Danke, Yutaka Sado!
Was unsere Orchestermitglieder beim Abschied von ihrem Chefdirigenten bewegtWie verabschiedet man einen Chefdirigenten? In Freundschaft, das ja. In Dankbarkeit, auf jeden Fall, davon jede Menge. Mit Wehmut, allerdings, das auch. Mit vielen Erinnerungen, sehr vielen sogar, nach bald zehn Jahren. In Vorfreude auf diese letzte gemeinsame Saison und auf alle künftigen Konzerte mit ihm in Wien, Niederösterreich, Japan, Großbritannien, wo immer. Und, am Ende der Dekade, mit der größtmöglichen aller Symphonien, mit Gustav Mahlers Achter, seiner «Symphonie der Tausend»: acht Solostimmen, drei Chöre, der Hymnus «Veni creator spiritus», an keinen Geringeren als den Heiligen Geist persönlich gerichtet, und Johann Wolfgang von Goethes «Faust». Die ganz große Nummer, ein gegenseitiges Abschiedsgeschenk.
Den Chefdirigenten zu wechseln, ist wichtig für ein Orchester. Neue Besen kehren gut, manche Menschen tauschen den alten gern öfters aus, andere würden ihn am liebsten nie wieder hergeben. Ein banaler Vergleich, aber er beschreibt die durchaus heterogenen Sichtweisen in einem Orchester anlässlich des Chefwechsels sehr treffend – vorausgesetzt natürlich, man ist einander gut. Gleichwohl: Gemessen an heutigen Maßstäben, sind zehn gemeinsame Jahre in solcherart künstlerischer Verbundenheit eine lange Zeit. Eine sehr lange Zeit sogar. Sie gründet in Vertrauen, sonst gäbe es ja keine Vertragsverlängerungen zwischendurch. Sie stiftet Einvernehmen, weckt Zuneigung, bringt Wissen über- und Sensibilität im Umgang miteinander.
Wie genau sich das anfühlt, können freilich jene Beteiligten am besten beschreiben, die im Rad der alltäglichen, sich wiederholenden Abläufe voller Leidenschaft und in höchster Professionalität für die gemeinsame Sache arbeiten und für das gemeinsame Ergebnis: symphonische Konzerte. Musik für Menschen. Deshalb kommen auf den folgenden Seiten neben dem Chefdirigentenselbst und dem Manager die Musikerinnen und Musiker zu Wort. In Briefform, als Interview und in kurzen Erinnerungstexten schildern sie, die über mehrere Jahre mit Yutaka Sado musiziert haben, was sie erlebt, gelernt, empfunden haben, was sie bewegt und beeindruckt hat. Und hier gelangen die so heterogenen Sichtweisen, wie es sie in einem großen Symphonieorchester einfach geben muss und immer geben wird, zu erstaunlich homogenen Schlüssen: die Begegnung auf Augenhöhe, tiefes gegenseitiges Vertrauen, Zuneigung, die auch das Loslassen-Können meint.
Yutaka Sado stärkt das Selbstvertrauen des Orchesters und seine Fähigkeit zur Selbstorganisation in einem Ausmaß, das die Erwartungen weit übersteigt. Er schenkt seinen Musikerinnen und Musikern und dem Publikum überragende, ja existenzielle künstlerische Erfahrungen und Erlebnisse, die niemand vergessen wird, der dabei, geschweige denn jemand, der an ihrer Entstehung beteiligt ist. Er bestätigt die jungen Orchestermitglieder in ihrer Berufswahl und lässt die schonlänger Dienenden vergessen, dass sie im Dienst sind. Ob wie ein Bandleader lässig zur Musik Leonard Bernsteins tänzelnd, ob philosophierend durch die Klangmassive Anton Bruckners steuernd oder mit feinem Gespür die Ironie und die Abgründe in der Symphonik Gustav Mahlers auslotend: In den besten Momenten reißt Yutaka Sado alle mit, die sich im Saal befinden, einschließlich seiner eigenen Person, versteht sich. Das schweißt zusammen, auch über schwierige Jahre hinweg. Sein Drang zur Bühne, seine Liebe zur Musik sind ansteckender als jedes Virus.
Wie also verabschieden wir Yutaka Sado? Gar nicht. Es ist ja gar kein Abschied, nicht wirklich. Der Chefdirigent geht. Yutaka Sado wird bleiben.
«Tiefer eintauchen in die Musik»
Maria Fomina über die unbeschreibliche Energie in gewissen MomentenSo entstehen die wunderbaren Momente, in denen man mit dem Gesamtklang gewissermaßen verschmilzt.
Den weitaus größten Teil meiner Zeit im Tonkünstler-Orchester habe ich mit Yutaka Sado verbracht. In all diesen Jahren durfte ich miterleben, wie weit unser Orchester in Richtung Klangfarbenvielfalt, Ausdrucksfreiheit und-intensität gegangen ist – auf diesem unendlichen und spannenden Weg unterwegs zu sein, ist ein sehr schönes Gefühl! Mich hat immer wiederüberrascht und erstaunt, dass Yutaka mich mit seiner Wortknappheit und Expressivität motiviert hat, tiefer in die Musik einzutauchen und mir selbst ebenso wie meinen Kolleginnen und Kollegen achtsamer zuzuhören. So entstehen die vielen wunderbaren Momente, in denen man sich nicht mehr wie ein einzelner inmitten vieler zusammenspielender Menschen empfindet, sondern mit dem Gesamtklang gewissermaßen verschmilzt. Die enorme Energie, die dabei zwischen dem Dirigenten, dem Orchester und dem Publikum entsteht, ist unbeschreiblich!
Maria Fomina musiziert seit 2012 im Tonkünstler-Orchester.
«Chefdirigent der Herzen»
Sobald Yutaka Sado vor das Orchester tritt, stellt sich bei Alexander Gheorghiu ein Gefühl der Freude und der Erleichterung ein – noch immer.Zu Tode geprobt ist auch gestorben. Ich bin Yutaka Sado unendlich dankbar, dass er uns das erspart und unserem Orchester große Momente der Gestaltung und der musikalischen Freiheit schenkt.
Chefdirigent. Zugegeben, mit diesem Begriff habe ich ein Thema. Nicht, weil es mir schwerfiele, seine Autorität zu akzeptieren, sondern ganz im Gegenteil: Im Grunde genommen sollte jeder Dirigent, der vor dem Orchester steht, ein Chef sein – oder eine Chefin halt.
Ist der Chefdirigent jetzt der Chef aller Chefs wie der Chefkoch eines Haubenlokals? Darüber kann man spekulieren. Denn vor dem Orchester ist alles dann doch anders: Jeder Augenblickzählt, jeder Atemzug, jede einzelne Geste, die Arbeitsweise sowohl im Detail als auch im Großen und Ganzen. Sicher, Anwesenheit und Repertoirehoheit machen einen großen Musiker aus –aber nicht nur! Ich kenne exzellente Orchester, die ganz gut ohne Chef auskommen.
Vor diesem Hintergrund finde ich es unglaublich, dass es so etwas jenseits der geschönten Biografien noch gibt: einen Dirigenten, der einlädt zur künstlerischen Gestaltung. Jemanden, der nicht die Fehler anderer Musiker zählt, sondern für das Wesentliche in der Musik eintritt. Einen Gastgeber für die Form und die Freiheit, für die Momente der ungeahnten Möglichkeiten vor allem im Konzert.
Yutaka Sado hat dem Tonkünstler-Orchester große Momente der Gestaltung und der musikalischen Freiheit geschenkt, wie ich sie in dieser Form noch bei keinem anderen Dirigenten erlebt habe. Eine Freiheit, die mitnichten anarchistisch oderunkontrolliert ist, sondern aus einer stillen gegenseitigen Übereinstimmung erwächst. Subtil und ohne Zwang. Die ein Blick auf der Bühne sein kann, eine Geste, ein Was-auch-immer.
Denn besonders für Konzerte gilt: Zu Tode geprobt ist auch gestorben. Ich bin Yutaka Sado unendlich dankbar, dass er uns das erspart hat. Freilich braucht es, um dahin zu kommen, absolutes gegenseitiges Vertrauen. Yutaka Sado darf man sich in musikalischer Hinsicht als einen Gastgeber vorstellen, der einem zur Begrüßung erst einmal ein gutes Glas Rotwein reicht. Natürlich hat man dann auch als Gast so seine Verpflichtungen, und ich hoffe ja immer, dass wirklich alle Gäste diese freundschaftliche Geste gut und richtig verstehen … In all den Jahren unserer Zusammenarbeit mit Yutaka Sado gab es nie eine Situation, die Zweifel aufkommen ließ an seiner respektvollen Haltung für unser Orchester. Seine Herzlichkeit, gepaart mit höchsten künstlerischen Ansprüchen und dem absoluten Durchblick durch die Partitur – keine Kleinigkeit bleibt ihm verborgen – erstaunt mich immer noch und immer wieder, ebenso wie seine Virtuosität im Verzicht auf unnötige Statussymbole. Seit ihrem Beginn ist unsere Zusammenarbeit eine Begegnung auf Augenhöhe, auch auf unseren schönen gemeinsamen Tourneen! Für sein Vertrauen, uns nach Japan, in sein Land, mitzunehmen, bin ich ihm sehr dankbar.
Das Tonkünstler-Orchester, wie ich es seit mittlerweile 25 Jahren kenne, hatte in seiner Vergangenheit durchaus auch kontroversielle Beziehungen zu Chefdirigenten. Nicht immer war das Finale einer Amtsperiode besonders schön, manchmal gab es Animositäten wie in einer Ehe, über deren Ende man eher froh sein darf. Ganz anders mit Yutaka Sado! Noch immer stellt sich ein Gefühl der Freude und der Erleichterung ein, wenn er den Probensaal oder das Konzertpodium betritt. Die Begegnung mit ihm ist nach wie vor ein großer warmer Händedruck, eine wortlose Einladung an das möglich Unmögliche. So möge es noch lange weitergehen! Nach dem Ende seiner Amtsperiode werden wir ihn als Chefdirigenten der Herzen begrüßen.
Alexander Gheorghiu wurde 1998 Konzertmeister im Tonkünstler-Orchester. Vor Yutaka Sado erlebte er vier andere Chefdirigenten.
«Einer der großzügigsten und herzlichsten Menschen»
Lukas Palfy-Ströcker über ansteckende Energien und gemeinsame LeidenschaftenSonst sehr ruhig und ausgeglichen, entwickelt er in den Aufführungen eine Energie, die ansteckend ist. In diesen Momenten möchte man als Musiker alles geben!
Im selben Jahr, in dem ich meine Stelle im Tonkünstler-Orchester antrat, wurde Yutaka Sado Chefdirigent – und damit verbindet uns eine gemeinsame Dekade auf und abseits der Bühne. In diesen zehn Jahren habe ich unzählige musikalische Höhepunkte mit ihm erlebt. Ich bin immer wieder beeindruckt, mit wie viel Temperament und Leidenschaft Yutaka Sado unsere Konzerte leitet. Sonst sehr ruhig und ausgeglichen, entwickelt er in den Aufführungen eine Energie, die ansteckend ist. In diesen Momenten möchte man als Musiker alles geben! Er dirigiert eine Sinfonie von Joseph Haydn mitgroßer Leichtigkeit und Fröhlichkeit und im nächsten Moment ein Werk von Gustav Mahlermit der nötigen Tiefe, Empfindsamkeit und Ironie.
Auch privat teilen wir eine Leidenschaft: das Golfspielen. Sein Spitzname für mich ist «Dangerous Luki», weil ich den Ball sehr weitschlagen kann, aber manchmal Probleme mit der Richtung habe. Nie vergessen werde ich die Konzertreisen nach Japan, bei denen mich Yutaka Sado in seine Welt mitnahm. Wir spielten auf den schönsten Golfplätzen, badeten in einem Onsen (japanisch für «heiße Quelle») nahe dem Fujiyama und aßen das beste Sushi meines Lebens. Ich durfte sogar an einer Teezeremonie in seinem Haus teilnehmen.
Yutaka Sado ist einer der großzügigsten und herzlichsten Menschen, die ich kenne. Gleich am Anfang seiner Zeit mit dem Tonkünstler-Orchester stellte er klar, dass ihn jedes Orchestermitglied «Yu-Chan» nennen darf. Die Anrede «Chan» wird in Japan nur für enge Freunde verwendet und drückt eine große Zuneigung aus.
Ich hoffe, dass diese Freundschaft noch lange Zeit bestehen bleibt und Yutaka Sado nachdieser Saison für viele Konzerte zurück zu den Tonkünstlern kommen wird.
Und mich persönlich würde es freuen, noch viele schöne Golfrunden mit ihm spielen zu können.
Lukas Palfy-Ströcker ist seit 2015 Kontrabassist im Tonkünstler-Orchester.
«Tiefes Vertrauen in unser Orchester»
Warum für Natalia Sagmeister die gemeinsamen Konzerte mit Haydns Musik ein besonderes Vergnügen waren.Seine Fähigkeit, Musik mit enormer Intensität zu interpretieren, hat nicht nur das Orchester, sondern auch unser Publikum tief bewegt.
Meine Zusammenarbeit mit Yutaka war durchzahlreiche Höhepunkte gekennzeichnet. Der Bernstein-Zyklus, insbesondere die Aufführungen von «Kaddish» mit Ruth Brauer-Kvam, bleibt mir als ein herausragendes Ereignis in Erinnerung. Auch die «West Side Story» und die «Candide»-Ouvertüre waren absolute Highlights im Programm, die uns die Gelegenheit gaben, in die geniale Musik von Leonard Bernstein einzutauchen und Yutakas Mentor «Lenny» ein bisschen näher kennenzulernen. Unsere Japan-Tournee 2018, bei der Yutaka großes Ansehen und Bewunderung in seinem Heimatlandgenoss, war ein großes Erlebnis. Besonders hervorzuheben sind die Konzerte mit Dmitri Schostakowitschs fünfter Symphonie, in denen wir die Kombination aus Energie und Emotion wunderbar verknüpften. Diese Symphoniegehört sicher zu unseren besten und überzeugendsten gemeinsamen Aufführungen. Ein besonderes Vergnügen war es immer, Musik von Haydn unter Yutakas Leitung zu spielen. Er hatte die Gabe, Joseph Haydns Musik stets frisch und spannend zu gestalten und niemals Langeweile aufkommen zu lassen.
Neben den beruflichen Erfolgen gab es auch zahlreiche persönliche Erlebnisse, die mir in Erinnerung bleiben werden. Das Abschlussessen in Japan, bei dem Yutaka die Flöte auspackte und im Ensemble mit unserer Flötengruppespielte, ist mir unvergessen. Sein ansteckender Humor und das tiefe Vertrauen, das er in unser Orchester hat, werden mir sicherlich fehlen. Besonders schätze ich seinen präzisen Schlag und seine Kunst der Tempoübergänge.
Seine Fähigkeit, Musik mit enormer Intensität zu interpretieren, hat nicht nur das Orchester, sondern auch unser Publikum tief bewegt. Es sind die Momente, in denen er nach einem Konzert von Emotionen überwältigt wurde, bis hin zu Tränen in den Augen, die uns besonders in Erinnerung bleiben.
Für die Zukunft der Tonkünstler wünsche ich mir, dass die Freude am Spielen und unser starker Zusammenhalt weiterhin das Herzstück unseres Orchesters bilden. Offenheit für Neues und das Bewahren unserer Spielfreude sind die Werte, die uns auszeichnen.
Yutaka wünsche ich ein weiterhin erfüllendes und erfolgreiches Musikerleben und hoffe sehr, dass er unserem Orchester verbunden bleibt.
Natalia Sagmeister ist seit 2017 Stimmführerin der zweiten Violinen im Tonkünstler-Orchester.
«Dieser wunderbar warme, weiche Wiener Klang»
Susanne Masetti glaubt, dass ein großer Teil des Orchesters im Moment des Konzerts für Yutaka Sado spielt.Ich glaube, auch er spürt, dass ein großer Teil des Orchesters im Moment des Konzerts für ihn spielt. Das rührt ihn manchmal zu Tränen und macht jedes Konzert zu einemeinzigartigen, unverwechselbaren Erlebnis.
Was bewegt Sie, wenn Sie an die bisherigen gemeinsamen Jahre mit Yutaka Sado zurückdenken?
Die Konzerte mit Yutaka sind immer sehr bewegend, ja mitreißend. Er gibt im Konzert alles und versteht es, auch seinem Gegenüber, unserem Orchester, das Maximum an Energie und Spielfreude herauszulocken. Die Zusammenarbeit ist sehr freundschaftlich, respektvoll. Er ist uns immer auf Augenhöhebegegnet, Eitelkeiten gibt es bei ihm nicht. Ich glaube, auch er spürt, dass ein großer Teil des Orchesters im Moment des Konzerts für ihn spielt. Das rührt ihn manchmal zu Tränen und macht jedes Konzert zu einem einzigartigen, unverwechselbaren Erlebnis.
Welche Musik führen Sie mit ihm besonders gern auf?
Ganz klar: die Symphonik von Anton Bruckner, Gustav Mahler und Leonard Bernstein.
In welcher Weise hat sich das Orchester unter Yutaka Sados Leitung weiterentwickelt?
Yutaka hat unser Repertoire erweitert durchseine große emotionale Verbundenheit zu Leonard Bernstein. Er hat unsere Eigenständigkeit gefördert, hat vorausgesetzt, dass wir Eigenverantwortung übernehmen. Das hat uns sehr gutgetan.
Was haben Sie ganz persönlich von ihm gelernt?
Dass vieles möglich ist, wenn man Begeisterung in den Menschen wecken kann.
Welche seiner Angewohnheiten wird Ihnen am meisten fehlen?
Seine Begrüßung und auch das Ansprechen der Musikerinnen und Musikermit Vornamen ist sicher einzigartig und sehr persönlich. Das werde ich auf jeden Fall vermissen!
Gibt es etwas, das Sie an Yutaka Sados Probenarbeit besonders schätzen?
Seine Ruhe und sein Vertrauen, dass im Konzert alles funktionieren wird. Er behält immer das große Ganze im Auge. Wiedersehen
Und in den Konzerten?
Große Geste, großer Klang, große Gefühle und seine Liebe zur Musik. Mittelpunkt ist in einer sehr eindrucksvollen Weise immer die Musik, niemals seine Person.
Welche gemeinsame Aufführung werden Sie niemals vergessen?
Unser Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg mit Mahlers fünfter Symphonie war für mich an Emotionalität nicht zu übertreffen. Wir sind mit Yutaka über uns hinausgewachsen und haben das Publikum mit einer unbeschreiblichen Intensität in unseren Bann gezogen. Nach 28 Jahren im Beruf weiß ich, wie rar und wertvoll solche Momente sind!
Was wünschen Sie Yutaka Sado für die Zukunft?
Vor allem, dass er seine Freude behält, mit derer sowohl das Publikum als auch uns Musikerinnen und Musiker auf besondere Weise zu bewegenvermag.
Und dem Tonkünstler-Orchester nach seinem Abschied?
Ich wünsche unserem Orchester, dass es den Mut hat, zu seiner Einzigartigkeit in der so gleichförmig gewordenen Welt zu stehen –und zu diesem wunderbar warmen, weichen Wiener Klang.
Susanne Masetti ist seit 1995 als Stimmführer-Stellvertreterin der ersten Violinen tätig. Ebenso wie ihr Kollege Alexander Gheorghiu erlebte sie vor Yutaka Sado vier andere Chefdirigenten beim Tonkünstler-Orchester.
«Er gibt und fordert viel Emotion»
Margit Schoberleitner über das Abenteuer Yutaka Sado und eine gemeinsame Reise auf Augenhöhe.Mit Yutaka Sado zusammenzuarbeiten, war und ist immer ein Abenteuer für mich. Respektvoll, konzentriert und ganz der Musik verpflichtet, haben wir die Höhepunkte großer Symphonien von Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms erklommen. Glanzlichter waren für mich persönlich die Aufführungen der zweiten Symphonie von Jean Sibelius und der Fünften von Gustav Mahler. Wir durchtanzten Leonard Bernsteins Musik oder hüpften mit präzisem Schlag einem Pianisten hinterher, der mitten im Konzert spontane Abkürzungen durch den Klavierpart unternahm.
Mit Yutaka Sado zusammenzuarbeiten, war und ist immer eine gemeinsame Reise auf Augenhöhe. Das impliziert natürlich eine große Selbstverantwortung für jede und jeden Einzelnen im Orchester. Yutaka hört uns genau zu und kenntauch unsere Stärken und Schwächen. Zugleich vertraut er uns und lässt uns musizieren. Er gibt und er fordert viel Emotion. Dadurch bleibt unsere Musik immer lebendig – für mich das Schönste, was beim Musizieren passieren kann!
Margit Schoberleitner ist seit 2009 Solopaukerin im Tonkünstler-Orchester und Drummerin im Tonkünstler Jazz Ensemble.
«Menschen liebend und Menschen verbindend»
Für Michel Gasciarino verging die gemeinsame Zeit wie im Höhenflug.Kaum vorstellbar, dass wir uns von Yutaka Sado als Chefdirigent verabschieden müssen. Wobei: Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Sie ist wie im Flug vergangen – für mich persönlich im Höhenflug. Als ich ihn in einem Interview zu unserer ersten Japan-Tournee 2016 beschrieb, sagte ich: «Yutaka Sado ist einfach ein Sir». Und das ist er geblieben: besonnen, ruhig, wohlwollend, Menschen liebend und Menschen verbindend. Bei der Probenarbeit hält er sich an das Notwendigste(was mir sehr entgegenkommt), um später, im Konzert, eine Explosion der Gefühle aus dem Orchester herauszuholen in einer Art und Weise, die ich vorher noch nicht erlebt hatte. Wenn ich sagen sollte, welche Musik ich am liebsten mit ihm gespielt habe, tue ich mich etwas schwer: Am liebsten habe ich alles mit ihm gespielt. Natürlich ist es traurig, sich verabschieden zu müssen. Aber es ist nicht die Wehmut, die überwiegt, sondern die Dankbarkeit, gemeinsam einen Teil des Weges gegangen zu sein.
Michel Gasciarino ist seit 1988 Hornist im Tonkünstler-Orchester.
«Ich bin jetzt schon traurig»
Johannes Strassl sitzt im Shinkansen und schreibt einen Brief.Dass ein Chefdirigent nach so langer Zusammenarbeit noch immer so viel Zuspruch aus dem Orchester bekommt, ist nicht selbstverständlich. Du wirst uns fehlen, auch als Mensch.
Lieber Yutaka,
im Shinkansen von Yokohama nach Fukuoka sitzend, schreibe ich diese Zeilen. Wie groß war meine Freude vor zehn Jahren, als wir erfuhren, du wirst unser Chefdirigent! Danach sollte sich alles bestätigen, was ich bei deinem ersten Dirigat – der fünften Symphonie von Dmitri Schostakowitsch – geglaubt hatte zu erkennen: Die Ruhe in dir, dann eine leichte Bewegung mit deinen Händen, und schon ist sie da, diese tolle Energie, auf die jeder Musiker und jede Musikerin wartet. Ein Glücksfall für unser Orchester!
Du lebst die Musik. Deinen Zugang zu den Symphonien von Gustav Mahler und Anton Brucknerfinde ich einmalig. Unser vielleicht aufregendstes gemeinsames Konzert war jenes mit der Fünften von Mahler in der Elbphilharmonie Hamburg. Noch dazu lebt in dir einer meiner Lieblingsdirigentenweiter: Leonard Bernstein. Sehr berührt haben mich die Konzerte und die CD-Produktionseiner «Kaddish»-Symphonie, denn mit ihr hatte ich meinen ersten Auftritt als Wiener Sängerknabe– unter Bernsteins Leitung.
Dass ein Chefdirigent nach so langer Zusammenarbeit noch immer so viel Zuspruch aus dem Orchester bekommt, ist nicht selbstverständlich. Du wirst uns fehlen, auch als Mensch. Du lachst so gern und bist immer für einen Spaß zu haben. Umso mehr freue ich mich, dass du uns als Gastdirigent erhalten bleiben wirst, nachdem wir 2025 noch einmal eine gemeinsame Japan-Tournee unternehmen können. Wie du 2016,bei unserer ersten Tournee in deine Heimat, in Niigata das ganze Orchester eingeladen und mitdeiner Managerin Blockflötenduette gespielt, wie du 2018 im Kirin Beer Garden in Sapporo für uns Ständchen mit der Melodika und der Querflöte gegeben hast – unvergesslich!
Für mich wird der Abschied sehr emotional, das weiß ich schon, denn eigentlich bin ich jetztschon traurig. Dir wünsche ich von Herzen, immer dort wirken zu können, wo deine Größe erkannt wird.
Danke, Yutaka.
Johannes Strassl spielt Oboe und Englischhorn und gehört dem Orchester seit 1999 an. Mit Yutaka Sado musiziert er seit dessen Tonkünstler-Debüt im März 2013 mit Werken von Leonard Bernstein und Dmitri Schostakowitsch.