Archiv: Sinfonia concertante

St. Pölten Festspielhaus Großer Saal Festspielhaus | Großer Saal

Interpreten

  • Kirill Maximov Nezalizov, Violine
  • Nikita Gerkusov, Viola
  • Emmanuel Tjeknavorian, Dirigentin

Programm

Vorhang auf für die Orchestersolisten der Tonkünstler! Konzertmeister Kirill Maximov und Solobratscher Nikita Gerkusov sind die Protagonisten dieses Verwöhnprogramms rund um die «Sinfonia concertante» in Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart – ein Doppelkonzert, das vom Publikum geliebt und bei den Ausführenden mit größtem Respekt behandelt wird. Klassik unter Freunden: Der junge Wiener Geiger Emmanuel Tjeknavorian, beiden Streichern seit der gemeinsamen Studienzeit vertraut, macht sich mehr und mehr auch als Dirigent einen Namen und wählte für den zweiten Konzertteil Franz Schuberts vierte Symphonie, seine «Tragische».

Aufgrund der geltenden Verordnungen zur Covid-19-Prävention sind auch unsere Konzertprogramme Änderungen unterworfen. Die für diesen Abend ursprünglich als Eröffnungsstück vorgesehene «Hebriden»-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy muss leider entfallen.

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Wolfgang Amadeus Mozart

Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur KV 364

Sätze

  • Allegro maestoso

  • Andante

  • Presto

Dauer

30 Min.

Entstehung

1779

Wolfgang Amadeus Mozarts leidlich schlechtes Verhältnis zu seinem Salzburger Dienstherrn Fürsterzbischof Colloredo ging 1777 erstmals in die Brüche. Mozart war zuversichtlich, anderswo eine bessere Stelle finden zu können und reiste im September 1777 mit seiner Mutter nach München, Augsburg, Mannheim und Paris, wo Mozart im Frühling 1778 einige Konzerte gab. Die feste Anstellung blieb trotz mancher Achtungserfolge ein unerfüllter Wunsch. Am 3. Juli starb die Mutter Anna Maria in Paris; entmutigt und traurig trat der Sohn Ende September den Heimweg an. Es blieb zu Hause nichts anderes übrig, als den Fürsterzbischof Colloredo ein zweites Mal um gnädige Aufnahme zu bitten - die «größte Narrheit von der Welt», wie er schrieb. Per Dekret vom 17. Jänner 1779 trat Mozart wieder in die Dienste des von ihm so bezeichneten «Erzlümmels». Immerhin verdiente er als Hof- und Domorganist in etwa das Dreifache im Vergleich zu seiner früheren Stelle. Die zweite (und endgültige) Kündigung - damals geschah dies freilich standesgemäß durch die Bitte um Entlassung - erfolgte dann 1781 und wurde mit dem berüchtigten Fußtritt des Hofbeamten Graf Arco in Mozarts Allerwertesten quittiert.
Die Zeit zwischen seiner Rückkehr von der Reise nach Mannheim und Paris und seiner endgültigen Abkehr von Salzburg, also Jänner 1779 bis Juni 1781, zählt zu Mozarts produktivsten Perioden. Viele kirchenmusika- lische Werke entstanden, darunter die Messen C-Dur KV 337 und KV 317 («Krönungsmesse») sowie die Vesperae solennes de confessore KV 339. Auf einer Konzertreise nach München wurde im Jänner 1781 in München «Idomeneo» uraufgeführt, Mozart schrieb unter anderem auch das Konzert für zwei Klaviere und Orchester KV 365 und die «Gran Partita» KV 361.
Neben den genannten Werken ist die Zahl der Konzerte für zwei oder mehr Soloinstrumente und Orchester in diesen Jahren auffallend hoch. Mozart beschäftigte sich mit diesem Genre unmittelbar nach seiner Reise nach Mannheim und Paris, wo sich Konzerte dieser Art größter Beliebtheit erfreuten. Die Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur KV 364 ist zweifellos der berühmteste Beitrag Mozarts zu dieser eigentümlichen Gattung, einem Hybrid aus Symphonie und Konzert - am ehesten mit dem barocken Concerto grosso vergleichbar. KV 364 ist darüber hinaus der erste große Höhepunkt in Mozarts Instrumentalkonzerten. In seinen Werken vor dieser Zeit ist ein so persönlicher und charaktervoller Ton nur selten zu hören. Erwähnenswert ist auch die Skordatur der Viola, also die (in diesem Fall um einen Halbton) erhöhte Stimmung - wahrscheinlich wollte Mozart damit eine hellere Klangfarbe des Instruments erzeugen.
Der erste Satz (Allegro maestoso) eröffnet mit punktierten Akkordschlägen und ebnet in sanften Wellenbewegungen die Kulisse für einen eleganten ersten Auftritt der beiden Soloinstrumente - fast wie aus dem Nichts erklingen die Kantilenen der Violine und der Viola, die einander und das gesamte Orchester herrlich umspielen. Die Kadenz - üblicherweise frei improvisiert - schrieb Mozart vollständig aus, was bei zwei Soloinstrumenten durchaus günstig ist. Mit beredter Virtuosität treten die beiden Streichinstrumente in einen Dialog, der Momente von unnachahmlicher Zartfühligkeit aufweist. Das Tutti des Orchesters reißt die Protagonisten fast wie aus dem Schlaf und krönt den Kopfsatz mit pompösen Akkorden in Es-Dur.
Das Andante in c-moll ist in einer niedergeschlagenen und bedrückten Stimmung gehalten. Die Soloinstrumente singen ein Duett, das zwischen passiver Tristesse und dramatischer Verzweiflung mäandert, untermalt von dunklen Orchesterschatten. Der bereits erwähnte persönliche Tonfall, den Mozart in seiner Sinfonia concertante anschlägt, erlebt hier seinen innigsten Ausdruck.
So dunkel der Mittelsatz auch war, so hell und jubelnd ist das Finale (Presto), das mit lebensbejahender Kraft dem Himmel entgegenfliegt. Die wiedergewonnenen Lebensgeister ermuntern die Soloinstrumente zu einem neckischen Spiel, musikalische Gedanken werden einander zugeworfen und variiert. Mit einem kräftigen Tutti des Orchesters und der Soloinstrumente beschließt Mozart dieses großartige Werk.
© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Ramón de Orelexa (Alexander Moore)

Franz Schubert

Symphonie Nr. 4 c-Moll D 417 «Tragische»

Sätze

  • Adagio molto - Allegro vivace

  • Andante

  • Menuetto. Allegro vivace - Trio

  • Allegro

Dauer

30 Min.

Entstehung

1816

Franz Schubert  hat viele seiner Werke nie hören können. Als der Tod 1828 in ihm nicht nur «einen reichen Besitz» begrub, sondern gar «noch schönere Hoffnungen», wie es Grillparzer in seiner Grabrede formulierte, konnte niemand ahnen, dass der so jung Verstorbene nicht nur ein Meister des Liedes und der Kammermusik gewesen war, sondern einige seiner bedeutendsten Werke vorerst (und zum Teil noch jahrzehntelang) ungesehen und so auch ungehört zwischen Stößen vermeintlich wertlosen Papiers vergilben sollten.

Seine erste Symphonie schrieb der 16-Jährige noch für die «Orchester-Exercitien», die zur umfassenden theoretischen wie praktischen Ausbildung der Sängerknaben im k. k. Stadtkonvikt gehörten – doch kamen diesen im Wesentlichen nur interne Bedeutung zu. Die Knaben lernten auf diesem Wege das heute «klassische» Repertoire nicht nur von Mozart und Haydn kennen, sondern auch schon die aktuellen Werke Beethovens – gewichtige Eindrücke, die sich zwangsläufig in Schuberts früher Symphonik niederschlugen. Und so galten lange Zeit die insgesamt sechs Symphonien, die in fast regelmäßigem Jahresabstand bis 1818 entstanden waren, als vergleichsweise inferiore, epigonale Versuche, einen eigenen symphonischen Stil erst zu finden; ein Vorurteil, das ihnen in abgeschwächter Form bis heute anhaftet. Zu Unrecht. Mit etwas herablassendem Lächeln «kommen wir dem Konflikt des Symphonikers Schubert», wie Bernhard Rzehulka ausführt, «um keinen Deut näher. Denn neben Beethoven, noch dazu in derselben Stadt, Symphonien zu komponieren, stellte mehr als nur ein Wagnis dar. Zudem taumelte das musikalische Wien im Rossini-Fieber. […] Noch lähmender aber war das öffentliche Leben im Metternichschen Zwangssystem.

Die kleinen Leute – und Schubert gehörte zeit seines Lebens einer unterprivilegierten Schicht an – zogen sich in die halbprivate Sphäre des Wirtshauses zurück; weiß Gott, kein dynamischer Ausgangspunkt für einen jungen Symphoniker. Denn Symphonie – das bedeutete Öffentlichkeit, und diese wiederum war ohne den einflußreichen Adel nicht herstellbar. Schuberts symphonische Werke aber bezeichnen den Aufbruch aus dem niederen Wirtshaus hin zum aufgeklärten Bürgertum. […] Es ist nicht zu hoch gegriffen, Schuberts symphonische Werke als musikalisches wie soziologisches Politikum zu bezeichnen.»

Die Symphonie Nr. 4 c-moll D 417 mit dem, wie Schumann vermutete, gar nicht vom Komponisten selbst stammenden, jedenfalls nachträglich hinzugefügten, Beinamen «Die Tragische» schlägt unter den Jugendsymphonien Franz Schuberts gewiss die düstersten Töne an, zumal nach der sonnigen Heiterkeit der vorangegangenen Dritten. Trotzdem ist sie aber insgesamt weniger dramatisch-schicksalhaft, sondern vielmehr, besonders in den Ecksätzen, von nervöser, fast manischer Energie durchpulst. Sie wegen der gleichen Tonart etwa an Beethovens Fünfter zu messen, tut dem Werk des 19-Jährigen insofern Gewalt an, als es seine Eigenart verleugnet und über einen ganz unpassenden Leisten schert. Viel mehr als an Beethovens «Per aspera ad astra»-Schema orientierte sich Schubert hier nämlich am Vorbild Joseph Haydns, an dessen «Sturm und Drang»-Symphonien ebenso wie am Spätstil des Oratoriums «Die Schöpfung». Das kommt, man kann es nicht oft genug betonen, keineswegs einem Rückschritt gleich, stellt doch die vermeintliche lineare Entwicklung der Musikgeschichte von Haydn zu Beethoven und weiter in die Romantik ein Konstrukt des späteren 19. Jahrhunderts dar.

Der Stirnsatz hebt mit einer langsamen Einleitung an, welche an Haydns «Vorstellung des Chaos» denken lässt, und die Antonín Dvorák mit den Worten rühmte: «Es setzt einen in Verwunderung, daß ein so junger Mensch die Kraft hatte, sich mit solch tiefem Pathos auszudrücken. In dem Adagio finden sich Akkorde, die einen entschieden an den angstvollen Ausdruck der Aussagen Tristans gemahnen.» Das Allegro vivace etabliert dann mit seinem schmerzlichen Hauptthema über der rastlos pochenden Achtelbegleitung den Eindruck eines dunklen Perpetuum mobile, welches auch unter dem empfindsam sich windenden, Aufhellung bringenden Seitenthema dahin eilt und überhaupt den ganzen Satz bestimmt, der nach der überraschend in g-moll stehenden Reprise dennoch in C-Dur endet. Im Andante kontrastiert Schubert ein innig-gesangliches As-Dur-Thema zweimal mit einem herben, von energischen Sechzehntel­figuren grundierten Trauermarsch in f-moll, wobei sich die unruhigen Sechzehntel dann als Begleitung auch ins Gesangsthema ausdehnen. Das Menuett entpuppt sich sogleich als rhythmisch pointiertes Scherzo, dessen widerborstige Akzente den 3/4-Takt leugnen und einen 2/4-Takt vorgeben, bevor das Finale an den Perpetuum-mobile-Gestus anschließt: Licht und Schatten wechseln ständig, zwischen Bläsern und Streichern entspinnt sich ein exquisites Frage-Antwort-Spiel – und schon mit der Reprise ist jenes helle C-Dur erreicht, in welchem Schubert durch typische harmonische Wendungen, die bereits an die so genannte «Große» C-Dur-Symphonie D 944 erinnern, den Schluss des Werks zu pathetischer Größe führt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer