Richard Strauss

«Don Quixote» Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters op. 35

Sätze

  • Introduktion: Mäßiges Zeitmaß

  • Thema. Mäßig - Don Quixote

  • Maggiore - Sancho Panza

  • Variation I: Gemächlich

  • Variation II: Kriegerisch

  • Variation III: Mäßiges Zeitmaß

  • Variation IV: Etwas breiter

  • Variation V: Sehr langsam

  • Variation VI: Schnell

  • Variation VII: Ein wenig ruhiger als vorher

  • Variation VIII: Gemächlich

  • Variation IX: Schnell und stürmisch

  • Variation X: Viel breiter

  • Finale: Sehr ruhig

Dauer

40 Min.

Entstehung

1897

Richard Strauss war 1897 mit zwei Helden beschäftigt. «Sinfonische Dichtung Held und Welt beginnt Gestalt zu bekommen; dazu als Satyrspiel Don Quixote», steht in seinem Tagebuch zu lesen. Wandte sich Strauss mit «Ein Heldenleben» zum Teil in eigener Sache, mit ernsten Absichten und nur gelegentlich satirischem Unterton an das Publikum, so lässt er es in «Don Quixote» teilhaben an diversen Szenen aus dem Leben vom Ritter der traurigen Gestalt, der mit dem Roman «El ingenioso Hidalgo Don Quijote de la Mancha» von Miguel de Cervantes Saavedra Anfang des 17. Jahrhunderts in die Weltliteratur eintrat. Hier ist Ironie Programm und nicht nur ein Aspekt, Strauss setzte Komödie in Töne ohne Worte. Es ist aber keine programmmusikalische Nacherzählung, vielmehr griff Strauss für sein «Sujet» mehrere signifikante Bilder aus den Abenteuern des selbsternannten Ritters heraus und fixierte sie in Momentaufnahmen im musikalischen Brennspiegel.

Strauss macht seine Helden und die Hörer vorerst zu Lesern, indem er die Leitmotive des Ritters, seines Dieners Sancho Pansa und der Geliebten Dulzinea in einer Introduktion auf verschiedene Instrumente des ganzen Orchesters verteilt vorstellt. Allmählich gerät das Thema, das Don Quixote typisiert, in die Schräglage, deutlich an schwankenden Modulationen zu erkennen. Quixote wird durch die Lektüre von den in der Cervantes-Zeit modischen Ritterromanen zu seinem eigenen Antritt und Ausritt als Ritter angeregt.
«Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters für großes Orchester» nannte Strauss das Werk im Untertitel. Für die Momentaufnahmen von Quixotes Abenteuern erschien dem Komponisten die traditionelle Variationenform am besten geeignet, freilich nicht in den von den Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts überlieferten Modellen von melodischen und motivischen Veränderungen und variativen Entwicklungen, sondern als Gerüst für sein Satyrspiel, in dem die Themen, statt selbst abgewandelt zu werden, jeweils in ein verändertes Umfeld aus Harmonik, Klang und Struktur, je nach stimmungsmäßigem Bedarf, gestellt werden. Strauss schuf aber auch über das Musikalische hinausgehend Variationen über das angeschnittene Thema, «den Kampf eines Themas gegen das Nichts», der letztlich auch philosophische Aspekte birgt: Don Quixote als Sinnbild eines fantasiebegabten Idealisten, dem die wirkliche Welt verständnislos begegnet. Eine rationale Form als Grundlage für die Darstellung des Irrationalen. Das Surreale in der Konfrontation mit dem Realen.

In den Variationen erhalten Don Quixote und Sancho Pansa dann jeweils ein bestimmtes Soloinstrument zugeordnet – sie treten als Individuen aus dem Buch in die Wirklichkeit, Quixote «schnappt über», wie es Strauss bezeichnete. Der Held reitet auf dem Violoncello einher, stolz, erhaben, nobel im Klang, aber auch etwas unbeholfen in der Bewegung und ungestüm in seinen Reaktionen. Deftig, behäbig und ziemlich geschwätzig folgt Sancho Pansa auf der Viola seinem Herrn, dabei auch ein wenig verschlagen und feig. Aus dieser Konstellation entwickelt sich im Verlauf der Variationen zum Teil ein Doppelkonzert, zum Großteil ein veritables Cellokonzert, denn Don Quixote steht natürlich im Mittelpunkt des Geschehens. Wie hier Strauss Elemente des Konzertanten mit der Charakterisierung der Protagonisten vereint, ist meisterhaft. Er gleitet nie ins Illustrativ-Dekorative ab, genausowenig bleibt das rein Instrumentale nur oberflächliche Brillanz.

1. Variation: Don Quixote, der edle Ritter, und sein Knappe, Sancho Pansa, reiten, Pferd eng an Pferd, musikalisch mit ihren Themen eng geführt, ins Land hinaus. Soeben noch denkt der Herr an seine geliebte Herrin, die – so stellt er es sich vor – in der Heimat seiner harrt, da muss er schon in den Kampf, wird aber von einer der Windmühlen erfasst und in hohem Bogen (Harfenglissandi) zu Boden geworfen (Pauke), eine schmerzhafte Niederlage, die auch das Säuseln des Windes (Geigentriller) und Klappern der Mühlen (Staccati der Flöten) nicht erträglicher machen.

2. Variation: Don Quixote muss das Land gegen das Heer eines Kaisers verteidigen und reitet mitten in die Horde hinein (in den Bratschen wirbelt der Staub auf). Die Hammel stieben aufgeregt auseinander und blöken (Flatterzungen und Synkopen der Bläser). Obwohl Hirten den Ritter mit Steinwürfen vertreiben, verbucht er einen Sieg. Gegen die Ansammlung von Dissonanzen gab es bei der Uraufführung 1898 in Köln starke Proteste.

3. Variation: Don Quixote entwickelt vor den staunenden Ohren seines Knappen, der dennoch sein Mundwerk zwischendurch nicht halten kann, seine Visionen vom Edlen und Schönen.

4. Variation: Der Ritter muss eine noble Dame aus den Klauen von Bösewichtern befreien, also sprengt er in die Menge. Als er das Madonnenbild an sich bringen will, wird er von den Prozessionsteilnehmern (Choral und Litanei), die kräftige Bauern sind, verprügelt.

5. Variation: Der Ritter hält Waffenwache im Hof und träumt sich seine Dulzinea herbei. Deren Thema wird vom Cello übernommen, Quixote also – in seiner Vorstellung – mit der Liebsten eins.

6. Variation: Der Bolero klingt eher nach Zwiefachem, und die Dulzinea, der Don Quixote zu begegnen scheint, ist vielmehr eine Dirne, die Sancho Pansa seinem Herrn nur als Dulzinea vorstellt. Der Ritter bemerkt zwar irgendwann den Betrug (und wir hören ihn in den falschen Noten in der Tanzmelodie), macht der Dame dennoch den Hof – und blitzt ab.

7. Variation: Der Ritter ist zu Gast bei einem Herzogspaar, die ihn, von seinen Erzählungen amüsiert, zu einem Ritt auf dem hölzernen Pferd durch die Luft zum grausamen Zauberer Malambruno animieren. Eine elementare Luftmusik (Auf- und Abbewegungen im Orchester, Kreisen der Flöten, Windmaschine).

8. Variation: Don Quixote ist in einem Kahn auf dem Fluss unterwegs, um eine vermeintliche Unglückliche aus Feindesklauen zu befreien. Der Ritter und sein Diener kentern im Strudel einer Mühle. Eine elementare Wassermusik (schaukelnde tiefe Holzbläser, Hörner und Celli im Barcarolen-Rhythmus). Müllersburschen retten die Gekenterten aus dem Wasser.

9. Variation: Don Quixote greift zwei Mönche an, die er für böse Zauberer hält, die eine in der Kutsche hinter ihnen herfahrende Dame entführen wollen. Die Mönche fliehen mit Stoßgebeten auf den Lippen vor dem Ritter (Fagotte-Kanon).

10. Variation: Der Ritter vom blanken Monde, in Wahrheit ein Bewohner aus Quixotes Heimatdorf, fordert den Ritter zum Kampf auf und ringt ihm das Versprechen ab, dass Quixote im Falle einer Niederlage die Waffen streckt und heimkehrt. Kampf (ganzes Orchester). Niederlage Quixotes (Trauermarsch). Heimkehr (wehmütiges Solocello).

Epilog: Der ver(w)irrte Ritter findet in die Wirklichkeit zurück (Thema in abgeklärter Stimmung) und stirbt friedlich.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Rainer Lepuschitz

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