Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15

Sätze

  • Allegro con brio

  • Largo

  • Rondo. Allegro

Dauer

37 Min.

Entstehung

1795-1801

Ludwig van Beethoven war 1792 mit 22 Jahren nach Wien gekommen, um bei Joseph Haydn in die Lehre zu gehen. Als Klaviervirtuose und Komponist in Personalunion hatte der junge Mann aus Bonn jedoch längst Erfahrung sammeln können: Von einem Klavierkonzert Es-Dur (WoO 4) des 14-Jährigen ist zwar kaum mehr als der Solopart erhalten, doch entstand noch in der Heimat 1790 die erste Version des B-Dur-Konzertes, das in seiner vierten, endgültigen Gestalt dann 1798 in Wien uraufgeführt und als Nummer 2 op. 19 herausgegeben wurde. Das heute auf dem Programm stehende, größer dimensionierte Klavierkonzert C-Dur hingegen erschien zwar als erstes im Druck und trägt deshalb die Nummer 1 op. 15, ist aber in Wahrheit bereits Beethovens drittes Werk der Gattung. Erstmals erklang es am 29. März 1795 als Pausen-Einlage zwischen den Teilen eines heute längst vergessenen Oratoriums – mit dem Komponisten am Klavier: «Zum Zwischenspiel hat am ersten Abend der berühmte Herr Ludwig van Beethoven mit einem von ihm selbst verfaßten ganz neuen Konzerte auf dem Pianoforte den ungeteilten Beifall des Publikums geärndtet», heißt es in der Kritik der Wiener Zeitung. Über die besonderen pianistischen Fähigkeiten seines Lehrers schrieb Carl Czerny später: «Sein Spiel besaß nicht jene reine und brillante Eleganz mancher anderer Klavieristen, war aber dagegen geistreich, großartig und besonders im Adagio höchst gefühlvoll und romantisch. Sein Vortrag war, so wie seine Kompositionen, ein Tongemälde höherer Art, nur für die Gesamtwirkung berechnet.»

Dass Beethoven die gesamte Instrumentalmusik vom überlieferten rhetorischen Prinzip her als erzählende Kunst verstanden hat und als solche begriffen wissen wollte, belegen eindrucksvoll die Überlieferungen seines Schülers, Adlatus und Biographen Anton Schindler. Demnach habe Beethoven etwa bei der Interpretation von Klaviersonaten den Musikern geraten, ihnen unklare Phrasen mit Worten zu unterlegen und sie zu singen, um dann das Gehörte pia-nistisch umzusetzen. Das rhetorische Prinzip sei, so betonte Schindler, die Grundlage aller Beethoven’schen Werke, der möglichst deklamatorische Vortrag der einzig richtige und damit auch das Setzen nicht notierter Pausen oder der stellenweise freie Umgang mit dem Takt legitime Mittel, den Tönen Sinn zu verleihen. Beethovens eigenes Klavierspiel hat all dies beherzigt. Die deutsche Musikhistorikerin Marie Lipsius etwa zitiert 1923 in ihren fünfbändigen «Musikalischen Studienköpfen» in diesem Zusammenhang eine zeitgenössische Quelle, in der es heißt: «Für den Uneingeweihten war es umso interessanter, zu bemerken, wie die Musik von des Mannes Seele sich auf sein Gesicht übertrug. Er schien mehr das Kühne, Gebietende und Stürmische zu fühlen, als das Sanfte und Stille. Seine Gesichtsmuskeln schwollen an, und seine Augen traten hervor; das doppelt wilde Auge rollte, der Mund bebte, und Beethoven sah aus wie ein Zauberer, der von den Geistern überwältigt wird, die er selbst gerufen hat.» All diese unverblümte Emotionalität widerspricht dem oft bemühten Klischee der Klassik von «edler Einfalt und stiller Größe» aufs Deutlichste.

Das Klavierkonzert C-Dur beginnt mit einem stilisierten Marsch, wie es auch Mozart oft so gehalten hatte – und doch verdankt Beethovens leiser Unisono-Anfang dem Lehrer Haydn viel mehr als dem verstorbenen Meister aus Salzburg. Der bis zum Überdruss zitierte Stammbucheintrag des Grafen Waldstein, «Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen», sagt mehr aus über die bereits begonnene Verklärung Mozarts als über Haydns Unterricht oder konkrete stilistische Vorbildwirkung. «Während Mozart festgeprägte, anthropomorphe musikalische Gestalten wie Bühnenfiguren gegeneinanderstellt, und zwar in gewaltloser Integration, die zu seinen Formgeheimnissen gehört», stellt Dietmar Holland dazu fest, «entwickelt Beethoven sein Satzgeschehen aus absichtlich einfachen Motiven, die erst im weiteren Verlauf enthüllen, was in ihnen an Potential verborgen liegt.» Das simple rhythmische Unisono-Motto mit halber Note, gefolgt von drei Vierteln eine Oktave höher, einfach C-Dur exponierend – es liegt nicht nur dem Stirnsatz zugrunde, sondern ist auch in den restlichen Sätzen präsent: Am Beginn des weit ausschwingenden Largo liegt es in der linken Hand des Klaviers sowie in den begleitenden Streichern, und im kapriziös-ausgelassenen Rondo-Thema erscheint es figuriert und im Tempo gesteigert. Durch diesen Kunstgriff kann Beethoven zumal den ersten Satz (Allegro con brio) besonders groß und gestaltenreich anlegen, ohne dass der Zusammenhalt dadurch aufs Spiel gesetzt würde: mit vielfältig auftrumpfenden Fanfaren, überraschenden Modulationen, einem elegisch gefärbten Seitenthema sowie natürlich brillant-melodiösem Figurenwerk, pointierten Kommentaren und fast theatralisch inszenierten Steigerungen in der Solostimme (da führt etwa ein Sturz über dreieinhalb Oktaven zurück in die Reprise). Im innigen Largo entspinnen sich zarte Dialoge zwischen den Girlanden des Klaviers und besonders der lyrisch singenden Klarinette, bevor das Rondo (Allegro scherzando) humoristische Widerborstigkeit und ausgelassene Freude vereint, wobei auch ein charakteristisches a-moll-Couplet «all’ungherese» tänzerischen Zunder aus der Puszta versprüht.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer

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