltsamen mit höchster kompositorischer Kunst an. Die barocke Form, wie sie noch in den italienischen Vorbildern durchschimmerte, wurde in den Eröffnungssätzen von der Anlage des Sonatensatzes verdrängt, wie sie der junge Mozart in der Symphonik und Konzertmusik des viel  be­wun­­derten «Londoner Bach» (Johann Christian) kennengelernt hat. Ebenso entwickelte er die Beziehung zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester weiter, die nicht bloß in einem Wechselspiel von Solo und Tutti standen, sondern stark verflochten wurden. Ein wunderbares Bei­spiel dafür ist der langsame Mittelsatz des A-Dur-Violinkonzertes KV 219, ein Adagio mit einem fast feierlich getragenen Haupt­-thema, aus dem Solovioline und Orchester schöne weiterführende Melodien gewinnen. Ein Mirakel die klangliche Gestaltung, die Mozart aus Oboen-Harmonien, kleingliedrigen Violinfiguren, Synkopen in den zweiten Geigen und Bratschen und schreitenden Achtelnoten der Celli und Bässe webt.

Im Eröffnungssatz (Allegro aperto) des A-Dur-Konzertes löst das Orchester mit einem energischen, nach oben steigenden Thema eine prickelnde Allegro-Stimmung und große Erwartungshaltung aus – die Vorbereitungen für einen festlichen Auftritt des Soloinstruments scheinen getroffen. Doch was macht die Violine? Sie tritt mit langsamen Bewegungen ein, mit einer getragenen A-Dur-Drei­klangs­zerlegung und Seufzerwendungen: fünf Adagiotakte voller Innigkeit und Poesie. Erst dann steigt auch die Solovioline in das Allegro ein und verwickelt das Orchester sogleich in Dialoge, fordert Antworten auf seine figurativ ausgeschmückten Fragen, die zwi­schendurch auch in ernsten Molltönen vorgetragen werden.

Im Finale gibt die Solovioline das Rondothema im Menuett-Takt vor, das Orchester wiederholt es und wird mit der nächsten Solopassage vollkommen überraschend in eine Situation gebracht, die schon das Ende des Konzertes bedeuten könnte. Doch nach der mit Vorschlägen versehenen, wie eine Schlussfloskel klingenden A-Dur-Tonleiter – dieselbe Passage stellt dann tatsächlich gut 300 Takte später den ruhigen Ausklang des Werkes dar – bringt die Violine den Satz doch wieder in Bewegung. Vor weiteren Überraschungen ist man nicht gefeit. Plötzlich verlassen Orchester und Solist den Dreiertakt des Menuetts und schlagen ein heftig erregtes Allegro im 2/4-Takt an, das den Alla-turca-Mittelteil einleitet. Den Effekt der Janitscharenmusik und deren Schlagwerk erzeugt Mozart dadurch, dass er die Celli und Bässe  «coll’arco al roverscio» spielen lässt – die Saiten werden mit der Rückseite des Bogens berührt. Ironie der Geschichte: Ursprung dieser damals in Mode befindlichen «Türkenklänge» ist in diesem Fall eine ungarische Volksweise. Mozart hat diese «Alla-turca»-Melodie schon drei Jahre davor in Skizzen zu einem Ballett mit dem Titel «La gelosie del serraglio» verwendet. «Die Entführung aus dem Serail» ist schon nahe, Osmin stapft bereits durch dieses Violinkonzert.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Sätze

  • Allegro con brio

  • Andante con moto

  • Allegro

Dauer

36 Min.

Entstehung

1803/04-08

Ludwig van Beethoven schuf mit den drei aufeinanderfolgenden Achtelnoten und der anschließenden halben Note um eine große Terz tiefer das wohl markanteste Motiv der klassischen Musik. «So pocht das Schicksal an die Pforte.» Diese Worte zum Motiv wurden Beethoven von seinem Vertrauten Anton Schindler in den Mund gelegt. Deshalb bekam die Symphonie Nr. 5 c-moll op. 67 den hochtrabenden Beinamen «Schicksalssymphonie». Bohrend, hartnäckig, unerbittlich zieht sich dieses «Klopf-Motiv» in verschiedenen Ausprägungen durch die Symphonie. Deutlich ist jedem Takt des Werkes das Ringen um die Exis­tenz anzuhören, das Ankämpfen gegen Leid, Schmerz, Schrecken und Unterdrückung. Geradlinig, unverhüllt, ja geradezu plakativ wie sonst nie formulierte hier Beethoven musikalisch seine Botschaft.

Die Symphonie c-moll, deren erste Skizzen bis ins Jahr 1803, als Beethoven noch an der «Eroica» arbeitete, zurückreichen und die in den Jahren 1806 bis 1808 teilweise parallel zur «Pastorale» ausgearbeitet wurde, bildet das Zentrum in einer Schaffensperiode Beethovens, in der er mit den Ideen der französischen Revolution beschäftigt war und den gewachsenen Befreiungskampf des Bürgertums gegen ständestaatliche Ungleichgewichte künstlerisch mitfocht. (Dabei geriet bekanntlich der ursprünglich bewunderte Feldherr Napoleon, nachdem er sich zum Kaiser ausgerufen hatte, in die Zornesmühle des Komponisten, der die Widmung der «Eroica» an den Franzosen widerrief.) Beethoven begeisterte sich über die Wirren der Kriege und Wechselhaftigkeit der täglichen Politik hinaus für ein humanistisches Weltbild und für die Verwirklichung brüderlicher Ideale.

Es ist also eine musikalisch-ideologische Absicht Beethovens gewesen, dass er in die 5. Symphonie – wie in andere Werke auch – offizielle Musikstücke der Französischen Revolution als Zitate aufnahm: Der Siegeshymne von Lacombe entspricht das Hauptthema im Finale der Symphonie, seine Fortführung ähnelt der so genannten «Hymne dithyrambique» von Rouget de l’Isle, in der die «Liberté» besungen wird. Melodisch sind des Weiteren Vorbilder bei dem in Paris wirkenden Italiener Luigi Cherubini und bei dem mit Revolutionsmusiken befassten Franzosen François Gossec auszumachen.

Mit einer Fermate (einem musikalischen Haltezeichen) ist der vierte Ton des «Klopf-Motivs» im ersten Satz (Allegro con brio) versehen. Damit bekommt das Motiv seine eigene Ordnung, wird über den gewohnten Lauf der Dinge hinausgehoben. Um die außerordentliche Bedeutung dieses Vorgangs zu unterstreichen, hat Beethoven den lang anhaltenden Ton beim zweiten Einsatz des Eröffnungsmotivs noch um eine halbe Note verlängert. Normale Zeitabläufe werden dadurch außer Kraft gesetzt. Wenn das Schicksal anklopft, ist «die Zeit gekommen» und dadurch verändern sich die Dinge einschneidend.In einer anderen Passage des ersten Satzes scheint Beethoven die Zeit anzuhalten und eine Melodie überhaupt aus dem existentiellen Ringen heraustreten lassen zu wollen: Das Oboen-Rezitativ am Beginn der Reprise im Adagio-Tempo wird von zwei Fermaten eingerahmt. Beethoven blendet dieses Oboensolo aus dem Geschehen aus. Hier erhebt über die Allgemeinheit hinweg ein einzelnes Individuum, als direkt Betroffener, von Leiden erfüllt seine Stimme. Als Hörer wird man zum Mitbetroffenen.

Dem unerbittlichen c-moll-Kopfsatz folgt ein nach C-Dur aufgehelltes Andante con moto, in dem sich ein zuversichtlich einherschreitendes Thema zwischendurch einem Triumphzug anschließt, sich dann aber wieder der Beschäftigung mit inneren Werten zuwendet. Die Apotheose des Finales klingt in den Forte-Passagen des Orchesters bereits prophetisch an.

Bevor aber der Schlussjubel ungehemmt ausbrechen kann, führt die Musik im Scherzo (Allegro) noch einmal in bedrohliche, düstere, unheimliche Sphären, in denen auch das «Klopf-Motiv» widerhallt. Im Trioteil ergreifen die Bässe und Violoncelli mit einem energischen Thema die Initiative, aber der Durchbruch zum Licht gelingt erst nach einer totalen Zurücknahme der Dynamik, aus der sich eine grandiose Steigerung entwickelt. Ein letztes Mal mahnt sogar in diesem jubelnden Finale (Presto) das «Klopf-Motiv», doch schließlich reiht sich auch das Schicksal in den nicht enden wollenden Triumphzug ein.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz