Aaron Copland

«Appalachian Spring» Suite für großes Orchester

Dauer

25 Min.

Entstehung

1944

Die Kunstmusik der seit 1776 unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika orientierte sich zunächst deutlich an europäischen Vorbildern und blieb von der «alten Welt» abhängig. Erst ab dem frühen 20. Jahrhundert entwickelte sich erstmals so etwas wie eine eigenständige und national gefärbte Tendenz, die dennoch den Traditionen östlich des Atlantiks folgte, die als Wurzeln nie abzustreifen waren. Nach einer Einzelerscheinung wie Charles Ives (1874 – 1954) innerhalb der internationalen Moderne war es insbesondere die Generation der um 1900 Geborenen, die nach einer typisch «amerikanischen» Musiksprache suchte. Zum einen entwickelten sich die Operette und die Revue zum Musical weiter, und der Jazz fand Eingang in die Kunstmusik (was etwa George Gershwin unnachahmlich gelang). Zum anderen gab es den Bezug zur volkstümlichen Musik, zu populären Liedern aus Pionier- und Kriegszeiten und einem damit verknüpften nationalen Stolz.

Oft dominierte ein epischer Grundton, Tondichtungen galten der Natur und Umwelt Nordamerikas und dem «freien amerikanischen Menschen» – wobei damit freilich weder die indigene Bevölkerung noch die Nachkommen der afroamerikanischen Sklavengenerationen gemeint waren. In ihrer individuellen Größe fügten die bedeutendsten Vertreter US-amerikanischer Musik, zu denen Aaron Copland an vorderer Stelle zu zählen ist, ihr jeweiliges OEuvre stimmig in den Kanon der Schöpfungen der Musikgeschichte. Copland widmet sich in zahlreichen seiner Werke dezidiert US-amerikanischen Inhalten, sodass er als einer der Pioniere der genannten Entwicklung angesehen werden muss. Eine grundlegende Ausbildung, die seinen besonderen Talenten Rechnung trug, erhielt er bei Nadia Boulanger in Paris; Igor Strawinskis Neoklassizismus sowie andere europäische Strömungen bildeten für ihn ebenso wichtige Anregungen wie der Jazz und die Unterhaltungsmusik.

Copland besaß ein sicheres Gespür für den musikalischen Zeitgeist. Er wusste, womit er Interpreten und Publikum emotional und intellektuell erreichen konnte und welche Musik dann auch positiv rezipiert und «gekauft» wurde. Erwähnt seien nur die «Fanfare for the Common Man», das «Lincoln Portrait», die Oper «The Tender Land», die Filmmusik zu «The Red Pony», seine dritte Symphonie und das 1943–44 für Martha Graham und ihre Dance Company komponierte Ballett «Appalachian Spring». In der ein Jahr später erfolgten Ausarbeitung zur Orchestersuite wurde es eine seiner bis zum heutigen Tag beliebtesten Kompositionen überhaupt.

Die Suite bietet einen großen Querschnitt durch alle zentralen Momente und umfasst in ihrer rund 25-minütigen Dauer mehr als zwei Drittel des Bühnenwerks. Die Handlung führt in das Gebirge der Appalachen, das den gesamten Osten der USA durchzieht (der Legende nach gibt es an die 100 Möglichkeiten zur «korrekten» Aussprache des Namens). Erzählt wird darin vom Pionierleben in einer unwirtlichen Zeit, die doch voller Zukunftshoffnungen steckt. Doppelte Bedeutung enthält denn auch das Wort «Spring» im Titel, das absichtlich sowohl als «Frühling» als auch als «Quelle» zu verstehen ist – beides Symbole für einen neuen Anfang.

Die Darsteller treffen vor einem eben erst erbauten Farmhaus in den Bergen aufeinander. Ein junges Paar, das hier ein gemeinsames Leben beginnen wird, zeigt sich glücklich, aber auch voller Zukunftsängste. Eine ältere Nachbarin weist auf den Wert der Erfahrungen hin, die erst die Zeit mit sich bringen. Ein Führer der christlichen Freidenkerbewegung der Shaker («Schüttler») erteilt einen Segen, weist Braut und Bräutigam aber auch auf mögliche unerwartete Schicksalsschläge hin.

In der Suite ist der siebente Teil als Variationssatz über «Simple Gifts» gestaltet. Dass es sich bei dieser bekanntesten Melodie aus «Appalachian Spring» gar nicht um Coplands eigene Erfindung handelt, sondern um ein von Joseph Brackett 1848 komponiertes Shaker-Lied, mag ihm angesichts des überragenden Erfolgs der Komposition wohl kein sonderliches Unbehagen bereitet haben. Am Schluss bleibt das Paar in Zuversicht allein zurück: «quiet and strong in their new house» – «ruhig und stark in ihrem neuen Haus».

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Christian Heindl

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