Samuel Barber

Konzert für Violine und Orchester op. 14

Sätze

  • Allegro

  • Andante

  • Presto in moto perpetuo

Dauer

22 Min.

Entstehung

1939/40

Samuel Barber war neun Jahre alt, als er folgende Zeilen verfasste: «Liebe Mutter! Ich schreibe das, um dir mein beunruhigendes Geheimnis anzuvertauen. Bitte weine nicht, wenn du das liest, denn es ist weder deine noch meine Schuld. Also, ich muss es dir jetzt wohl ohne allen Unsinn mitteilen. Ich war nie dazu bestimmt, ein Athlet zu sein. Ich bin dazu bestimmt, Komponist zu sein – und ich bin sicher, dass ich einer werde. Eines bitte ich dich noch: Verlange nicht von mir, diese unerfreuliche Sache zu vergessen und Football spielen zu gehen. – Bitte! – Manchmal mache ich mir darüber so viele Sorgen, dass es mich verrückt macht (nicht sehr).» Der Knirps sollte Recht behalten. Am Curtis Institute of Music in Philadelphia studierte Samuel Barber Klavier, Komposition und Gesang, nicht zuletzt unterstützt von seiner Tante Louise Homer, die Altistin an der Metropolitan Opera in New York war und ihn mit einigen der damals bedeutendsten Musikern zusammenbrachte. Mit 18 schließlich gewann er seine ersten Kompositionspreise und lernte den italienischen Komponisten Gian Carlo Menotti kennen, der später sein Lebenspartner wurde.

Auf Basis seiner profunden Ausbildung verstand es Barber, zwischen Einflüssen von Neoromantik, Dodekaphonie und Jazz immer er selbst zu bleiben – mit unmittelbar verständlicher, emotional eingängiger Musik, die ihm große Erfolge einbrachte: 1958 etwa mit der Oper «Vanessa», zu welcher Menotti das Libretto beisteuerte. Dabei hatte Barber gerade bei diesem Werk etliche Hindernisse zu überwinden gehabt: Maria Callas, die für die Titelpartie der Uraufführung engagiert werden sollte, winkte schon frühzeitig ab, weil sie erkannte, dass nicht die eher passive Vanessa (Sopran), sondern deren junge Nichte Erika (Mezzosopran) die tragende Rolle darstellt. Doch auch die daraufhin engagierte Sena Jurinac musste ersetzt werden: Erst mit der Einspringerin Eleanor Steber an der Seite von Stars wie Nicolai Gedda, Regina Resnik und Giorgio Tozzi geriet die Oper bei ihrer Uraufführung 1958 an der Metropolitan Opera New York unter der Leitung von Dmitri Mitropoulos zum Triumph und wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Wird diese Oper gerade in den letzten Jahren auch in Europa wieder häufiger aufgeführt, war und ist ein schon 1936 entstandenes Werk Samuel Barbers stets präsent: sein bewegendes «Adagio for Strings», urspünglich der langsame Satz des Streichquartetts op. 11. In der Fassung für Streichorchester ist dieses Adagio in Film und Fernsehen allgegenwärtig, mehr noch als auf den Konzertpodien der Welt, wo sich bereits Arturo Toscanini für das Werk stark gemacht hat. Durch die Verwendung in packenden Streifen wie «Platoon» oder «Der Elefantenmensch» bis hin zu Sitcoms wie «How I met your mother» konnte das Werk ins musikalische Bewusstsein einer enorm breiten Öffentlichkeit vordringen. Als freilich bei einem Gastspiel im Rahmen der Salzburger Festspiele «Vanessa» von der europäischen Kritik als Misserfolg abgekanzelt wurde, bedeutete dies den Anfang vom Ende des Opernkomponisten Barber: «Anthony and Cleopatra», geschrieben für die Eröffnung der neuen Met 1966 und selbst in den USA als Debakel angesehen, bedeutete einen tragischen Karriereknick, von dem sich Barber nicht mehr erholen konnte. Alkoholkrankheit und Depressionen waren die Folgen; doch Barber fand dennoch wieder zum Komponieren zurück. 1981 starb er 70-jährig in New York an Krebs.

Das Violinkonzert op. 14 wurde 1939 in Auftrag gegeben, und zwar vom Industriellen Samuel Simeon Fels aus Philadelphia, der mit der Haushaltsseife «Fels Naptha» ein Vermögen erwirtschaften konnte, das den Philantropen befähigte, 1935 einen bis heute tätigen Fonds zu gründen, der bedürftige Künstler sowie gesellschaftspolitische und Bildungsprojekte unterstützt. Das Werk war für Iso (eigentlich: Isaak) Briselli (1912 – 2005) gedacht, einen jungen Geiger aus Odessa, der in Russland als Wunderkind begonnen hatte und über Deutschland in die USA gekommen war. Der Auftrag sollte beiden Absolventen des Curtis Institute of Music, dem Solisten wie dem zwei Jahre älteren Komponisten, Chance zur Profilierung bieten. Barber bekam die Hälfte des Honorars von 1000 Dollar als Vorschuss, schrieb die ersten beiden Sätze in der Schweiz und legte sie Briselli nach seiner Rückkehr vor, nachdem die USA in den Krieg eingetreten waren und alle Amerikaner aus Europa in die Heimat zurückgerufen hatten. Briselli war begeistert und freute sich aufs Finale, doch sein Lehrer Albert Meiff kritisierte Barbers Partitur als zu wenig virtuos und argwöhnte, Briselli könnte damit seiner Karriere schaden. Hinzu kam, dass dem Geiger dann der abschließende dritte Satz in Gestalt eines anspruchsvollen Perpetuum mobile musikalisch nicht zusagte, Barber aber nichts ändern wollte. Er verzichtete auf die fehlenden 500 Dollar und bezeichnete das Werk als sein «concerto del sapone» (Seifenkonzert), das am 7. Februar 1941 mit dem Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy und dem Solisten Albert Spalding seine offizielle Uraufführung erlebte und sich, Brisellis und Meiffs Einwänden zum Trotz, rasch zu einem der beliebtesten Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Große Geiger wie Isaac Stern, Itzhak Perlman oder in jüngerer Zeit Gil Shaham, Joshua Bell und Hilary Hahn haben es für LP und CD aufgenommen.

Den ersten Satz (Allegro molto moderato) eröffnet die Solovioline über zarter Begleitung mit einem prächtig ausschwingenden, lyrischen Thema, das von einem charakteristischen synkopierten Motiv der Klarinette kontrastiert wird. Daraus entwickelt sich der ganze Satz, der immer wieder in hymnisch gesteigerten Gesängen aufblüht und sanft ausklingt. Das folgende Andante sostenuto stellt ein ausdrucksvolles Oboensolo vor, auf welches die Solovioline reagiert, bevor das rastlose Finale (Presto in moto perpetuo) wie ein Wirbelwind vorüberzieht.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer

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