Archiv: Brucknerhaus Linz | Tanz-Szenen

Linz Brucknerhaus Großer Saal Brucknerhaus - Großer Saal

Interpreten

  • Benjamin Beilman, Violine
  • Marc Albrecht, Dirigent

Programm

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Alexander Borodin

Polowetzer Tänze aus der Oper «Fürst Igor»

Sätze

  • Introduzione. Andantino - Allegro vivo - Allegro

  • Presto

Dauer

8 Min.
Antonín Dvorák

Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53

Sätze

  • Allegro ma non troppo - Poco meno mosso - Quasi moderato -

  • Adagio ma non troppo

  • Allegro giocoso, ma non troppo

Dauer

32 Min.

Entstehung

1879-80/1882

Antonín Dvorák erhielt am 27. Jänner 1879 eine briefliche Anfrage von dem renommierten Verleger Friedrich Simrock: «Wollen Sie mir ein Violinkonzert schreiben? Recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger? Bitte ein Wort!»

Dvorák schrieb. Im Sommer desselben Jahres. In den Tagen um seinen 38. Geburtstag am 8. September war das Violinkonzert fertig komponiert. Im November schickte er es per Post an den renommierten Geiger und Direktor der Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst in Berlin, Joseph Joachim. Der war schon der Ratgeber für Max Bruch und Johannes Brahms bei deren Violinkonzerten g-moll und D-Dur. Beide Werke hatte ebenfalls Simrock verlegt. Brahms war es ja, der Dvorák für ein Staatsstipendium des Kaiserlichen Kulturministeriums und in der Folge bei seinem Verlag, Simrock, empfahl. Die von Simrock verlegten «Slawischen Tänze» Dvoráks wurden zu einem europaweiten Verkaufsschlager.

Das Violinkonzert war daraufhin Dvoráks erstes Werk in einer anspruchsvollen klassischen Gattung für eine breite Musiköffentlichkeit. Dem aus Kittsee stammenden Joseph Joachim, der als junger Geiger 1844 Weltberühmtheit mit der Londoner Erstaufführung von Beethovens Violinkonzert erlangt hatte, entsprach Dvoráks Werk wohl nicht dem Maßstab, den er an eine Konzertkomposition anlegte. Joachim nahm zwar die Widmung des Werkes an, machte aber bei einem Treffen mit Dvorák im April 1880 einige Änderungsvorschläge. Dvorák schrieb das Werk daraufhin komplett um, denn im Mai 1880 informierte er Simrock, er habe «das ganze Konzert umgearbeitet, nicht einen einzigen Takt […] behalten» (von der ursprünglichen Fassung sind nur wenige Skizzen erhalten geblieben).

Auch die neue Fassung schickte Dvorák an Joachim, der sich dann erst im Sommer 1882 wieder beim Komponisten meldete: «Wenn ich das in aller Aufrichtigkeit sage, verehrter Herr Dvorák, so darf ich – ohne Gefahr, von Ihnen missverstanden zu werden – gestehen, dass ich das Violinkonzert in seiner jetzigen Gestalt noch nicht reif für die Öffentlichkeit halte.» Diesmal nahm Joachim gleich selber Änderungen der Instrumentierung und Retuschen vor. Vor allem schien ihm das Orchester in den Rahmensätzen gegenüber der Solovioline zu stark präsent. Im November 1882 spielte Joachim das überarbeitete Konzert in einer internen Aufführung mit dem Orchester der Berliner Musikhochschule. Nunmehr schaltete sich noch der Lektor von Simrock, Robert Keller, ein und kritisierte, der erste Satz sei nicht vollständig und müsse um etwa ein Drittel verlängert werden. Damit sprach Keller eine ungewöhnliche formale Anlage des Satzes an, dessen Reprise Dvorák mit einer Entschleunigung verkürzte. Robert Keller wollte eine formgemäße Reprise und übersah, dass Dvorák eine wichtige Maßnahme für die Balance des ganzen Werkes gesetzt hatte. Eine vollständige Reprise in dem wuchtigen Satz hätte das übrige Werk erdrückt. So aber fließt der lyrische Mittelsatz auf wunderbare Weise aus dem allmählich beruhigten Kopfsatz heraus.

Dvorák waren die Eingriffe von außen in sein Konzert nun genug. Keller «sei diesmal zu weit gegangen», teilte er Simrock mit, und dass er den ersten Satz nicht verlängern werde. Inzwischen hatte Dvorák auch die Meinung eines weiteren bedeutenden Geigers, Pablo de Sarasate, eingeholt, der dem Komponisten bestätigte, «dass die ersten zwei Sätze so bleiben können, wenn nicht müssen». Nach weiteren kleinen Änderungen im Finale konnte das Werk Ende 1882 schließlich in Druck gehen. Bei der Uraufführung errang der junge, damals 26-jährige tschechische Geiger František Ondrícek am 14. Oktober 1883 in Prag dem Werk einen großen Erfolg. Widmungsträger Joseph Joachim hat es hingegen nie öffentlich gespielt.

Den grandiosen, symphonisch zupackenden und instrumentierten Kopfsatz (Allegro ma non troppo) eröffnet ein heroisches, vom ganzen Orchester vehement in die Welt gesetztes Motiv, das sich mit einer kantablen Fortsetzung in der Solovioline zum dann doch melodisch dominierten Hauptthema weitet. Die Violine bringt das Orchester zwischendurch zu einer ruhigeren Ausdrucksweise, setzt dafür ihrerseits mit virtuosen Akkordpassagen Akzente. In einem weiteren Thema fließt unverkennbar böhmisches Blut. Im Finale (Allegro giocoso, ma non troppo) bricht dann der «slawische Tonfall» vollends durch. Ein brillanter Furiant – ein Volkstanz, in dem Zweier- und Dreiermetrum wechseln – dominiert das temperament- und effektvolle Rondo. In der schwungvollen melodischen und rhythmischen Führung der Solovioline merkt man, dass Dvorák selber als Streicher auf tschechischem Boden aufgewachsen ist. Ein weiterer slawischer Tanz, eine schwermütige Dumka, kontrastiert den fröhlichen Furiant, nimmt aber am Ende selbst auch hellere Züge an. Dem Wunsch seines Verlegers, «kantilenenreich» zu komponieren, kam Dvorák im Mittelsatz (Adagio ma non troppo) mit einer in weiten Bögen gespannten Melodik nach. Für den sehnsuchtsvollen Violingesang in diesem vollendet schönen lyrischen Satz fand der Dvorák-Biograf Otakar Šourek einen zuhöchst passenden Vergleich: «Als sänge eine Lerche über duftenden Heimatfluren.»

© Grafenegg Kulturbetriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Igor Strawinski

«Petruschka» Burleske in vier Bildern (Fassung 1947)

Sätze

  • Jahrmarkt in der Fastnachtswoche

  • Bei Petruschka

  • Bei dem Mohren

  • Jahrmarkt und Tod Petruschkas

Dauer

35 Min.

Entstehung

1911/1947

Igor Strawinskis große Ballettkompositionen nahmen im Laufe ihres Daseins beinahe unbemerkt den direkten Weg von der Bühne in die Konzertsäle: Seien es «Der Feuervogel», «Le sacre du printemps» oder «Petruschka», um nur die populärsten drei zu nennen – sie existieren alle längst auch losgelöst von ihrer ursprünglichen Aufgabe als Tanzmusik und gelten uns als absolute Meilensteine der orchestralen Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Ohne die Bemühungen des Impresarios Sergei Diaghilew jedoch, dem es in beispielloser Weise gelang, Choreographen, Komponisten und ausführende Künstler an sich zu binden, wäre es wohl gar nicht dazu gekommen: Nach politischen Unruhen in Russland war Diaghilew 1905 nach Paris gegangen, organisierte Ausstellungen sowie Konzerte und konzentrierte sich in der Folge auf Oper und Ballett; 1909 gründete er zusammen mit dem Choreographen Michel Fokine die Ballettkompanie «Ballets Russes». Nicht nur die großen Werke Strawinskis, auch Debussys «L’aprés midi d’un faune» und «Jeux», Ravels «Daphnis et Chloé», Richard Strauss’ «Josephs Legende», de Fallas «Der Dreispitz» und unzählige weitere gehen auf Diaghilews Initiative zurück.

Strawinski war erstmals beim Chopin-Ballett «Les Sylphides» an einem Projekt Diaghilews beteiligt, bevor ihn dieser mit der Vertonung des «Feuervogels» beauftragte: der Beginn einer lange währenden, erfolgreichen Zusammenarbeit. Nach der glanzvollen Premiere des «Feuervogels» im Juni 1910 in Paris, begann Strawinski schon im Juli desselben Jahres mit der Vertonung von «Le sacre du printemps», ein Stück, das ihn allerdings ob der Schwierigkeiten des Sujets noch zögern ließ. «Um mich abzulenken, wollte ich vorher ein Werk für Orchester komponieren, in dem das Klavier eine hervorragende Rolle spielen sollte – eine Art von ‹Konzertstück›. Bei dieser Arbeit hatte ich die hartnäckige Vision einer Gliederpuppe, die plötzlich zum Leben erwacht und durch das teuflische Arpeggio ihrer Sprünge die Geduld des Orchesters so sehr erschöpft, dass es sie mit Fanfaren bedroht. Daraus entwickelt sich ein schrecklicher Wirrwarr, der auf seinem Höhepunkt mit dem schmerzlich-klagenden Zusammenbruch des armen Hampelmanns endet.»

Bei einem Treffen mit Diaghilew in Strawinskis damaligem Schweizer Wohnort Clarens stellte er diesem anstatt des begonnenen «Sacre» lieber seine Idee des «Petruschka» vor, wovon Diaghilew sogleich begeistert war und die Weiterführung des Projekts anregte: «Als Schauplatz wählten wir den Marktplatz mit seiner Menschenmenge, seinen Buden und den Zauberkünsten des Taschenspielers; die Puppen erwachen zum Leben – Petruschka, sein Rivale und die Ballerina –  das Drama der Leidenschaft läuft ab und endet mit dem Tode Petruschkas.» Claude Debussy war einer der Komponistenkollegen, die ihrer Überzeugung von der Qualität der «Petruschka»-Vertonung Ausdruck verliehen, und pries etwa den «genialen Sinn für Klang und Rhythmus» und konzedierte Strawinski selbst, er könne «stolz auf das sein» was er «mit diesem Werk erreicht» habe.

Daneben ist es die Verbindung russischer Volkslieder und urbaner Einflüsse (etwa das Motiv des Leierkastenspielers) mit fortschrittlichen Kompositionsmethoden, die «Petruschka» zu einem der großen Höhepunkte der Musikgeschichte machen. In den Jahren 1945/46 unterzog Strawinski «Petruschka» einer Revision und verkleinerte, fokussierte den Orchesterapparat. Die etwa von Ernest Ansermet hierbei festgestellte «Radikalisierung» des Klanges (Ansermet bevorzugte die Originalfassung) war Strawinski selbst später auch wichtig, um «Petruschka» stärker weg von den seinerzeitigen impressionistischen Einflüssen in Richtung einer größeren Klarheit und damit härteren, kantigeren Stilistik zu rücken.

1. Bild: Der Jahrmarkt Russland, St. Petersburg, um das Jahr 1830 am Admiralitätsplatz: Eine bunte Jahrmarktszene, aus der bald zwei Drehorgelspieler (hohe Holzbläser) herausleuchten, die schließlich gegeneinander spielen, bis zwei Trommler dreinschlagen: Drei Puppen erscheinen im Gauklertheater, die Ballerina, der Mohr und Petruschka; der Schaubudenbesitzer (Flöte) erweckt sie (mit einem dreimaligen, kurzen Signal) zum Leben und sie geben hölzern einen russischen Tanz zum Besten. Die Ballerina  umgarnt den Mohren, Petruschka hingegen buhlt (vergebens) zögerlich um die Gunst der Ballerina. Ein neuerliches Trommeln, und die Puppen erstarren, die Szene wechselt in die Puppenwelt.

2. Bild: Bei Petruschka Petruschkas Zimmer ist eine einfache Zelle mit schwarzen Wänden, die auf der einen Seite eine Tür zum Raum der Ballerina hat. Mittels Fußtritts findet sich Petruschka in seiner Kammer wieder und versucht, aus seinem dunklen Verlies zu entfliehen – vergeblich. Seine Niedergeschlagenheit verfliegt mit einem Mal, als die Ballerina den Raum betritt. Allerdings lässt sie sich von Petruschkas neuerlichem Werben nicht beeindrucken und verschwindet, worauf Petruschka nach nochmaligem Ausbruch resigniert zurückbleibt. Die Trommelschläger markieren den Wechsel in das Mohrengemach.

3. Bild: Bei dem Mohren Das Gemach des Mohren ist luxuriös gestaltet, eine Tür führt zum Zimmer der Ballerina. Der Mohr (Thema in Klarinette und Bassklarinette) versucht vergebens, eine Kokosnuss zu öffnen, die er daraufhin als machtvolles Wesen anbetet. Die Ballerina tanzt mit einem Cornet à piston (im Orchester von der Trompete gespielt) in den Raum; schon lässt der Mohr seine Nuss fallen, beobachtet entzückt die Ballerina und tanzt einen grotesken Walzer mit ihr (hier zitiert Strawinski unter anderem Joseph Lanners «Die Schönbrunner»). Plötzlich erscheint Petruschka, den der Mohr nach einem Kampf (die Ballerina verschwindet inzwischen) hinauswirft. Die Trommelschläger zeigen daraufhin den Wechsel von der Puppenwelt in die äußere an.

4. Bild: Jahrmarkt und Tod Petruschkas Wieder die Jahrmarktszene des ersten Bildes, allerdings ist es jetzt Abend und die Buden sind geschlossen. Dennoch herrscht buntes Treiben: Es tanzen neun Ammen; ein Bauer bläst auf seiner Schalmei (Klarinette) und zieht einen gutmütigen Bären (Tuba) hinter sich her; zwei Zigeunerinnen tanzen; fünf Kutscher und zwei Pferdeknechte führen einen Volkstanz vor, in den schließlich die neun Ammen mit einfallen. Die Szene wird zusehends grotesker – bis plötzlich Petruschka und der Mohr kämpfend die Szene betreten: Der Mohr ersticht Petruschka. Dieser stirbt wehklagend (das Tamburin fällt zu Boden); der Schaubudenbesitzer nimmt die leblose Holzpuppe auf und die Menschenmenge zieht erleichtert davon: Es war nur eine Puppe. Plötzlich erscheint dem Gaukler Petruschkas Geist und zeigt ihm eine lange Nase, worauf der erschrockene Mann die Puppe fallen lässt und leise verschwindet.

© Grafenegg Kulturbetriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind