Joseph Haydn

Konzert für Violoncello und Orchester D-Dur Hob. VIIb:2

Sätze

  • Allegro moderato

  • Adagio

  • Rondo. Allegro

Dauer

24 Min.

Entstehung

1783

Joseph Haydns Cellokonzert Hob. VIIb:2 ist das technisch wohl anspruchsvollste Cellokonzert der klassischen Epoche. In seiner sehr wechselhaften Geschichte wurde sowohl die Authentizität als auch die kompositorische Qualität des Konzerts angezweifelt. Selbst als es im späten 19. Jahrhundert unter Cellisten endlich an Popularität gewann, geschah dies in Ausgaben, die sowohl den Stil als auch die Substanz der Komposition erheblich veränderten.

Im Jahr 1837 stellte Gustav Schilling sogar die Behauptung auf, das Konzert sei eigentlich eine Komposition des Cellisten Anton Kraft gewesen, die dieser Haydn übergeben und nie zurückerhalten habe. Diese Information beruhte auf irrigen Angaben von Krafts Sohn Nikolaus, der das kompositorische Können seines Vaters überschätzte. Die vorerst zweifelhafte Natur dieses Konzerts, die mögliche Zuschreibung an Anton Kraft und eine allgemeine Geringschätzung von Haydns Instrumentalkonzerten verbannten das Stück für fast ein Jahrhundert nach seiner Entstehung in die relative Anonymität. Noch 1932 vertrat der Musikwissenschaftler Hans Volkmann die Überzeugung, das D-Dur-Cellokonzert stamme von Kraft.

Als 1951 im Keller der Österreichischen Nationalbibliothek Haydns Autograf gefunden wurde, dessen Titelblatt die Aufschrift: «Concerto per il Violoncello di me Giuseppe Haydn 1783.» trägt, verstummten endlich die Zweifel an der Autorschaft. Doch die Verbindung des Konzerts zu Anton Kraft wurde nicht aufgegeben. Einerseits erschien es klar, dass dieses Cellokonzert für Kraft komponiert worden sein musste, andererseits wurde es für unmöglich gehalten, dass Haydn dieses technisch so anspruchsvolle Konzert ohne Hilfe eines Cellisten komponiert habe. Man sah Anton Kraft als technischen Berater Haydns, ähnlich der Rolle Joseph Joachims bei der Entstehung von Brahms’ Violinkonzert. In der Literatur wurde immer die Meinung vertreten, dass Haydn das Konzert für Kraft geschrieben und dieser es in Eisenstadt uraufgeführt habe.

Im Jahr 2019 erfuhr dieses Narrativ eine entscheidende Wendung, als der englische Kunsthistoriker Thomas Tolley in der Londoner Zeitung «Gazetteer and New Daily Advertiser» vom 24. März 1784 eine interessante Programmankündigung für eines der «Hanover-Square Grand Concerts» fand: «A new Concerto Violoncello, Mr Cervetto, composed by Haydn». Dieses Konzert wurde eine Woche später wiederholt. James Cervetto – er lebte von 1748 bis 1837 – war einer der führenden Instrumentalisten Englands der 1780er Jahre. Als Schüler seines Vaters Jacob Cervetto übertraf er diesen bald. Es ist ganz offensichtlich, dass Haydns D-Dur-Konzert als Auftragswerk für Cervetto entstand, und das Autograf beweist, dass Haydn bei der Erfindung der großen technischen Herausforderungen auf die Hilfe Anton Krafts nicht angewiesen war.

Die Solostimme des Konzerts zeigt jene musikalischen und technischen Charakteristika, für die James Cervetto berühmt war: höchst kantables Spiel in der Daumenlage, in der er manchmal auch den vierten Finger verwendete, und süße Tongebung in hohen Registern, der Haydn kurz vor der Kadenz im ersten Satz mit der Bezeichnung «Flautino» Tribut zollt. Manche Passagen versetzt Haydn mit den Angaben «sul corda g» und «sul D» in höhere Lagen, und die vielen, manchmal geradezu rhapsodisch-ausufernden Solo-Passagen sind sicher den expliziten Wünschen des Auftraggebers geschuldet. Im Rondo, dessen Thema sicher nicht zufällig an das englische Volkslied «Here we go gathering nuts in May» angelehnt ist, befindet sich ein Moll-Abschnitt, in dem der Solist mit unter Cellisten berüchtigten Oktav-Doppelgriff-Passagen brillieren darf.

Die Erkenntnis, dass Haydns D-Dur-Cellokonzert ein Londoner Auftragswerk war, erklärt den ungewöhnlichen Charakter des Stücks, das dem Temperament seines ursprünglichen Solisten auf den Leib geschrieben wurde. Haydn gelang es auf geniale Weise, den spezifischen Anforderungen eines Auftrags zu genügen.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Michael Lorenz

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