Antonio Vivaldi

«Die vier Jahreszeiten» für Violine, Streicher und Basso continuo RV 315

Sätze

  • I. «La Primavera» op. 8/1

  • Allegro

  • Largo e pianissimo sempre

  • Allegro

  • II. «L'Estate» op. 8/2

  • Allegro non molto

  • Adagio - Presto

  • Presto

  • II. «L'Autunno» op. 8/3

  • Allegro

  • Adagio

  • Allegro

  • IV. «L'Inverno» op. 8/4

  • Allegro non molto

  • Largo

  • Allegro

Dauer

23 Min.

Entstehung

1725

Allegro - Largo e pianissimo sempre - Allegro
«L'Estate» 0p. 8/2
Allegro non molto - Adagio - Presto - Presto
«L'Autunno» 0p. 8/3
Allegro - Adagio - Allegro
«L'Inverno» 0p. 8/4
Allegro non molto - Largo - Allegro


Mit der Violine durch das Jahr

Der in Venedig als Lehrer und Kapellmeister am Ospedale della Pietà wirkende Antonio Vivaldi ließ keine Gelegenheit aus, um auch internationale Aufträge zu erfüllen und damit zu einer Verbreitung seiner Musik in ganz Europa, besonders in den Musikzentren von Frankreich, Deutschland und Österreich, beizutragen. Noch in hohem Alter zog es den Italiener nach Wien, wo er sein Glück als Hofkomponist versuchen wollte, aber inmitten der Wirren des österreichischen Erbfolgekrieges nicht mehr Fuß fassen konnte und in der Habsburger-Metropole verstarb, wo sein Begräbnis mit 28. Juli 1741 in das Totenbuch von St. Stephan eingetragen ist.
Knapp zwei Jahrzehnte davor schickte Vivaldi eine Sammlung von zwölf Konzerten unter dem Titel «Il cimento dell'armonia e dell'inventione», darunter die Konzerte «Le quattro stagioni» («Die vier Jahreszeiten»), an den böhmischen Grafen Wenzel von Morzin, der für sein in der Residenz von Lukavec und einem Stadthaus in Prag musizierendes Privatorchester nicht nur auf Kompositionen seines Kapellmeisters Johann Friedrich Fasch zurückgriff, sondern auch Aufträge an auswärtige Komponisten vergab. Vivaldi bezeichnete sich in seiner Widmungsschrift in der Konzertsammlung als Morzins «Maestro di Musica in Italia».
Vivaldis «Vier Jahreszeiten» entsprachen ideal der damals vorherrschenden Natur-Mode der höfischen Gesellschaft. Der französische Hochadel etwa vertrieb sich die Zeit durch Ausflüge in Landparks: in bäuerliche Kleidung gehüllt, Schäfer-Idylle inszenierend, Landwein trinkend und wilden Honig schleckend. Jean-Jacques Rousseau hatte zwar seine Aufforderung «Zurück zur Natur» wohl anders gemeint, aber seine Landsleute machten die Natur zum gesellschaftlichen Spielraum. Eine kritische Bilanz dieser Verquickung von Natur und höfischer Kultur lässt sich aus der von Rousseau 1750 publizierten Schrift «Discours sur le sciences et les arts» herauslesen, in welcher der französische Philosoph anmerkte, die Kunst (und die Wissenschaften) würde(n) die Menschen von ihrem natürlichen, naturnahen Urzustand entfremden.
In Paris hielten sich Vivaldis «Jahreszeiten» besonders lange in der Gunst des Publikums, ehe sie, wie die meiste Musik des Barocks, auch hier für beinahe zwei Jahrhunderte der Vergessenheit anheim fielen. 1927 machte ein italienischer Musikwissenschaftler, Alberto Gentili, einen der wohl bedeutendsten Funde der Musikgeschichte: In einem von Salesianermönchen vom Collegio San Carlo in San Martino zum Verkauf angebotenen Konvolut an Noten befanden sich Mappen, in denen gut 140 Instrumentalwerke, 30 Kantaten, ein Dutzend Opern und ein Oratorium von Vivaldi verwahrt waren. Mit Hilfe der Mönche stieß Gentili dann auf gut noch einmal so viele Vivaldi-Werke, die in der Bibliothek des italienischen Aristokraten Giuseppe Maria Durazzo lagerten. Es setzte eine Vivaldi-Renaissance ein, die durch italienische Kammerorchester auf Tourneen in aller Welt verbreitet wurde. Die «Vier Jahreszeiten» wurden zum wahrscheinlich meistaufgeführten Musikstück des Barocks; die Liste an Platten- und CD-Aufnahmen ist kaum mehr überschaubar.
Vivaldi hat jedem der vier «Jahreszeiten»-Konzerte Sonette und damit ein detailliertes Programm vorangestellt, auch in den Noten finden sich inhaltliche Hinweise:


La Primavera - Der Frühling
1. Satz: Frühlingserwachen - Gesang der Vögel - Die Quellen sprudeln - Donner - Gesang der Vögel.
2. Satz: Der schlafende Ziegenhirt - Rascheln des Laubes und der Pflanzen - Der Hund bellt.
3. Satz: Ländlicher Tanz.

L'Estate - Der Sommer
1. Satz: Mattigkeit infolge der Hitze - Der Kuckuck - Die Turteltaube - Der Stieglitz - Sanfte Zephire - Verschiedene Winde - Der Nordwind - Klage des jungen Bauern.
2. Satz: Fliegen und Brummer.
3. Satz: Stürmisches Wetter.
L'Autunno - Der Herbst
1. Satz: Tanz und Gesang der Landleute - Der Betrunkene - Der schlafende Zecher.
2. Satz: Die schlafenden Zecher.
3. Satz: Die Jagd - Das fliehende Tier - Flinten und Hunde - Das fliehende Tier verendet.

L'Inverno - Der Winter
1. Satz: Erstarrendes Schauern im eisigen Schnee - Entsetzlicher Sturm - Laufen und Trampeln mit den Füßen vor Kälte - Winde - Zähneklappern. 2. Satz: Regen.
3. Satz: Gehen auf dem Eise - Vorsichtiges und ängstliches Gehen - Hinfallen - Forsches Voranschreiten - Der Schirokko - Der Nordwind und alle übrigen Winde.


Aus Vivaldis Rückgriff auf die Sonette ergab sich eine poetische und effektvolle musikalische Ausdrucksweise. Oft entsteht der illustrative Charakter der Musik aus dem brillanten Wechselspiel von Soloinstrumenten und Orchester und raffinierten Spielfiguren. In ihrer Besetzung und Form unterscheiden sich die vier Concerti aber nicht von den vielen anderen Violinkonzerten Vivaldis: Die Solostimme wird von einem vierstimmigen Streichersatz und Basso continuo begleitet, die schnellen Ecksätze in der von Vivaldi ausgeprägten Ritornellform umschließen einen liedhaften langsamen Satz.
Im lautmalerischen Nachvollzug der Inhalte der Sonette konnte Vivaldi auf seine musikdramatischen Fähigkeiten, die er sich als Opernkomponist erworben hat, zurückgreifen. Ob ein Gewitter, eine Jagd, der Gesang von Vögeln, das Säuseln des Windes, der Tanz von Landleuten oder die Schlaftrunkenheit von Hirten - Vivaldi hatte für alle geforderten Stimmungen, Situationen und Szenen die passenden musikalischen Affekte parat. Von der «Danza pastorale» bis zur «Tempesta» beherrschte er alle musikalischen Charakterstücke, die er in den «Vier Jahreszeiten» treffsicher und wirkungsvoll einsetzte.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz

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