Sergej Prokofjew

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26

Sätze

  • Andante - Allegro

  • Tema con variazioni. Andantino

  • Allegro ma non troppo

Dauer

27 Min.

Entstehung

1917-1921

Sergej Prokofjew wurde im zaristischen Russland als Sohn eines Gutsverwalters geboren. Die musikalische Bildung war seiner Mutter ein wichtiges Anliegen, die ihrem erst vierjährigen Sohn Klavierunterricht gab. Als Fünfjähriger versuchte sich Sergej bereits an eigenen Stücken: Seine erste Komposition, die von der Mutter für ihn niedergeschrieben wurde, war ein «Indianer-Galopp» in F, dessen Melodie er – fast omenhaft für seinen späteren Stil – mit dem Ton H (anstelle des B) würzte und dadurch das Tongeschlecht einer eindeutigen Zuordnung im klassischen Sinn entzog. Der Grund für diesen Kunstgriff war noch nicht in kompositorischen Überlegungen begründet, der kleine Sergej spielte damals eben nur sehr ungern auf den schwarzen Tasten des Klaviers.

Im Alter von sieben Jahren erlernte der hochbegabte Knabe das Schachspiel – eine Passion, die ihn sein Leben lang begleiten sollte und die ihn später privat mit den Weltmeistern José Raúl Capablanca und Michail Botwinnik zusammenführte. In den Sommern 1902 und 1903 erhielt Sergej erste Unterweisungen in der Kunst des Komponierens von Reinhold Glière. Alexander Glasunow, der den außerordentlich Begabten 1904 kennenlernte, empfahl ihm möglichst rasch ein Studium am Konservatorium aufzunehmen. Sergej Prokofjew war in den folgenden zehn Jahren Student am Sankt Petersburger Konservatorium und wurde dort unter anderem von Nikolai Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow in den Fächern Komposition, Dirigieren, Klavier, Kontrapunkt und Orchestrierung unterrichtet. In den Jahren nach seinem Abschluss trat er erfolgreich als Pianist und Komponist in Erscheinung. Das Schicksalsjahr 1917, in dem sich die russische Welt von Grund auf veränderte, markierte auch einen Wendepunkt im Leben des 26-jährigen Sergej Prokofjew. Die Zeit war trotz der politischen Unruhen für den jungen Komponisten ungemein fruchtbar: Er vollendete seine dritte und vierte Klaviersonate sowie das erste Violinkonzert, skizzierte das heute aufgeführte dritte Klavierkonzert, beschäftigte sich in Ansätzen schon mit der Märchenoper «Die Liebe zu den drei Orangen» und komponierte seine erste Symphonie, die unter dem Beinamen «Classique» zu einem seiner bekanntesten Werke werden sollte.

Den stürmischen politischen Ereignissen in St. Petersburg konnte und wollte er sich nicht entziehen, er schrieb später: «Die Februar-Revolution wurde von mir und den Kreisen, in denen ich verkehrte, freudig begrüßt. Während des Aufstandes war ich ... auf der Straße und verbarg mich von Zeit zu Zeit hinter Mauervorsprüngen, wenn die Schießerei allzu heftig wurde ...» Seine Eindrücke verarbeitete Prokofjew in einer Kantate mit dem Titel «Chaldäische Beschwörung», einem groß angelegten Werk für Tenor, Chor und Orchester.

Schlussendlich wurde es in Russland aber doch zu gefährlich und Prokofjew trat, wie viele andere auch, den Weg ins Exil an. Sein erster Weg führte ihn in die USA, nicht etwa als Emigrant wie seine Kollegen Rachmaninow oder Strawinski – nein, Sergej Prokofjew hatte eine offizielle Genehmigung der Sowjetunion in der Tasche und trat damit einen geplanterweise kurzen Auslandsaufenthalt an. Es sollte letztlich etwa 15 Jahre dauern, bis er wieder in die Heimat zurückkehrte – davor war Prokofjew nach einer glücklosen kurzen Zeit in den USA noch in Frankreich (überwiegend Paris), Bayern und London zu Hause. Er etablierte sich in dieser langen Zeit international als Komponist und Pianist und wurde einerseits als Exponent der westlichen Moderne und gleichzeitig als Repräsentant der Sowjetkultur wahrgenommen.

In den ersten Jahren des Exils hatte Prokofjew sein Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur bei sich, die Arbeit an dem Werk begleitete ihn quasi auf Schritt und Tritt. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass das Konzert keine «Begleitmusik» der ersten Exiljahre ist, sondern einige musikalische Ideen beinhaltet, die der Komponist schon wesentlich früher skizziert hatte. Er vermerkt über die Entstehung des Klavierkonzerts: «1913 schrieb ich ein Thema für Variationen, legte es aber dann längere Zeit beiseite. In den Jahren 1916/17 versuchte ich immer wieder, dieses dritte Konzert in den Griff zu bekommen, ich komponierte den Anfang (zwei Themen) sowie zwei Variationen über das Thema des zweiten Satzes.» Und Prokofjew integrierte in sein Werk einige Skizzen, die in den Jahren 1911 bis 1917 in St. Petersburg entstanden waren, darunter auch Aufzeichnungen für ein «sehr passagenreiches Klavierkonzert» und Material, das er später in kammermusikalischen Werken verwenden wollte. Die Arbeit am dritten Klavierkonzert erfolgte also mehr oder weniger losgelöst von den Lebensumständen dieser Zeit.

Den Sommer 1921 verbrachte Prokofjew in Saint Brèvin-les-Pins an der bretonischen Küste. Der Tag war einer strengen Ordnung unterworfen, wie es Prokofjew gewohnt war: «Ich stehe auf um 8.30 Uhr. Nachdem ich eine heiße Schokolade getrunken habe, sehe ich nach, ob der Garten noch da ist, wo ich ihn vermute. Dann setze ich mich an die Arbeit: Ich schreibe gerade das 3. Klavierkonzert.» Auch wenn Prokofjew die Dur/Moll-Tonalität nie grundsätzlich verwarf: bizarre Modulationen, scharfe Dissonanzen, teils lärmende Klangballungen und martialische Klangmassen finden sich in seiner Musik in erfrischender Häufigkeit. Das Konzert für Klavier und Orchester op. 26 präsentiert sich in klassisch ausgewogener Dreisätzigkeit und leicht fasslicher C-Dur-Diatonik. Rhythmische Kanten, drastische dynamische Steigerungen und harmonische Schärfen wechseln sich mit lyrisch-folkloristischen Elementen und galanten Melodien ab.

Der erste Satz (Andante. Allegro) in Sonatenhauptsatzform eröffnet mit einem kantablen Solo der Klarinette, das sich rasch zu einem rasanten Orchestertutti auswächst. Praktisch auf dem Silbertablett offeriert das Soloklavier ein rasantes und äußerst vitales Thema, das quasi als «Spielmacher» den Satz in Schwung hält. Die kurze Durchführung wird vom Klarinettenthema der Eröffnung bestimmt, in der darauf folgenden Reprise bekommt der Klavierpart virtuosen und breiten Raum. Der Satz wendet sich bald dem kecken und grotesken Ton der Eröffnung zu und schließt nach einer Staccato-Passage mit brillanten Läufen und weltmännischer Verve.

Der Mittelsatz (Tema con variazioni. Andantino) ist ein fünfteiliger Variationensatz, in dem – ungewöhnlich für den langsamen Teil eines Instrumentalkonzerts – die schnellen Passagen überwiegen. Die Charaktere der einzelnen Variationen reichen von galanten, fast jazzig-rhapsodisch angelegten Träumereien bis hin zu halsbrecherischen Demontagen des thematischen Materials, in der das Klavier als Motor fungiert und das Orchester die eigentliche Durchführungsarbeit leistet. In der vierten Variation schreibt Prokofjew als Vortragsangabe «freddo» («kalt») vor und zwingt den Solopart damit in eine emotionale Distanz, die sich in einer fast mystischen Stimmung niederschlägt. Die fünfte und letzte Variation ist ein Dialog zwischen Irrwitz und Posse, die sowohl dem Klavier als auch dem Orchester ein weiteres Mal Gelegenheit zur überzeugenden Selbstdarstellung geben. Zum Schluss verarbeitet Prokofjew das Thema, diesmal gespiegelt, in großen Akkorden.

Das Finale (Allegro ma non troppo) ist ein Feuerwerk der virtuosen Brillanz. Dreiteilig in der Form A-B-A’ angelegt, stellt es ein in sich geschlossenes und sehr kleines Instrumentalkonzert in der klassischen Abfolge schnell– langsam–schnell dar: Durch den Wechsel von Dreier- und Vierertakten erzeugt Prokofjew eine schwebende Unruhe, die immer wieder von schroffen Ausbrücken unterbrochen wird. Im Mittelteil beruhigt sich die Stimmung auf einem romantischen Hochplateau, bevor die Reprise wieder das Thema aufgreift und nach einer kontinuierlichen Steigerung das Konzert mit jubelndem Glanz beschließt.

Sergej Prokofjew schrieb sich sein drittes Klavierkonzert auf den Leib, die Uraufführung in Chicago am 16. Dezember 1921 spielte er persönlich. Der Erfolg war dort allerdings nur bescheiden. Es sollte nach Aufführungen in New York und London noch ein Jahr bis zur europäischen Premiere in Paris (1922) dauern, bis das Werk – wiederum mit Prokofjew am Klavier – unter der Leitung von Sergej Koussevitzki vom Publikum mit verdientem Jubel aufgenommen wurde.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

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