Archiv: Bartók & Debussy

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Interpreten

  • Lucas Jussen, Klavier
  • Arthur Jussen, Klavier
  • Margit Schoberleitner, Schlagwerk
  • Joachim Murnig, Schlagwerk
  • Victorien Vanoosten, Dirigent

Programm

Schäumende Gischt und turmhohe Fluten, spektakuläre Fontänen und sanftes Plätschern: Ob als die Erde umspannendes Weltmeer oder als gezähmtes, kühles Nass zur Ergötzung, unter Leitung von Victorien Vanoosten steht das Wasser im Zentrum. Bei Ottorino Respighi zum Beispiel, der in seinen «Fontane di Roma» vier römische Brunnen in herrlichen Stimmungsbildern schildert – mit dem Trevibrunnen zu Mittag als rauschendem Triumphzug. Oder natürlich in Claude Debussys «La Mer», dieser grandiosen symphonischen Feier des Ozeans in der Vermählung von Wind und Wogen. Dazu die sprudelnde Virtuosität der Brüder Artur und Lucas Jussen bei Béla Bartók: Das weckt die Lebensgeister.

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Ottorino Respighi

«Fontane di Roma» Symphonische Dichtung

Sätze

  • La fontana di Valle Giulia all'alba (Der Brunnen im Valle Giulia bei Sonnenaufgang)

  • La fontana del Tritone al mattino (Der Tritonenbrunnen am Vormittag)

  • La fontana di Trevi al meriggio (Der Trevi-Brunnen in der Mittagssonne)

  • La fontana di Villa Medici al tramonto (Der Brunnen der Villa Medici in der Abenddämmerung)

Dauer

18 Min.

Entstehung

1916

Ottorino Respighi wuchs in seiner Heimatstadt Bologna im opernverrückten musikalischen Klima Italiens auf. Musik war in diesem Land für Jahrhunderte vor allem Opernmusik. Von Monteverdi bis Verdi stand das Musikdrama im Vordergrund. Italienische Komponisten an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert konnten im Gegensatz zu ihren Kollegen im deutschsprachigen und russischen Raum auf keine Tradition der symphonischen Musik zurückgreifen. Bezeichnenderweise übersiedelte Respighi, den es zur reinen Orchestermusik zog, von Bologna, wo er am Liceo musicale ein Musikstudium begonnen hatte, sehr bald nach St. Petersburg, um beim Doyen der russischen Musik, Nikolai Rimski-Korsakow, weiter zu studieren. Diese drei Jahre (1900–1903) prägten das kompositorische Verhalten Respighis nachhaltig, bei Rimski-Korsakow bekam er einerseits eine exzellente Ausbildung in der Instrumentierung und orchestralen Farbgebung, andererseits aber auch die Anregung zur Verbindung von symphonischer Musik mit außermusikalischen Stoffen. Respighi bezeichnete seine russische Zeit, in der er auch als Violaspieler im Orchester des Marinskij-Theaters von St. Petersburg wirkte, als die für seine Komponistenlaufbahn «entscheidenden Jahre». Russische Klangfantastik schimmert immer wieder durch seine Musik.

In einer Reihe groß angelegter Tondichtungen wandte sich Respighi dem Genre der Programmmusik zu, weil es ihm die Möglichkeiten zu schillernder Klangpoesie und farbenreicher Tonmalerei eröffnete. Mit «Fontane di Roma» («Brunnen von Rom») schuf Respighi einen Typus des «Poema sinfonico», in dem durch die Viersätzigkeit und das Wechselspiel von langsamen und schnellen Sätzen die lange Tradition der symphonischen Musik mit den programmmusikalischen Intentionen einer durchgängigen Tondichtung verschmolz. Respighi wandte dieses Modell auch in den weiteren Werken seiner «Römischen Trilogie», den «Pinien von Rom» und den «Römischen Festen», an. Den harmonischen Reiz erhöhte Respighi durch Hinzunahme von kirchenmusikalischen Tonarten.

In den «Fontane di Roma» schildert der Komponist seine Empfindungen beim Anblick von vier berühmten Brunnen zu jeweils jener Tageszeit, in der das Objekt der Schilderung den stärksten Eindruck macht: der Brunnen des «Valle Giulia» im frischen Dunst der Morgendämmerung, der Tritonenbrunnen im schillernden Morgenlicht, der Trevibrunnen im glanzvollen Mittagslicht und der Brunnen der Villa Medici zur besinnlichen Zeit des Sonnenuntergangs.

Respighi schuf eindringliche Stimmungsbilder und prickelnde, funkelnde und rauschende Wasserspiele. Der Impressionismus der Franzosen hinterließ auch bei diesem mediterranen Komponisten seine Spuren. Gleichzeitig kann man in den kühnen Klangkonstellationen des zweiten Satzes den russischen Einfluss und sogar Strawinski heraushören. In der pathetischen Klangsteigerung des dritten Satzes näherte sich Respighi schon der Via Appia, über die er dann im Finale seiner «Pinien von Rom» die römischen Legionen marschieren ließ.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Rainer Lepuschitz

Béla Bartók

Konzert für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orchester

Sätze

  • Assai lento - Allegro molto

  • Lento, ma non troppo

  • Allegro non troppo

Dauer

25 Min.

Entstehung

1940

Die Welt, das Umfeld des Béla Bartók, hatte sich bereits erheblich verändert, als er an seiner «Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug» – der Urform des heute gespielten «Konzerts» – arbeitete. Als Pianist, Volksmusikforscher und Komponist baute er seit Beginn des 20. Jahrhunderts kontinuierlich eine Karriere auf, die ihn weit über die Grenzen Ungarns hinaus in zahlreiche Länder Europas, später auch nach Nordafrika und in die USA führte, sodass er bereits international etabliert war, als die düsteren Entwicklungen der Zwischenkriegszeit auf eine baldige neue Konfrontation zwischen den Nationen hindeutete.

Vor allem war es das auf breiter Linie erfolgte Erstarken des Faschismus, das Bartók mit tiefer Skepsis und Abscheu beobachtete – neben Deutschland vor allem auch in Italien und Österreich. So schreibt er etwa im Mai 1937 in einem Brief an die Schweizer Freundin Anna Müller-Widmann: «[…] Ursprünglich wollten wir nach Italien (Dolomiten) gehn; aber mein Haß gegen Italien ist in der letzten Zeit derart abnormal groß geworden, daß ich einfach mich nicht entschließen kann, das Land zu betreten. Das scheint ein überspannter und übertriebener Standpunkt zu sein: aber wenigstens möchte ich in meinen Ferienwochen nicht fortwährend von der italienischen Aggressivität gereizt werden. Allerdings sagt man, daß Österreich ebenfalls schon vom Nazigift durchtränkt sei, aber vielleicht trägt man das dort nicht so sehr zur Schau.» Auch die markante politische und wirtschaftliche Annäherung seiner ungarischen Heimat an die drei genannten Länder bereitete ihm große Sorgen. Einer der wichtigen Aufführungsplätze für seine Musik war weiterhin die neutrale Schweiz: 1937 feierte die vom Dirigenten Paul Sacher in Auftrag gegebene «Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta» in Basel einen außerordentlichen Erfolg, was als erneuten Auftrag die Komposition der genannten «Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug» nach sich zog, die im Jänner 1938 ebenfalls in Basel Premiere hatte.

Trotz der immer unsicherer werdenden politischen Lage in Europa schwankten Bartók und seine Frau Ditta Pásztory, ob sie die Heimat verlassen sollten. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und letztlich der Tod von Bartóks Mutter im Dezember 1939 mochten die entscheidenden Motive gewesen sein, den schweren Entschluss zur Emigration zu begünstigen. Aufgrund der positiven Erfahrungen als Konzertpianist auf Tourneen in den Vereinigten Staaten von Amerika erfolgte im Oktober 1940 die endgültige Übersiedlung dorthin. In den USA wurde Bartók durchaus mit Wertschätzung aufgenommen, doch die Auftrittsmöglichkeiten ebenso wie die Resonanz auf seine Konzerte hielten sich in Grenzen, und hohe Krankenhauskosten belasteten zudem die finanzielle Lage. Der Einsatz mehrerer Freunde führte umso mehr zu Auftragskompositionen, sodass letzte Meisterwerke für einige der bedeutendsten Interpreten entstehen konnten, darunter das «Konzert für Orchester», das «Konzert für Viola und Orchester» und die «Sonate für Violine solo». Und es kam zu einer instrumentalen Erweiterung der «Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug» für ein Konzert mit den New Yorker Philharmonikern.

Zu den im ursprünglichen Werk hervorstechendsten Elementen der Motorik und Rhythmik konnte Bartók nun die Farbschattierungen eines Orchesterapparates hinzufügen und damit individuelle Stellen hervorheben und neue Kontraste setzen. Weil dadurch auch das konzertierende Prinzip des Wechselspiels der Instrumente gestärkt wurde, kam es im Titel zur Änderung von einer «Sonate» zu einem «Konzert». Der formale Rahmen folgt der klassischen Anlage, wonach zwei rasche Sätze einen langsameren einschließen. Dem Hauptteil des über weite Strecken urwüchsig und wild anmutenden Stirnsatzes ist eine langsame Einleitung mit der Bezeichnung Assai lento – Allegro molto vorangestellt, die wie ein Sammeln und Aufbauen von Energie anmutet, aus der sich alles weitere Geschehen ableitet. Verhalten, im Pianissimo setzt der mittlere Satz ein, Lento, ma non troppo, der sich als ein Notturno von tiefer Innigkeit entwickelt. Das rasante Finale, Allegro non troppo, schließlich gleicht einem ausgelassenen Tanz und vermittelt eine für Bartóks Werke dieser Zeit ungewöhnliche Fröhlichkeit. In aller Ungezwungenheit wirbelt der Satz den Schlusstakten zu, mit denen das Geschehen plötzlich sanft in doppeltem Pianissimo verebbt.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Christian Heindl

Claude Debussy

«La Mer» Drei symphonische Skizzen für Orchester

Sätze

  • De l'aube à midi sur la mer (Von der Morgenröte bis zum Mittag auf dem Meer)

  • Jeux de vagues (Spiel der Wellen)

  • Dialogue du vent et de la mer (Zwiegespräch von Wind und Meer)

Dauer

22 Min.

Entstehung

1903-05

Claude Debussy hatte zu Anfang des 20. Jahrhunderts aus finanzieller Notwendigkeit begonnen, sich als Musikkritiker zu verdingen und zu diesem Zweck einen scharfzüngigen, Zigarre rauchenden Gesprächspartner namens Monsieur Croche erfunden. Doch auch später noch, als längst etablierter Komponist, war Debussy für seine spitze Feder bekannt, seinen betonten französischen Nationalismus und für so manches gehässige Bonmot auf Kosten berühmter Kollegen und Vorgänger. «Kein Mensch ist verpflichtet, nur Meisterwerke zu schreiben, und wenn man die Pastoral-Symphonie als solches behandelte, würde diese Bezeichnung an Kraft einbüßen», ätzte er einmal in Richtung Ludwig van Beethovens. – Eine so rigorose Ablehnung also ausgerechnet jenes symphonischen Werks, in dem Beethoven das Leben auf dem Lande in Töne übersetzt, wo doch Debussy selbst die musikalische Schilderung der Natur, gerade etwa in «La Mer», keinesfalls verschmäht hat? Um den offensichtlichen Widerspruch aufzulösen, muss man bedenken, dass Debussy, obwohl anfangs auch er der in Frankreich grassierenden Begeisterung für Richard Wagner erlegen war, sich später mit Vehemenz von dieser gelöst und seine Vorbilder anderswo gefunden hat: weit abseits der sich selbst allzu wichtig nehmenden deutsch-österreichischen Musikgeschichte, beim urwüchsig-ungezügelten Russen Modest Mussorgsky, bei der javanischen Gamelan-Musik und ihrer Pentatonik, in der Klarheit der französischen Clavecinisten des Barock, in den Synkopen des aufkommenden Ragtime. Das jeweilige Verhältnis sowohl zu Beethoven als auch zu Wagner war zwar für die nachfolgenden Komponistengenerationen in Deutschland und Österreich die zentrale Frage, an der sich alle messen lassen mussten – für Frankreich hingegen leugnete Debussy deren Bedeutung, weil dies für ihn die Fixierung auf einen überholten ästhetischen Standpunkt darstellte: «Es schien mir bewiesen, dass die Symphonie seit Beethoven überflüssig geworden war. Bei Schumann und Mendelssohn ist sie ohnehin nur eine respektvolle Wiederholung der gleichen Formen, mit bereits geringerer schöpferischer Kraft. Die Neunte war allerdings ein genialer Fingerzeig, ein großartiges Verlangen nach Erweiterung der Formen», schrieb Claude Debussy in einem Aufsatz zur Symphonie, um sodann den Schluss zu ziehen: «Beethovens wirkliche Lehre bedeutete also nicht die Bewahrung der alten Form, noch weniger die Verpflichtung, in die Fußstapfen seiner ersten Versuche zu treten.»

Debussy wollte jedoch sowohl das Erbe Beethovens als auch jenes Wagners überwinden: Hatte er auch in seiner Oper «Pelléas et Mélisande» (1893–98) noch unweigerlich Wagner bis zu einem gewissen Grad seine Reverenz erweisen müssen, ließ er das frühere Vorbild nun ebenso hinter sich wie die Gebote der konservativen Instrumentalmusik – schließlich mochte er sich seine musikalische Erfindung genauso wenig von der in der Wiener Klassik entwickelten und von Brahms noch weiter getriebenen Durchführungstechnik mit ihrer motivisch-thematischen Arbeit einschränken lassen. Mit Bedacht nannte der Komponist sein «La Mer» im Untertitel «trois esquisses symphoniques», also «drei symphonische Skizzen»: Skizzen, weil in dieser Musik die formalen Kriterien ebenso wie die inhaltlichen Prinzipien althergebrachter Orchestersprache suspendiert sind; symphonisch, weil sich die Themen dieses großangelegten Werkes doch entwickeln, in den Ecksätzen am Ende gar zu hymnischer Apotheose sich bündeln. Aber ebenso wenig, wie man «La Mer» im technischen Sinn eine für Debussy überkommene traditionelle Durchführungstechnik ablauschen kann, erschöpft sich das Werk klanglich in konkret deskriptiver, sozusagen naturalistischer Tonmalerei: Höchst selten, am ehesten noch im scherzoartigen Mittelsatz, in dem man etwa sich kräuselnde Gischt vernehmen mag, ließen sich konkrete programm-musikalische Ausdeutungen dingfest machen. Das reale Meer platterdings abzubilden, war jedoch gar nicht Debussys Absicht, selbst wenn dieses ihn zeitlebens gefesselt hatte. Seinem Freund André Messager, der 1902 die Uraufführung des «Pelléas» dirigiert hatte, vertraute er im September des darauffolgenden Jahres brieflich an: «Sie wissen vielleicht nicht, dass ich für die schöne Laufbahn eines Seemanns bestimmt war und nur die Zufälle des Lebens mich davon abgebracht haben. Trotzdem habe ich [dem Meer] eine wahre Leidenschaft bewahrt.» Eine Leidenschaft freilich, die keine örtliche Nähe brauchte, um inspirierend zu wirken: Ausgerechnet auf dem Land begann er die Komposition, «in der dörflichen Abgeschiedenheit Burgunds im Sommer 1903, den er mit seiner Frau in Bichain (Département Yonne), dem Sommersitz seiner Schwiegereltern, verbrachte» (Peter Jost). Und im erwähnten Brief an Messager gibt Debussy nicht nur die erste Fassung der Satztitel preis, sondern betont auch gewissermaßen die Autonomie seiner inneren Vorstellungen und ihre Dominanz über jede bloße Deskription: «Ich arbeite an drei symphonischen Skizzen mit den Überschriften: 1. Mer belle aux îles sanguinaires [Ruhige See vor den Îles Sanguinaires]. 2. Jeu de vagues [Spiel der Wellen]. 3. Le vent fait danser la mer [Der Wind lässt das Meer tanzen] unter dem Gesamttitel La Mer. […] Nun werden Sie sagen, dass die Weinberge Burgunds nicht gerade vom Ozean umspült werden! Und dass das Ganze wohl den im Atelier gemalten Landschaften gleichen könnte! Aber ich habe unzählige Erinnerungen; das ist meiner Meinung nach besser als eine Realität, deren Charme im Allgemeinen die Gedanken zu sehr belastet.»

Stattdessen gelang ihm in diesem Werk mit den musikalischen Äquivalenten von Farbwert und Pinselstrich eine tönende Repräsentation des Meeres – in «geheimnisvoller Übereinstimmung von Natur und Imagination», wie der Komponist den Sachverhalt selbst formuliert hat. Diesen Unterschied zu begreifen und «La Mer» eben nicht daran zu messen, wie deutlich es seinen Titel als vermeintliche Programmmusik einlösen könne, war freilich viel verlangt vom Publikum der nicht sonderlich erfolgreichen Uraufführung, die am 15. Oktober 1905 in Paris mit dem Orchestre Lamoureux unter Camille Chevillard stattfand. (Abgesehen von einer ungünstigen Probensituation war noch dazu die öffentliche Meinung gegen Debussy eingestellt, weil er sich kurz zuvor zugunsten der Bankiersgattin und Sängerin Emma Bardac von seiner Frau getrennt hatte; während eines kurzen Urlaubes des neuen Paares Ende Juli 1905 in Eastbourne an der englischen Kanalküste, knapp nach Emmas Scheidung, war «La Mer» vollendet worden.)

Es bedurfte eines feinfühligen Kollegen wie Paul Dukas, ein zentrales Charakteristikum des Werkes zu benennen, das längst zu den beliebtesten Kompositionen Debussys und des 20. Jahrhunderts überhaupt zählt: Hier wird nicht etwa eine Geschichte erzählt, sondern eine sozusagen nüchtern-naturwissenschaftliche, «anonyme» Bestandsaufnahme der Elemente vollzogen, die «alles Anthropomorphe, alle Beziehung zu einem Sujet ausschließt». Anders als in unzähligen See- und Sturmmusiken vor und nach «La Mer» bleibt also der Mensch hier als bedrohtes oder die Gefahren doch meisterndes Subjekt konsequent ausgespart: Nicht die Auswirkungen des Meeres auf uns stehen im Zentrum, sondern dessen gleichsam objektive Charakteristik.

Der erste Satz von «La Mer», «Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer», beginnt «sozusagen als die Geburt der Musik aus dem Geiste des Klangs, genauer: ihrer einzelnen, nacheinander eintretenden Elemente und Dimensionen (Einzelton, Klangfarbe, Taktart, Motiv, Tonalität, Thema, Entwicklung, Form), und das alles ohne ‚symphonische‘ Kompositionstechnik. Die Apotheose, die als ‚springender Punkt‘ in der Coda eintritt, ist eine der Musik selber» (Dietmar Holland). Nach den leicht und locker gefügten, giocosen Elementen des Mittelsatzes, «Spiel der Wellen», schlägt der letzte, «Zwiegespräch von Wind und Meer», dramatisch-ernste Töne an: Der Dialog zwischen chromatischen Wind-Themen und aus dem ersten Satz übernommenen, diatonischen Meeres-Themen gipfelt in einer grandiosen, geradezu mystisch wirkenden Vereinigung der beiden Sphären.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer