Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73

Sätze

  • Allegro

  • Adagio un poco moto -

  • Rondo. Allegro

Dauer

36 Min.

Entstehung

1809

Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 ist der beste Beweis dafür, dass die Kunst vollkommen eigenständig ist. Sie bewahrt sich eine Unabhängigkeit von den Geschicken der Welt. Und ein Kunstwerk lässt sich oft nicht in Einklang bringen mit der Situation des Künstlers, in der er es erschafft. So entstand das fünfte Klavierkonzert, dieses optimistische und beglückende Werk, in einer bedrohlichen und deprimierenden Situation. Napoleons Truppen belagerten 1809 Wien und besetzten die Stadt. «Welch zerstörendes, wüstes Leben um mich her! Nichts als Trommeln, Kanonen, Menschenelend in aller Art», stieß Beethoven in einem Brief verzweifelt aus.

Doch seine schöpferische Kraft war stärker, Beethoven baute als Schutzschild ein monumentales Solokonzert auf. Die festliche Tonart Es-Dur wählte der Komponist sicherlich nicht zufällig. In dieser Tonart steht auch die fünf Jahre zuvor entstandene «Eroica», die Beethoven bekanntlich ursprünglich dem als revolutionären Befreier eingeschätzten französischen Feldherrn Napoleon widmete, dann nach dessen Selbstkrönung zum Kaiser die Widmung jedoch durchstrich. Und jetzt ließ er in derselben Tonart kein heroisches, sondern ein strahlendes Werk folgen, das prunkvolle Klangsäulen, festliche Akkordgebilde und brillante Figuren gegen die Bedrohung aufbaute.

Gleichzeitig stieß Beethoven mit diesem Werk die Tür auf zum großen romantischen Klavierkonzert. Die Situation hat sich gegenüber Mozarts Konzerten entscheidend verändert: nicht mehr angeregter und gefühlvoller Dialog von zwei Partnern – Solist und Orchester – wie bei Mozart, sondern Symphonie im Konzertformat, von Solist und Orchester gemeinsam angegangene Weltverbesserung.

Das Orchester gibt im ersten Satz (Allegro) zu Beginn die grundlegenden Akkorde vor, die der Solist sofort virtuos in rauschenden figuralen Läufen auseinanderzieht. Anders als bei Mozart, der dem Klavier oft auch andere Thematik als dem Orchester zuteilt, ziehen nun in diesem Beethoven-Konzert Solist und Orchester an einem Strang. Sie unterstützen einander, widmen sich hingebungsvoll denselben Themen und betrachten diese von allen Seiten. So kommt es, dass das zunächst mitreißende und erhebende Hauptthema später in berührend schöner, lyrischer Gestaltung auftritt, das zunächst heitere, verspielte Seitenthema jedoch plötzlich als festlicher Marsch daherkommt, wie ein Triumphzug. Man denkt an die Befreiung der Gefangenen im «Fidelio». Gemeinsam bauen Klavier und Orchester dann mit wuchtigen Akkorden und Skalen eine neue Welt aus Vertrauen, Zuversicht und Freiheit auf.

Apropos Freiheit: In keinem Solokonzert davor sind dem Solisten solch improvisatorisch wirkende, frei präludierende Passagen anvertraut – von den ersten Tonskalen an, die an kein Thema gebunden sind, sondern zunächst einmal den Tonraum ausleuchten, in dem die Musik stattfindet. Das Klavier fühlt sich als selbständiges Wesen respektiert und aus dieser Position heraus stark genug, mit dem Orchester gemeinsam zu agieren. Aber all diese Freiheiten sind von Beethoven auskomponiert, er will diesen Zustand des ständigen Improvisierens und Kadenzierens festhalten für alle Zeiten. Eine eigene Kadenz für dieses Werk zu schreiben, erschien ihm hingegen überflüssig.

Im langsamen Mittelsatz (Adagio un poco mosso) hebt Beethoven aus dem Es-Dur-Strahlen in ein entrücktes, zart glänzendes H-Dur ab. Der Ton Es als letzter Klang des ersten Satzes ist im zweiten derselbe Anfangston, nunmehr aber als enharmonisch verwandelter Ton Dis und unter vollkommen veränderten harmonischen Umständen. Es ist, als ob man in eine Traumwelt versetzt wird. Die Streicher verströmen einen milden Gesang, von zarten Tupfern der Bläser begleitet. Das Klavier versenkt sich in meditative Bereiche voller Harmonie und entfaltet über wiegenden Triolen eine ruhevolle und innige Kantilene. Dann ein leiser Schritt vom Ton H um einen Halbton tiefer zum Ton B und von dort zurück in die Grundtonart Es-Dur, in der das Klavier leise das folgende Rondothema vorbereitet, das dann mit enormer Energie losstürmt.

Die Musik reitet im Finale (Rondo. Allegro) dem Glück entgegen. Die Euphorie entsteht aus kräftigen musikalischen Motiven und einem unwiderstehlichen Rhythmus. Dann hält das Klavier über leise pochenden Paukenschlägen noch einmal inne – eine Besinnung auf die Zartheit des Glücks, ehe die Fahnen im Schlussjubel geschwenkt werden.Im englischsprachigen Raum nennt man dieses Werk gerne «Emperor Concerto», in Anspielung auf den damals auf dem Höhepunkt seiner Macht stehenden Kaiser Napoleon, dem Beethoven das Werk aber nun ganz und gar nicht zugedacht hat. Gewidmet hat er es Erzherzog Rudolph Johann Joseph Rainer von Österreich (1788 – 1831), der ein Mann der Kunst war. Mehrere Jahre nahm er Klavier- und Kompositionsunterricht bei Beethoven und brachte es zu einem beachtlichen Können als Pianist. Rudolph förderte nicht allein Beethoven entscheidend mit materiellen Zuwendungen, er unterstützte darüber hinaus auch musikalische Institutionen wie die k. k. Philharmonische Gesellschaft in Wien (aus der später die heute noch bestehende Gesellschaft der Musikfreunde hervorging). Beethoven fühlte sich mit dem Erzherzog in echter Freundschaft verbunden und widmete ihm nicht nur dieses Klavierkonzert, sondern eine Reihe weiterer bedeutender Kompositionen: für Rudolphs Einführung in das Amt des Erzbischofs von Olmütz die «Missa solemnis», weiters die Oper «Fidelio», das Klavierkonzert Nr. 4, die jeweils letzte Violin- und Klaviersonate und das Klaviertrio op. 97, das deshalb den Beinamen «Erzherzogs-Trio» trägt. Auch dem 5. Klavierkonzert stünde der Beiname «Erzherzogs-Konzert» besser an als der irreführende englische Titel.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden