Archiv: Spanische Gitarrenklänge

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Pablo Sáinz Villegas, Gitarre
  • Anna Rakitina, Dirigentin

Programm

Wenn es so etwas wie unwiderstehliche Musik gibt, dann gehört das «Concierto de Aranjuez» von Joaquín Rodrigo eindeutig dazu. Das wohl populärste aller Gitarrenkonzerte führt in die königlichen Gärten südlich von Madrid, die dem blinden Komponisten sehr ans Herz gewachsen waren. In Grafenegg wird es vom spanischen Gitarristen Pablo Sáinz Villegas gespielt. Der charismatische Virtuose zählt aktuell zu den wichtigsten Botschaftern spanischer Musik, deren Reize – wie etwa in Georges Bizets erster «Carmen»-Suite – auch im zweiten Teil des Konzerts zur Geltung kommen. Am Pult steht Anna Rakitina, die als eine der spannendsten und gefragtesten Dirigentinnen der jungen Generation gilt. Sie assistiert Musikdirektor Andris Nelsons beim Boston Symphony Orchestra und hat sich dem Tonkünstler-Orchester und seinem Publikum bereits im April dieses Jahres im Musikverein Wien mit Pjotr Iljitsch Tschaikowskis sechster Symphonie, seiner «Pathétique», empfohlen.

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Joaquín Rodrigo

Konzert für Gitarre und Orchester «Concierto de Aranjuez»

Sätze

  • Allegro con spirito

  • Adagio

  • Allegro gentile

Dauer

20 Min.

Entstehung

1939

Joaquín Rodrigo kam im Jahr nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts zur Welt und starb im Jahr vor dem Ende des 20. Jahrhunderts. Und die Hälfte jenes Jahrhunderts, das er fast zur Gänze erlebte, und darüber hinaus zählte und zählt er dank einer seiner Kompositionen zu einer Berühmtheit des Musiklebens in aller Welt: dem «Concierto de Aranjuez» für Gitarre und Orchester. Für die Popularität des Werkes lassen sich einige Erklärungen finden:– Der Titel, der an die Sommerresidenz des spanischen Königshauses der Bourbonen im Süden von Madrid auf dem Weg nach Andalusien erinnert, an die einmalige Atmosphäre in den weiten prachtvollen Gärten mit seinen wilden wie regulierten Gewässern, den gefiederten Bewohnern,  den schönen Magnolien und natürlich der Architektur des Schlosses, das einen mit  den Armen seiner Seitentrakte zu umfangen scheint.– Die musikalische Mischung aus historischer südlicher Tanzmusik, lebendiger spanischer Volksmusik und persönlicher Ausdrucksmusik mit unverstelltem Sentiment.– Der Solopart der Gitarre mit gehaltvoller Melodik und Harmonik, wunderbaren Arabesken, einer leidenschaftlichen Kadenz und schwungvoller Rhythmik.– Die eingängige und stimmungsvolle Orchestersprache, in der das Melodische in satten Farben und das Rhythmische in pulsierenden Akzenten ausgelebt wird.– Der Dialog zwischen der Gitarre und anderen Soloinstrumenten sowie dem ganzen Orchester, der nicht nur für den Musiker, sondern auch für den Hörer die Möglichkeit einer Identifizierung mit dem eigenen Ich im Solopart gegenüber der Mitwelt bietet. Rodrigo spricht auf direkte Weise die individuelle musikalische Empfindung an.– Die traurig-romantische Stimmung im langsamen Satz, mit einer sich wehmütig vortastenden Hauptmelodie, die etwas improvisiert aus dem Moment heraus entstanden wirkt, nach der Gitarre von verschiedenen Instrumenten wie dem Englischhorn, Fagott und Horn wie ein Lamento weitergesungen und in schwermütigen Gefühlsaufwallungen vom ganzen Orchester angestimmt wird. Die mit verminderten Septakkorden spannungsreich gefärbte Harmonik trägt ein Übriges zur melancholischen Wirkung dieses Satzes bei, dessen Melodie es in den Sechzigerjahren im Schlager «Mon amour» sogar in die Popregionen schaffte und vom Jazztrompeter Miles Davis für sein Album «Sketches of Spain» transkribiert wurde.

Der Eröffnungssatz beginnt mit einem fanfarenhaft wirkenden Solo der Gitarre, die den mitreißenden Rhythmus in das Orchester hineinträgt und ein von den Streichern eröffnetes, heiteres melodisches Treiben auslöst. Vogelrufe, auch des Kuckucks, sprechen die Stimme der Natur in den Gärten. Aber jede Anspielung solcher Art ist geschmackvoll in das gesamte musikalische Geschehen eingebunden und wirkt nie plump-programmmusikalisch.Das Finale wechselt von den Parks ins Schloss zu einem höfischen Tanzfest, wo graziös bis lebhaft Zweier- und Dreiertakt gegen- und miteinander tanzen.

Joaquín Rodrigo, der aus der Nähe von Valencia stammte, sammelte nach einer ersten Lehrzeit am dortigen Konservatorium wichtige musikalische Eindrücke und Erfahrungen bei einem fünfjährigen Aufenthalt in Paris, wo der außergewöhnlich begabte Musiker freundschaftliche Aufnahme in den Kreisen seines berühmten Landsmannes Manuel de Falla, aber auch von Maurice Ravel, Arthur Honegger und Darius Milhaud fand. Sein Kompositionslehrer an der Pariser École Normale de Musique war Paul Dukas, der Schöpfer des unsterblichen «Zauberlehrlings» in Tönen. Der Neoklassizismus, der sich ihm in Paris einprägte, blieb Rodrigo sein komponierendes Leben lang ein wesentliches stilistisches Mittel, das er mit historischen und aktuellen Einflüssen spanischer Musik anreicherte.Die Uraufführung des «Concierto de Aranjuez» 1939 in Barcelona machte den Musiker, der sich bereits als Dirigent und Pianist einen guten Namen erworben hatte, auch als Komponisten faktisch über Nacht berühmt, das Werk wurde zu einer der meistgespielten Kompositionen des klassischen Musikrepertoires überhaupt. Die Gitarristen – und das Konzertpublikum – auf der ganzen Welt waren und sind Rodrigo aber auch dankbar für ähnlich gelungene Werke wie die «Fantasía para un gentilhombre», die selbst einen begnadeten Gitarristen wie Pepe Romero zu technischen Höchstleistungen herausforderte, das «Concierto para una fiesta», das «Concierto Madrigal» und das «Concierto Andaluz». In äußerst anspruchsvollen Solowerken für Gitarre wie etwa «Invocación y danza» schlug Rodrigo eine überaus avancierte Tonsprache an, die der Gitarre neue, moderne Regionen erschloss.

Joaquín Rodrigo lebte ab den späten Vierzigerjahren in Madrid, wo er als Professor für Musikgeschichte am Konservatorium und als Musikkritiker sowie Radioredakteur wirkte, und gelangte als musikalische Persönlichkeit Spaniens zu höchstem Ansehen. Der Künstler, der ab seinem dritten Lebensjahr nach einer Diphtherieerkrankung fast vollständig blind war, erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. 1992 verlieh der spanische König Juan Carlos dem Schöpfer des «Concierto de Aranjuez» den Ehrentitel «Marqués de los Jardines de Aranjuez».

© Rainer Lepuschitz | Tonkünstler

Zoltán Kodály

Tänze aus Galánta

Sätze

  • Lento - Andante maestoso

  • Allegretto moderato - Andante maestoso

  • Allegro con moto, grazioso - Animato - Andante maestoso

  • Allegro - Poco meno mosso

  • Allegro vivace - Andante maestoso - Allegro molto vivace

Dauer

13 Min.

Entstehung

1933

Aus dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts blühenden ungarischen Musikleben ragten bald drei junge Männer und Freunde hervor, die in vielerlei Hinsicht miteinander verbunden waren - bis hin zu der Tatsache, dass die Klavierschülerin des einen zur Kompositionsschülerin des anderen und schließlich Schülerin und Ehefrau des dritten wurde. Ernst von Dohnányi, Béla Bartók und Zoltán Kodály waren als Interpreten und Lehrer aktiv und nahmen verschiedene Funktionen ein, in denen sie maßgeblich zur Professionalisierung und Modernisierung verschiedenster musikalischer Bereiche beitrugen, wobei ihr kreatives Schaffen, für das sie Weltruhm erlangten, da noch gar nicht berücksichtigt ist. Dohnányi vertrat als Komponist eine relativ konservative Richtung in einer Nachfolge von Brahms, Bartók war der vergleichsweise Progressive, der einen alternativen Weg zu den Neuerungen Igor Strawinskys oder Arnold Schönbergs entwickelte.

Zoltán Kodály ging demgegenüber einen Mittelweg. Seit frühester Jugend hatte er eine Affinität zum ländlichen Leben, die sich in den gemeinsam mit Bartók betriebenen Feldforschungen zur ungarischen Volksmusik weiter ausprägte und auch eine markante Rolle in seinem eigenen Schaffen erhielt. Die «Tänze aus Galánta» gehen auf eine dort ansässige Musikkapelle der Roma zurück - damals im allgemeinen Sprachgebrauch als «Zigeuner» bezeichnet. Kodály verbrachte die Jahre 1885 bis 1892 in jener kleinen, heute westslowakischen Gemeinde, da sein Vater dort Bahnstationsvorstand war. Vier Jahrzehnte später war es ein Werk zum 80-jährigen Bestehen der Budapester Philharmonie, für das er seine Gedanken in diese Zeit zurückwandern ließ, wie er im Vorwort zur Partitur festhielt:

«Galánta ist ein kleiner ungarischer Marktflecken an der alten Bahnstrecke Wien-Budapest, wo der Verfasser sieben Jahre seiner Kindheit verbrachte. Damals wohnte dort eine berühmte Zigeunerkapelle, die dem Kinde den ersten 'Orchesterklang' einprägte. Um 1800 erschienen in Wien einige Hefte ungarischer Tänze, darunter eines 'von verschiedenen Zigeunern aus Galántha'. Jenen Heften entstammen die Hauptmotive dieses Werkes.»

Nicht nur Kodály, sondern auch zahlreiche andere Komponisten griffen auf diese Sammlung zurück. Kodálys «Tänze aus Galánta» bestehen aus fünf attacca ineinander übergehenden Teilen, in denen das Ausgangsmaterial vielfältig verarbeitet und in schillernde Orchesterfarben getaucht wird. Die markante, thematisch im Verlauf wiederkehrende Melodie der Einleitung entspricht dem langsam gespielten Teil (lassú) vieler ungarischer Musikstücke, etwa auch dem Csárdás. Dieses Thema kommt rondoartig im Verlauf mehrfach wieder. Ihm steht kontrastierend das lebhafte, wörtlich «frische» Element (friss) gegenüber. Als Kern des Werks kristallisiert sich der Verbunkos heraus, eine Tanzform, die bei der Anwerbung junger Männer für den Soldatendienst gespielt wurde und sich mit ihrem speziellen Rhythmus als typisch ungarisch etabliert hat. Markant ist der Wechsel von Soli und Tutti-Abschnitten, die abwechslungsreich aneinandergereiht werden. Nach und nach steigert sich das Geschehen, ebbt immer wieder kurz ab und mündet endlich in den Schlussteil, der das Werk mit einer feurigen Coda beschließt.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Christian Heindl

Georges Bizet

Carmen-Suite Nr. 1

Sätze

  • Prelude

  • Aragonaise

  • Intermezzo

  • Seguedille

  • Les dragons d`Alcala

  • Les Toreadors

Dauer

11 Min.
Manuel de Falla

Drei Tänze (Suite Nr. 2) aus dem Ballett «El sombrero de tres picos» | «Der Dreispitz»

Sätze

  • Die Nachbarn (Sequidillas)

  • Tanz des Müllers (Farruca)

  • Schlusstanz (Jota)

Dauer

13 Min.

Entstehung

1919

Manuel de Falla wird mitunter nachgesagt, dass er in seiner künstlerischen Bedeutung mit jener Béla Bartóks vergleichbar sei. In der Tat haben de Falla und einige seiner Musikerkollegen maßgeblich zur Entwicklung der spanischen Musik im 19. und frühen 20. Jahrhundert beigetragen, die seinerzeit hinsichtlich der allgemeinen musikalischen Entwicklung im übrigen Europa erheblich im Rückstand war. Richtig ist auch, dass de Fallas Werke in ihrer einzigartigen Verknüpfung von Volks- und Kunstmusik den Gipfelpunkt seines folkloristischen Werkes innerhalb der spanischen Tradition darstellen. Andalusische Volksmusik verband er mit Anregungen des französischen Impressionismus (Debussy, Ravel) zu einem Stil von zugleich persönlicher wie nationaler Prägung.

Dennoch stimmt der Vergleich zwischen Bartók und de Falla nicht. Ersterer schuf aus seinem musikalischen Material (der ungarischen und rumänischen Volksmusik) etwas vollkommen Neues, hinter dem die Ausgangsmusik ganz zurückblieb. De Falla hingegen blieb seinem «Material», der spanischen Volksmusik, treu. Diese hatte er bei seinem Lehrer Felipe Pedrell vertiefend kennen gelernt, der als Begründer der spanischen Musikforschung gilt und seine Schüler dazu anregte, die spanische Musiktradition und ihre Bedeutung für das zeitgenössische Komponieren zu würdigen.

Bereits mit dem Volksstück «El amor brujo», das 1915 in Madrid uraufgeführt wurde, hatte de Falla einen großen Erfolg errungen. Solcherart ermutigt, beschloss er, sich der Erzählung «El sombrero de tres picos» («Der Dreispitz») anzunehmen, die von dem bekanntesten spanischen Novellisten des 19. Jahrhunderts, Pedro Antonio de Alacón y Ariza stammt. Die erste Version dieses Stoffes kam 1917 als Ballett-Pantomime heraus und war bereits ein achtbarer Erfolg für den Komponisten. Doch gelang de Falla noch eine Steigerung, die auf der Bekanntschaft mit dem russischen Impresario Serge Diaghilew gründete. Dieser hatte sich in St. Petersburg bereits als erfolgreicher Kunstkritiker und Organisator hervorgetan. Weltruhm erlangte er durch die Gründung und Betreuung der Ballet Russes, einer Ballettkompanie, mit der er ab 1909 durch Europa und Amerika reiste.

Kurz nach der ersten Aufführung des «Dreispitz» kamen Diaghilew und seine Compagnie nach Spanien. Hier suchte der Impresario nach einem passenden Sujet, und de Falla schien ihm der richtige Mann dafür zu sein. Man einigte sich darauf, die klein besetzte Ballett-Pantomime zu einem Werk für Ballett und großes Orchester umzuarbeiten. Diese Fassung des «Dreispitz», die am 22. Juli 1919 unter der Leitung von Ernest Ansermet in London uraufgeführt wurde, verschaffte de Falla erstes internationales Prestige. Hierzu trug nicht nur seine Musik bei – die im Folgenden noch näher betrachtet werden soll –, sondern sicher auch die Tatsache, dass Diaghilew keinen Geringeren als Pablo Picasso für die Erstellung des Bühnenbildes und der Kostüme gewinnen konnte. Auch die Umsetzung des Werkes durch die Ballet Russes bzw. die Choreographie des berühmten russischen Tänzers Leonide Massine trug zum vollkommenen Triumph des Werkes bei.

Ist «El sombrero de tres picos» also ein spanisches Werk? Auf den ersten Blick trifft dies zu: Inhaltlich basiert das Stück auf einer volkstümlichen spanischen Erzählung, in der es um das vergebliche Liebeswerben eines Mannes um eine schöne Müllersfrau geht. Musikalisch fußt das Werk auf einer Reihe von spanischen Tänzen, die de Falla für die Zweitfassung des Balletts nachkomponiert hatte. Besonders populär geworden ist der Tanz des Müllers («Danza del molinero») aus der zweiten Suite. Der Komponist verarbeitete hier eine wild gestampfte Farruca, eine seiner lebendigsten Ausformungen des Flamenco. Auch sonst finden sich Tanzformen wie Fandango und Seguidilla mit der für andalusische Musik typischen Überlagerung von verschiedenen Rhythmen und einer Harmonik, die dem Flamenco entstammt. Die Tanznummern kulminieren in der abschließenden «Jota», die ihre Triebkraft aus der Gegenüberstellung rhythmischer Ostinati erhält. De Falla verwendete hier Musik aus verschiedenen spanischen Regionen zur Kennzeichnung der harmonisch und klanglich unterschiedlichen Charaktere.

Dennoch traf bereits Igor Strawinski den Nagel auf den Kopf, als er über den «Dreispitz» äußerte, das musikalisch Beste an der Partitur sei nicht unbedingt das am meisten «Spanische». Anders als einige seiner Landsleute erlag de Falla nämlich nicht der Versuchung, ins musikalisch Triviale abzugleiten und eingängige «Postkarten-Folklore» zu komponieren. Vielmehr beweist er mit dem «Dreispitz», dass er seine musikalischen Lektionen auch von Debussy und Ravel gelernt hatte: Tanzrhythmen und melodisch-folkloristische Wendungen sind in die Musik integriert, dennoch bleibt de Falla vor allem den mitteleuropäischen Musikidiomen verpflichtet. «Farbe» in das Geschehen bringt daher nicht ausschließlich das spanische Kolorit, sondern vor allem der Gebrauch von Harmonik und der Farben der Orchesterinstrumente, die de Falla genial beherrschte. Es verwundert wenig, dass in London nach der Uraufführung des «Dreispitz» ein Run auf den spanischen Tanz losbrach – und dass gerade die zweite Suite des Werkes noch heute zu einer der beliebtesten Kompositionen de Fallas gehört.

© Niederösterreichische Betriebsges.m.b.H. | Karin Martensen