Nachgefragt

Starglanz für Wiener Neustadt

Die Tonkünstler haben Mozarts Requiem im Stadttheater Wiener Neustadt gespielt – vor vollem Haus und vor laufenden Kameras für eine Gemeinschaftsproduktion von Deutscher Grammophon und ORF. Ein Blick hinter die Kulissen eines Ausnahme-Events
Orchester, Dirigent und Sänger musizieren auf einer Bühne

Es ist kurz vor 18 Uhr, und das Gewusel im Backstage-Bereich nimmt allmählich zu. Orchestermitglieder plaudern in den Gängen, spielen sich ein oder bedienen sich an jenen riesigen Metallbehältern, die ihre Dienstkleidung in sich bergen. Andreas Ottensamer, Dirigent des Abends, trägt dagegen noch ein graues T-Shirt. Der groß gewachsene Wiener hat eben eine letzte Probe im Stadttheater Wiener Neustadt absolviert. Journalistenfrage: Was wird er jetzt noch tun vor dem Konzertbeginn um 19.30 Uhr? Tratschen, essen, noch einmal in die Partitur sehen? Die verblüffende Antwort: «Erst einmal schlafen.» Der Grund: «Ich habe den ganzen Tag durchgearbeitet.»

Tatsächlich sind die Vorbereitungen für dieses Konzert außergewöhnlich. Der Termin ist es allerdings auch. An diesem 5. Dezember, dem Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart, bringen die Tonkünstler nicht nur das Requiem und die Jupiter-Symphonie des genialen Salzburgers zur Aufführung. Der Auftritt wird zudem in Bild und Ton festgehalten, und zwar für mehrerer Auftraggeber. Da ist zum einen der heimische Rundfunk: ORF III sendet das Konzert zwei Tage später zur Primetime, Radio Niederösterreich strahlt es am 25. Jänner aus, einzelne Ausschnitte gehen zudem in die Dokumentation «Mozart in Niederösterreich» ein, die am Dreikönigstag 2026 auf ORF II läuft. Damit nicht genug, mischt vor Ort auch noch ein prestigeträchtiges Label mit: Die Deutsche Grammophon hat Personal nach Wiener Neustadt geschickt, um das Konzert live auf ihrem Streamingportal Stage+ zu übertragen und es danach dauerhaft in ihr Programmangebot aufzunehmen.

Mitschnitt von Mozarts Requiem im Radio, Fernsehen und Stream

  • Sendung vom 7. Dezember 2025 in ORF III auf ORF ON | bis 5. Juni 2026 verfügbar
  • Livestream auf Stage+
  • Sonntag, 25. Jänner 2026, ab 20 Uhr in Radio Niederösterreich

Viele Beteiligte, gut koordinierte Mannschaft

Die Folge des medialen Mehrfachinteresses ist natürlich nicht, dass sich am Tag des Konzerts verschiedene Kamerateams in den Theatergängen drängen würden. Dort ist am 5. Dezember eine gut koordinierte Mannschaft tätig, das Projekt als Gemeinschaftsproduktion von stage+ und ORF ausgewiesen. Federführend dabei ist Yukie Bürkner-Damm von der Deutschen Grammophon: Die Frau aus Berlin, dunkles Haar, schwarzes Walkie-Talkie, ist als Produzentin vor Ort und steht bei der Arbeit entsprechend unter Strom. Bürkner-Damm wacht nicht nur über die Güte der Aufnahmen und trägt dafür Sorge, dass die Zeit- und Kostenpläne eingehalten werden. Um keine wertvollen Minuten zu vergeuden, übernimmt sie im Bedarfsfall auch simple Tätigkeiten, blockiert am frühen Abend etwa im Backstage-Bereich die Bühnentür, damit der Chor dahinter ungestört aufnehmen kann. «Was it okay?», fragt sie danach in ihr Funkgerät hinein. «It was great!», lautet die prompte Antwort.

Aber Moment: Warum wird hier überhaupt schon aufgenommen, wenn das Konzert noch gar nicht begonnen hat? Das liegt daran, dass das Filmteam mehr als nur eine Live-Übertragung erarbeitet. Ist diese erst einmal abgeschlossen, wird dem Mitschnitt in der Postproduktion der letzte Schliff verliehen. Dazu gehört auch das Ausbügeln von Passagen, die nicht ganz wunschgemäß geraten sind. Sie werden in der Regel durch mitgefilmtes Probenmaterial ersetzt.

Blaublütler mit befremdlichen Charakterzügen

In Wiener Neustadt arbeiten die Kameras an diesem Tag allerdings nicht nur im Stadttheater. Sie blicken auch in das nahe Neukloster – und zollen damit einer historischen Begebenheit Tribut: Am 14. Dezember 1793 war das Requiem von Mozart, zwei Jahre nach dessen Tod, in der Wiener Neustädter Zisterzienserabtei erklungen. Gesorgt hatte dafür ein gewisser Franz von Walsegg, eines Zeichens Auftraggeber des Meisterwerks. Ein Blaublütler mit befremdlichen Charakterzügen: Er hatte die Partitur nicht nur bestellt, um seiner verblichenen Gattin zu gedenken, sondern um sich zudem unverschämt als Urheber der Musik auszugeben. Dennoch: Walseggs Aufführung war die weltweit erste Wiedergabe des Werks als Totenmesse – und die Ursache dafür, warum sich Wiener Neustadt heute als «Uraufführungsort» des Requiems betrachtet und es seit 2024 im Jahrestakt an Mozarts Todestag erklingen lässt.

Dass sich die Deutsche Grammophon heuer für das Event begeistert, dürfte an dem historischen Hintergrund liegen: Das Edellabel hat auf seinem Streaming-Portal bereits mehrere Meisterwerke an deren «Geburtsort» präsentiert. Anregend dürfte freilich auch die Präsenz von Andreas Ottensamer gewirkt haben, hat die Plattenfirma doch beste Kontakte zu dem gebürtigen Wiener. Der Star-Klarinettist, seit 2020 auch als Dirigent tätig und schon 2024 Leiter des Mozart-Requiems in Wiener Neustadt, zählt seit langen Jahren zu den Vertragskünstlern des Unternehmens.

Gewaltiges Medieninteresse und lange Warteliste

Im Stadttheater ist man heuer an Mozarts Todestag jedenfalls hochbeglückt. Grund zur Freude beschert nicht nur das gewaltige Medieninteresse, sondern auch der Ansturm auf die 560 Karten. «Wir sind seit Wochen ausverkauft», sagt Pressesprecherin Maria Rudel und lässt die «lange Warteliste» nicht unerwähnt. Auch im künstlerischen Betriebsbüro des jüngst sanierten Hauses ist man «total happy» über das Event, in den Reihen des Orchesters machen sich Zufriedenheit und Stolz bemerkbar.

Emotionen, die vor Konzertbeginn auch Geschäftsführerin Maria Großbauer ins Gesicht geschrieben stehen. Um 18.30 Uhr, als sich die Theaterpforten öffnen und die ersten Gäste einströmen, steht sie zur Begrüßung im Foyer bereit und hat dort bald alle Hände voll zu tun. An namhaftem Publikum mangelt es natürlich nicht an diesem Abend: Bürgermeister Klaus Schneeberger und Stellvertreterin Erika Buchinger, ORF-Landesdirektor Alexander Hofer und NÖKU-Chef Paul Gessl, Flughafen-Vorstand Günther Ofner und Art-for-Art-Leiterin Petra Höfinger: Alle da und noch viele mehr.

(Die Bilder vom Konzert stehen ganz unten!)

    Mondäner Glanz im Stadttheater

    Prominenz allerdings auch auf der Konzertbühne während des Requiems: Mezzosopran Kate Lindsey, gefeiert unter anderem an der Wiener Staatsoper, trägt mondänen Glanz ins Stadttheater und liefert eine Leistung von Weltrang. Hut ab freilich auch vor dem ausdrucksstarken Sopran von Christina Gansch, neben der Tenor Matthew Newlin Tenor und Alexander Grassauer als Bass ansprechende Qualität liefern. Die Tonkünstler? Trumpfen unter der Leitung des energiesprühende Ottensamer immer wieder mit spritzigen Tempi auf. Ein Qualitätsgarant: Der Konzertchor Interpunkt in der Einstudierung von Michael Schneider, der mit Textdeutlichkeit und Elan brilliert und in Gestalt von Ignaz von Seyfrieds «Libera me» eine A-cappella-Zugabe zum Niederknien liefert. 

    Es überrascht nicht, dass der Abend mit Standing Ovations endet – und dass Ottensamer seine Mitwirkung für das nächste Wiener Neustädter Requiem bereits zugesagt hat.

    Christoph Irrgeher

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